Rochusmarkt: Security gegen Bettler

Clemens Fabry
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Ein Fleischwarengeschäft hat einen Security-Mann angestellt, um die Kunden gegen Bettler zu verteidigen. Sie würden in die Teller der Kunden greifen. Auch andere Standler beschweren sich.

Wien. Wenn auf dem Wiener Rochusmarkt das Mittagsgeschäft beginnt, sich die Menschen vor den Ständen anstellen, beobachtet ein Mann das ganze Treiben mit etwas Distanz sehr genau. Er ist Wachmann der Firma ÖWD - und soll sicherstellen, dass Kunden nicht von Bettlern belästigt werden.

Seit einem halben Jahr leistet sich die Fleischerei Radatz einen Sicherheitsdienst. Am Anfang stand er fünf Tage pro Woche dort, nun kommt er an drei Tagen, jeweils von neun bis 14 Uhr. Der Grund: die zunehmende Aufdringlichkeit von Bettlern. Sie würden sich neben die Kunden stellen, sie beim Essen anstarren, penetrant nach Geld und Essen fragen und mehr noch. „Wir hatten Fälle, da haben die Bettler in die Teller gegriffen", sagt Fleischer Dennis Dobric. „Die Leute haben sich umgedreht, und das Essen war weg."

Den Kunden sei das natürlich unangenehm. „Wir können uns das nicht leisten, wenn zehn Kunden im Monat sagen, sie kommen nicht mehr", sagt Dobric. Also reagierte man. Wenn auch nur sehr dezent - denn der Wachmann selbst, versichert Dobric, weise nur höflich darauf hin, „dass diese Art von Betteln bei uns nicht erwünscht ist".

Hört man den Standlern hier zu, könnte man meinen, dass der Rochusmarkt zum Bettelhotspot geworden ist, doch in Zahlen lässt sich das nicht belegen. „Es ist nicht mehr und nicht weniger geworden", heißt es seitens der Polizei Wien Landstraße. In ganz Wien wären die Anzeigen wegen Bettelei vergleichbar mit dem Vorjahr. Die Zahlen liegen derzeit allerdings nur bis Juni vor. Auch davon, dass Bettler ins Essen greifen, habe man nichts gehört. „Aber natürlich gibt es Einzelfälle", sagt eine Sprecherin. Ähnliches berichtet die Wiener Bettellobby. Es sei halt wie jedes Jahr zu Weihnachten etwas mehr.

Dem gegenüber stehen Erzählungen von Standlern - nicht nur auf dem Rochusmarkt -, die die Bettelei zunehmend als unangenehm empfinden. Auf dem Adventmarkt vor dem Bahnhof Wien Mitte erzählt ein Standler, dass ihn rund 20 Bettler pro Tag um Geld und Essen gebeten hätten. Einem Kunden wiederum soll eine Frau das Essen entwendet haben. Eine Standlerin auf dem Naschmarkt berichtet, dass sie genau das gleiche Phänomen beobachtet hat.

„Aufdringlich?" Peter, ein Slowake, der auf dem Rochusmarkt versucht, eine Zeitung zu verkaufen, weist den Vorwurf zurück. „Das stimmt nicht. Entschuldigen Sie, eine kleine Spende. Ist das aufdringlich?", sagt er in schlechtem Deutsch. Der 35-Jährige versucht hier, an fünf Tagen pro Woche, an Geld für seine Familie zu kommen. „Wovon sollen wir leben, wenn wir 60 Euro Sozialhilfe im Monat bekommen?" Also sucht er im Ausland nach Spenden. Geld und Essen. Naturgemäß steht er, so wie viele andere auch, an strategischen Punkten wie Bahnhöfen und (Weihnachts-)Märkten.

"Es ist eine Katastrophe", sagt Frau Lili, Besitzerin von Dr. Falafel auf dem Wiener Naschmarkt. „Die Leute wollen hier nicht mehr einkaufen, weil so viele Bettler da sind", sagt sie. 10 bis 15 Bettler am Tag ortet sie. Da höre sich, bei aller Nächstenliebe, der Spaß auf. Ein paar Stände weiter erzählt eine Frau, wie Kunden angewidert die Tische verlassen haben, weil ihnen die Bettler so nahe gekommen sind.s

Andere Wahrnehmung

Von der Polizei erwarte man sich nicht viel. „Denn immer, wenn die Polizei kommt, ist kein Bettler da", sagt sie. Die Polizei nimmt die Situation auch anders wahr. „Wir hatten Schwerpunktaktionen auf dem Naschmarkt. Da wurden im Schnitt zwei Bettler angetroffen, und die waren eher demütig", sagt die Polizeisprecherin.

Doch der Ton ist schon längst sehr rau geworden. „Die bedrohen uns fast", sagt ein junger Verkäufer eines Fischgeschäfts. Und wie auf Kommando kommt ein junger Mann und macht eine Drohgebärde in Richtung des jungen Verkäufers - so, als würde er mit einer Axt auf etwas einhacken.

Auf dem Rochusmarkt ist man mit dem Vorpreschen von Radatz zufrieden. Auch andere Standler würden profitieren. „Wenn der Security-Mann da ist", sagt Gerlinde Lindinger vom Geflügelgeschäft, „ist es besser." Wenn der Sicherheitsmann wieder weg ist, seien die Bettler aber schnell wieder da.

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