Wien-Museum: "Der Bahnhof war nie mein Favorit"

PK 'STANDORT FUER WIEN MUSEUM NEU': MAILATH-POKORNY / KOS
PK 'STANDORT FUER WIEN MUSEUM NEU': MAILATH-POKORNY / KOSAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) ist zufrieden mit dem Standort Karlsplatz, will sich aber auf keine genaueren Kostenschätzungen für den Neubau einlassen.

Die Presse: Wie ist die Entscheidung für den Verbleib des Wien-Museums am Karlsplatz nach vier Jahren Debatte letztlich zustande gekommen?

Andreas Mailath-Pokorny: Sie ist innerhalb der Stadtregierung gefallen, in Abstimmung mit dem Bürgermeister, den beiden Vizebürgermeisterinnen sowie zahlreichen Experten.

Sie selbst waren ja für den Umzug zum Hauptbahnhof.

Der Hauptbahnhof war nie mein Favorit, vielmehr waren beide Optionen für mich gleichwertig.

Wie erklären Sie sich, dass bei so vielen der Eindruck entstand, der Bahnhof wäre Ihnen lieber?

Weil ich – im Gegensatz zu vielen anderen – nicht nur die Nachteile gesehen habe. Jetzt sind wir eben zum Schluss gekommen, dass der Karlsplatz die beste Lösung ist. Das Museum ist hier sichtbarer als am Hauptbahnhof – und wir wollen den Karlsplatz neben dem Museumsquartier als zweiten zentralen Kunstplatz etablieren.

Geht es bei der Neuplanung „nur“ um das Museum oder um den ganzen Platz?

Es geht vor allem um den Bereich zwischen Wien-Museum und Künstlerhaus und die Fläche direkt vor dem Museum. Dieser Bereich wirkt derzeit nicht einladend. Dort soll durch die Öffnung des Museums, vielleicht auch in Kombination mit Gastronomie und anderen Angeboten, ein Ort zum Verweilen entstehen. Außerdem denken wir an ein multifunktionales Besucherzentrum, wo man Informationen über die Stadt bekommt oder auch Tickets fürs Theater kaufen kann. Das neue Wien-Museum soll ein „Schlüssel zur Stadt“ sein.

Welche Rolle spielt das Künstlerhaus, spielt es noch eine?

Während der Übersiedlung wird das Wien-Museum dort eventuell Platz brauchen. Es ist aber auch eine Kooperation denkbar, wenn das Künstlerhaus das überhaupt will. Ob eine bauliche Verbindung zwischen den Häusern machbar ist, wird man sehen.

Apropos machbar: Wie markant darf der Neubau am Karlsplatz denn ausfallen?

Der Flächengewinn wird teils unter der Erde sein, aber es soll auch eine sichtbare Akzentuierung oberhalb geben. Prinzipiell ist eine Aufstockung des denkmalgeschützten Haerdtl-Baus möglich, aber im kleineren Rahmen, damit die Proportionen gewahrt bleiben.

Die Kosten schätzen Sie auf 50 bis 100 Millionen Euro. Die Hamburger Elbphilharmonie hat die Baukosten enorm überschritten. Wie will man das vermeiden?

Indem man nicht frühzeitig Zahlen nennt, die sich nie ausgehen. Die 50 bis 100 Millionen sind nicht mehr als ein Vergleichswert von ähnlichen Projekten.

Gibt es inhaltlich einen Plan für das neue Museum? Der Vertrag von Direktor Kos läuft 2015 aus.

Deshalb wird im ersten Halbjahr 2014 eine neue künstlerische Leitung ausgeschrieben. Inhaltlich ist das Wien-Museum schon jetzt ein Ort der Alltagsgeschichte und nicht einer der Kulturgeschichte der Elite. Das ist seine Besonderheit. Künftig soll Vermittlung noch stärker im Fokus stehen, wichtig sind Angebote für spezielle Zielgruppen, Kinder, Jugendliche. Die Dauerausstellung braucht mehr Platz für das 20. und 21. Jahrhundert. Wir hören derzeit bei Loos auf. Das neue Wien-Museum muss die Stadtgeschichte mit starkem Gegenwartsbezug darstellen.

Gäbe es für Sie international Vorbilder für ein Stadtmuseum?

Einige, etwa jenes in Liverpool. Es zeigt die Geschichte der Stadt, von der Industrialisierung bis zu den Beatles. Die Vermittlung von gesellschaftlichen Entwicklungen ist vor allem für Jugendliche wichtig, die in Österreich ja auch freien Eintritt in Museen haben.

Das Wien-Museum bekommt die freien Eintritte, anders als die Bundesmuseen, nicht von der öffentlichen Hand refundiert. Es beklagt Budgetkürzungen, künftig braucht es sicher mehr Geld.

Klagen gibt es immer. Das Museum ist finanziell gut aufgestellt.

Werden Sie das neue Museum als Stadtrat eröffnen?

Der Wettbewerb startet 2015, dem Jahr der Wien-Wahlen. Wer danach Kulturstadtrat ist, entscheidet zunächst der Wähler.

Hat Sie die Skepsis gegenüber der Variante des Wien-Museums am Hauptbahnhof überrascht?

Ja, es hat mich überrascht, dass viele kundige Geister die Standorte Hauptbahnhof und Karlsplatz nicht einmal als gleichwertig angesehen haben. Der Hauptbahnhof ist reizvoll und wird ein Stadtzentrum werden. Kulturinitiativen wie die Ankerbrotfabrik oder Soho in Ottakring haben gezeigt, dass Kultur an nicht etablierten Plätzen erfolgreich sein kann. Insofern erstaunen mich diese ewigen Vorbehalte gegen neue Standorte, was aber wohl nicht Wien-spezifisch ist.

Auf die Donauplatte wollte damals keine Kulturinstitution.Zieht nun eine nach Aspern?

Es ist zu früh. Ich glaube nicht an Reißbrettplanung. Man kann nur ein kulturelles Klima schaffen und schauen, was passiert.

Als Varianten für den Hauptbahnhof gelten nun eine Kunst-oder eine Musicalhalle. Haben Sie einen Favoriten?

Nein, aber es gibt Gespräche, an denen sich die Stadt beteiligt, weil wir zutiefst überzeugt sind, dass eine Kulturnutzung beim Hauptbahnhof sinnvoll ist.

ZUR PERSON

Andreas Mailath-Pokorny wurde am 15. 11. 1959 in Wien geboren. Nach dem Akademischen Gymnasium studierte er Rechts- und Politikwissenschaften sowie Internationale Beziehungen. 1988–1996 war Mailath im Kabinett von Kanzler Franz Vranitzky. 1996–2001 leitete er die Kunstsektion im Bundeskanzleramt. Seit 2001 ist Mailath Kulturstadtrat in Wien. Seit 2010 ist er außerdem Präsident des Bundes Sozialdemokratischer Akademiker(innen).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2013)

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