Die Salafisten aus Wien Favoriten

Symbolbild Syrien
Symbolbild Syrien(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Fünf umstrittene Prediger luden Samstag zu einer "Benefizveranstaltung" für Syrien. Kritiker vermuten dahinter Finanzierung von Extremisten. Die Veranstalter weisen das zurück.

Sammelt man so etwa Geld für islamistische Extremisten, die in Syrien kämpfen? Oder war das, was sich Samstagnachmittag im Wiener Arbeiterbezirk Favoriten abspielte, nur der ehrliche Versuch engagierter Muslime, sunnitische Glaubensbrüder, die unter dem Alawiten-Regime von Bashar al-Assad leiden, finanziell und mit Sachspenden zu unterstützen?

Es waren Fragen wie diese, die Öffentlichkeit und Verfassungsschutz die gesamte vergangene Woche beschäftigten. Fragen, auf die es auch am Samstag keine Antworten gab. Anlass für die Aufregung war ein für diesen Tag angekündigter Auftritt von fünf nicht gerade unumstrittenen Predigern, die – sozusagen als Stargäste – Interessierte zu einer „Benefizveranstaltung für Syrien“ in die Hauptstadt locken sollten. Organisiert wurde das Treffen von salafistischen, also besonders strengen islamischen Gruppierungen. Gruppierungen, die der Verfassungsschutz mit Argusaugen beobachtet. Gruppierungen, die sich ihrerseits gern selbst als zu Unrecht in die Nähe des Extremismus gerückt sehen und nach außen entsprechend verschlossen agieren. Eine Konstellation, die mitten in Österreich zu mitunter gespenstischen Szenarien führt.

Es ist ein sonniger Samstagmittag auf dem Erlachplatz in Wien Favoriten. Auf der vorbeiführenden Gudrunstraße stockt der Verkehr. Links und rechts der Fahrbahn steht jeweils eine kleine Gruppe junger Männer. Sie alle tragen Bart, manche sind in Schwarz gekleidet, andere in langen, weißen Gewändern mit gestrickten Wollmützen auf dem Kopf. Rund um die angrenzenden Häuserblocks kreisen Zweiertrupps. Es sieht fast so aus, als ob sie zum Beobachten abgestellt wären. Und zu sehen gibt es wahrlich einiges. Fast schon auffällig unauffällig vertreten sich ein paar Journalisten an einer Bushaltestelle die Beine. Schwerer zu erkennen sind da schon die Observationsteams vom Verfassungsschutz. Jeder beobachtet hier jeden. Man kann das gegenseitige Misstrauen buchstäblich spüren.

Erste Versuche, ins Gespräch zu kommen, scheitern. „Sie sind Journalist? Ihnen haben wir nichts zu sagen.“ „Sie wollen Fragen stellen? Ihre Meinung haben Sie sich doch schon. Für euch Presseleute sind wir ohnehin nur Extremisten.“

Der Sohn des Shaikh. Dann beginnt ein Verwirrspiel. Im Sekundentakt treffen überwiegend junge Männer und Frauen ein. Zu Fuß, mit Kinderwagen, im Bus, im dicken BMW und im noch größeren Audi. Sie alle fragen nach dem Weg, nach dem bis dahin geheimen Ort, an dem die Prediger auftreten sollen. Die Männer in Weiß schicken die Eintreffenden einmal in diese, einmal in jene Richtung. Die Journalisten folgen ihnen, doch niemand geht tatsächlich dorthin, wo Ebu Tejma, Abu Dujana, Izzudin, Abu Abdullah und Shaikh Adem schließlich auftreten.

Erst später sickert durch, dass die eigentliche Veranstaltung im Raum eines Kulturzentrums stattfindet, das knapp 500 Meter entfernt ist. Insgesamt kommen etwa 100 Teilnehmer. Als der Vermieter bemerkt, wer seine Gäste sind, fordert er die Prediger samt Anhang zum Verlassen des Gebäudes auf. Die Gruppe weicht auf einen anderen Ort aus.

