Wilhelminenberg: Jetzt Ermittlungen

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Nach dem Kommissionsbericht geht die Staatsanwaltschaft gegen mehr als zehn Personen vor. Ihnen wird sexueller Missbrauch und Quälen von Unmündigen vorgeworfen.

Wien. Der Abschlussbericht der Kommission, die den Missbrauch im ehemaligen Kinderheim am Wilhelminenberg untersucht hat, hat jetzt Konsequenzen: Laut Wiener Staatsanwaltschaft gibt es derzeit Ermittlungen gegen mögliche Täter, gegen mehr als zehn Personen laufe ein Verfahren. Dies bestätigte Staatsanwaltschaftssprecher Thomas Vecsey gegenüber dem ORF Wien. Die Anschuldigungen wiegen schwer: Ermittelt wird wegen Vergewaltigung, schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen.

Es ist das erste Ermittlungsverfahren aufgrund des Wilhelminenberg-Abschlussberichts. Ob es zu einer Anklage kommt, bleibt abzuwarten. Bereits vor dem Bericht der Wilhelminenberg-Kommission gab es laut Stadt einige Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft, die aber wegen Verjährung eingestellt wurden, oder weil die Beschuldigten verstorben waren.

Hohe Warte im Visier

Die Stadt selbst hat noch mehrere Arbeitsgruppen eingerichtet, die verschiedene Bereiche untersuchen, unter anderem, was die Empfehlungen der Kommission für die laufende Arbeit der Kinderwohlfahrt bedeutet. Die historische Aufarbeitung der Vorgänge in Kinderheimen ist für die Stadt erledigt. „Wien hilft den Opfern finanziell und bei der Vergabe von Therapieplätzen, seitens der Stadt wird es aber keine neue Kommission geben“, heißt es im Büro des für die Causa zuständigen Stadtrats Christian Oxonitsch.

Möglich ist aber, dass andere Heime noch untersucht werden, etwa das ehemalige Kinderheim Hohe Warte. Schon im Sommer hat Michael John, ein Mitglied der Wilhelminenberg-Kommission, gefordert, dass auch die Vorgänge in diesem Heim in Döbling untersucht werden sollten. Am Freitag hat übrigens eine Ausstellung im Wiener Künstlerhaus rund um dieses Thema begonnen.

Eineinhalb Jahre lang hat die Wilhelminenberg-Kommission Vorwürfe rund um das ehemalige Kinderheim in Ottakring untersucht. Heuer im Sommer kam die Kommission zu dem Schluss, dass Kinder und Jugendliche im Laufe der Jahrzehnte in dem Heim massivem sexuellen Missbrauch ausgesetzt gewesen waren. Kommissionsvorsitzende Barbara Helige sprach damals von einer Liste mit Personen, gegen die Vorwürfe erhoben wurden. Auf dieser fanden sich laut Helige 20 bis 30 Namen. Ehemalige Insassen hatten berichtet, dass Kinder nachts aus dem Schlafsaal geholt und von unbekannten Männern vergewaltigt worden waren. Der Vorwurf organisierter Kinderprostitution konnte jedoch in dem Bericht nicht erhärtet werden.

44 neue Betroffene pro Monat

Bis Oktober bekamen 1320 Betroffene von Gewalt und Missbrauch in Kinderheimen der Stadt Wien von der Opferschutzeinrichtung Weisser Ring eine Entschädigung. Personen, die Gewalt in ehemaligen Einrichtungen der Wiener Jugendwohlfahrt erleiden mussten, können sich weiter an den Weissen Ring (✆4000-859 18) wenden. Im Schnitt melden sich noch 44 Betroffene pro Monat. Das Heim am Wilhelminenberg wurde 1962 zu einem Mädchenheim umfunktioniert und 1977 geschlossen. (red.)

AUF EINEN BLICK

Die Wilhelminenberg-Kommission hat unter Leitung der Richterin Barbara Helige im Herbst 2011 ihre Arbeit aufgenommen und im Juni 2013 das Ergebnis präsentiert. Der Endbericht bestätigt, dass es im ehemaligen Wiener Kinderheim Wilhelminenberg von 1948 bis 1977 zu organisierter Vergewaltigung und Kinderprostitution sowie zu anderen Formen von physischer und psychischer Gewalt gekommen ist. Nach Schließung des Heimes 1977 wurden alle Akten aus nicht bekannten Gründen vernichtet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2013)

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