Der Prozess gegen den mutmaßlichen Rotlicht-Boss Richard St. und fünf Mitangeklagte steht kurz vor einem Urteil. Die Schöffen haben sich zur Beratung zurückgezogen.
Nach 31 Verhandlungstagen und einem umfangreichen Beweisverfahren steht die Urteilsverkündung im Prozess gegen den mutmaßlichen Wiener Rotlicht-Boss Richard St. und fünf Mitangeklagte unmittelbar bevor. Am Dienstagvormittag zog sich der Schöffensenat unter Vorsitz von Richter Stefan Erdei zur Beratung über Schuld und Strafe zurück. Der Zeitpunkt der Urteilsverkündung ist offen, die Verteidiger gehen von mehrstündigen Beratungen aus.
In seinem Schlusswort hatte sich Richard St. beim Gericht "für das absolut faire Verfahren" bedankt: "So etwas habe ich noch nicht erlebt." Im Unterschied zur Polizei, die einseitig gegen ihn ermittelt habe, sei er im Grauen Haus unvoreingenommen behandelt worden, stellte der Hauptangeklagte fest. Das, was ihm die Staatsanwaltschaft vorwerfe, sei "maßlos übertrieben".
Wie der 42-jährige Geschäftsmann betonte, hätten in den 13 Jahren, in denen er in der Rotlicht-Szene in der Bundeshauptstadt den Ton angab, Ruhe und Ordnung geherrscht: "Vor meiner Zeit hat es Schießereien und Stechereien gegeben. Nach meiner Zeit hat es Schießereien und Stechereien gegeben. In meiner Zeit hat es das nicht gegeben, weil ich besonnen aufgetreten bin."
Bundeskriminalamt "wollte meinen Kopf"
Einmal mehr bezeichnete sich Richard St. als Opfer des Bundeskriminalamts (BK): "Die wollten meinen Kopf." So habe man etwa den mitangeklagten Andreas B. dazu bewegen wollen, gegen ihn auszusagen, indem man ihn unter Druck setzte.
Dieser Darstellung schloss sich der Verteidiger des Mitangeklagten Andreas B., Rudolf Lattermann, vollinhaltlich ein. Das Bundeskriminalamt habe B. angeboten, dessen Alibi für eine ihm vorgeworfene Misshandlung einer Geschäftsfrau mittels eines Baseballschlägers erst dann zu überprüfen, falls er bereit sei, "etwas über St. zu sagen". Weil sich sein Mandant weigerte, da er St. nicht einmal kannte, habe er über 19 Monate in U-Haft verbracht, obwohl er sich zum Zeitpunkt der Attacke nachweislich in Rumänien befunden habe, sagte Lattermann.
Die Behauptung der Staatsanwaltschaft, Andreas B. habe einer kriminellen Vereinigung um Richard St. angehört, kommentierte Lattermann mit den Worten "Dass i net lach". B. habe "nicht einmal die zweite Geige, sondern die fünfte Triangel gespielt".
Vorwürfe: Mafiöse Vereinigung, Schutzgeld-Erpressungen
Richard St. soll nach Ansicht von Staatsanwältin Susanne Kerbl-Cortella mit den Mitangeklagten und weiteren Personen eine mafiöse Vereinigung gebildet haben, die auf die Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen - vor allem Schutzgeld-Erpressungen und damit verbundenen Körperverletzungen und Sachbeschädigungen - ausgerichtet war. Damit und mit ebenfalls inkriminierten Abgabenkürzungen habe sich St. "erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft im Bereich der Rotlichtlokale und eine Bereicherung im großen Umfang" sichern wollen.
(APA)