In der angespannten Situation ist dann schließlich doch jemand dazu bereit, etwas über den Zweck der Veranstaltung zu erzählen. Er nennt sich Irfan, gibt an, der Sohn des Predigers Shaikh Adem zu sein. Adem predigt in einer Moschee in der Nähe des Pratersterns in der Leopoldstadt. Explizit islamfeindliche Gruppen unterstellen ihm ein Naheverhältnis zur globalen Jihadbewegung in Bosnien. Beweise dafür gibt es nicht.

Shaikh Adems Sohn Irfan sagt, dass er zum Organisationsteam gehöre und für die Sicherheit der Veranstaltung verantwortlich sei. „Zutritt“ – Männer und Frauen sind dabei getrennt – „haben nur Personen, die uns namentlich bekannt sind.“ Ja, sagt er, Ziel sei es, Geld für verwundete Brüder und Schwestern in Syrien zu sammeln. Ob das denn verwerflich sei, mit Extremismus oder gar Terrorismus zu tun habe, will er wissen.

Neben Geld nehmen er und die anderen Organisatoren – dazu gehört u.a. das deutsche Abu-Z-Projekt – auch Sachspenden wie beispielsweise Kleidung entgegen. Dann verläuft sich das Gespräch. Irfans Glaubensbrüder beschweren sich bei ihm. „Warum sprichst du überhaupt mit dem? Er gehört nicht zu uns.“

Die Verschlossenheit strenggläubiger Muslime macht Öffentlichkeit und Behörden misstrauisch. Umgekehrt ist es dieses Misstrauen, das die Mauern aufseiten der Muslime immer höher wachsen lässt. Ein Teufelskreis, der kaum zu durchbrechen ist. In einigen Fällen beruht das Misstrauen auf Vorurteilen und falschen Annahmen, in einigen wenigen dürfte jedoch auch mehr dahinterstecken. So erzählt es ein Beamter des Verfassungsschutzes.

Demnach finden hierzulande regelmäßig Sammlungen für die islamische Sache statt. Meistens im kleinen Kreis, in der Familie, nach dem Gebet in der Moschee. Dabei geht es nicht um riesige Summen, sondern Beträge von wenigen hundert bis mehreren tausend Euro. Das Geld fließt dann in den arabischen Raum, nach Somalia, oder auch nach Bosnien, wo Agitatoren den Konflikt zwischen Moslems und Serben am Köcheln halten.

Strafbar ist das alles noch nicht. Einige Organisationen, unter ihnen auch al-Qaida-nahe Gruppen, verwenden dieses Geld beispielsweise dazu, die Not leidende Landbevölkerung in Syrien mit Lebensmitteln oder Medizin zu versorgen, um sich so ihre Akzeptanz zu sichern. „Der Staatsanwalt interessiert sich erst für unsere Erkenntnisse, wenn wir nachweisen können, dass mit diesem oder jenem Geld unmittelbar terroristische Straftaten finanziert wurden“, berichtet der Staatsschützer. Doch Beweise dafür sind kaum zu erbringen. „Für Anschläge oder Waffen werden gewöhnlich keine Rechnungen ausgestellt.“

Kurz & Knapp

Syrien gilt derzeit als Aufmarschgebiet der Jihadisten, die Präsident Assad als gemeinsamen Feind sehen. Österreichs kleine islamistische Gemeinde unterstützt die Glaubensbrüder mit Kämpfern und Geld. Jene Veranstaltung, die am Samstag in Wien stattfand, wird von Kritikern mit einer strengen Richtung des Islam in Verbindung gebracht. Es besteht der Verdacht, dass das gesammelte Geld an extremistische Kreise in Syrien geht. Die Veranstalter weisen das zurück. Die Unterstützung habe humanitäre Zwecke.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2013)

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