Runder Tisch. Nach der Vertreibung von Obdachlosen aus dem Wiener Stadtpark berieten Stadt Wien, NGOs und Experten. Ab November soll es mehr Betreuungsplätze geben.
Wien. Die Vertreibung von Obdachlosen aus dem Wiener Stadtpark hat österreichweit für Aufregung gesorgt. Um die Wogen zu glätten, wurde am Montag ein runder Tisch veranstaltet - mit Caritas, Fonds Soziales Wien (FSW), Polizei und Experten. Konkrete Ergebnisse gab es nicht, eine Lösung wurde aber im Vorfeld auch gar nicht erwartet. Einigkeit herrschte laut Caritas-Wien-Geschäftsführer Alexander Bodmann lediglich darüber, dass die Kommunikation zwischen der Stadt, den Blaulichtorganisationen und den NGOs verbessert werden muss. Zum einen soll die Exekutive bei Einsätzen - etwa wie bei jenem im Stadtpark - den Partnern rechtzeitig Bescheid geben. Umgekehrt soll die Polizei künftig regelmäßig über die Situation in Wien informiert werden.
Gleichzeitig wird ein „Factsheet" erstellt, auf dem die Wiener Notschlafplätze verzeichnet sind. Damit könnten Polizei oder Rettung bei Bedarf Betroffene über mögliche freie Plätze informieren. Bei der Caritas zeigte man sich am Abend zufrieden: „Ich bin froh über das Ergebnis", meinte Bodmann.
Zudem wurde auch das Thema Armutsmigration besprochen, also der Umstand, dass Bedürftige aus den Bundesländern oder aus anderen EU-Staaten nach Wien kommen. Um die Situation zu analysieren, wird nun beim Dachverband der Wiener Sozialeinrichtungen ein Expertengremium eingerichtet. Daraus sollen Maßnahmen zum Umgang mit der Problematik abgeleitet werden.
Beschwerden von Anrainern
Die Vorgeschichte: Vor rund zwei Wochen wurden Obdachlose, die seit längerer Zeit im Stadtpark übernachten, von der Polizei plötzlich vertrieben - mit Hinweis auf die Wiener Kampierverordnung, die ursprünglich verhindern sollte, dass jugendliche Touristen auf öffentlichen Plätzen kampieren. Laut Polizei hatten sich Anrainer beschwert, weshalb man zum Handeln gezwungen wurde. Dass es beim Stadtpark de facto keine Anrainer gibt, sorgte dabei für Irritationen rund um die polizeilichen Maßnahmen gegen die Obdachlosen, die großteils EU-Ausländer sind.
Die Caritas kritisierte das Vorgehen heftig: Es wünsche sich niemand, dass sich im Jahr 2013 obdachlose Menschen aus Angst, vertrieben zu werden, in Büschen verstecken müssen, erklärte Caritas-Direktor Michael Landau. Dennoch wurde die Kampierverordnung beim runden Tisch nur kurz behandelt, es gelte die Line des Fonds Soziales Wien, heißt es im Rathaus. Und diese Linie ist klar: In Wien brauche niemand im Freien zu schlafen. Es gebe rund 5000 verfügbare Wohn- und Schlafplätze für Obdachlose. Und: Man wolle keine Menschen vertreiben, sei aber gegen Zeltstädte im Stadtpark. Seitens der Stadt Wien konzentriert man sich daher auf die Winteraktion, die am 1. November startet. Ab diesem Tag wird es (wie in den zwei vergangenen Wintern) zusätzliche Schlaf- und Betreuungsplätze für Obdachlose geben. 700.000 Euro nimmt die Stadt dafür in die Hand.
Zahlreiche Beratungsangebote
Im vorigen Winter wurden mit dieser Aktion rund 2300 Obdachlose versorgt - unabhängig von deren Staatsbürgerschaft. Dazu wurden zahlreiche Beratungs- und Unterstützungsangebote gemacht. Heuer wird beim Roten Kreuz, dem Arbeiter-Samariter-Bund und der Caritas die Zahl der Betreuungs- und Schlafplätze schrittweise um 400 erhöht werden. Ein Grundproblem: Anspruch auf Leistungen der Wiener Wohnungslosenhilfe haben nur Menschen, die in Wien leben. Sie müssen österreichische Staatsbürger oder diesen gleichgestellt sein - beispielsweise anerkannte Flüchtlinge oder hier gemeldete EWR-Bürger. Für Obdachlose, auf die das nicht zutrifft, gibt es nur wenige Einrichtungen - auch wenn die Stadt die Betreuungsplätze der Winteroffensive nicht an die Staatsbürgerschaft knüpft.
Eine Verbesserung, wenn es auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, wurde am Montag bekannt. Das derzeit leer stehende Haus mit der Adresse Rennweg 89a (im Eigentum der Austrian Real Estat) im dritten Bezirk wird der Organisation Vinzi-Port in den nächsten zwei Jahren kostenlos zur Verfügung gestellt (nur die Betriebskosten müssen bezahlt werden).
Die Vinzenzgemeinschaft wird dort eine neue Notschlafstelle für EU-Bürger einrichten, das Gebäude wird derzeit entsprechend adaptiert. Anfang November wird der Betrieb aufgenommen - es stehen Plätze für 55 Männer zur Verfügung.
(stu)