Mariahilfer Straße: Tag der Entscheidung

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Heute Abend steht das Ergebnis der Befragung zur Fußgängerzone fest. Rund 45 Mitarbeiter der Magistratischen Bezirksämter sind ab etwa 10.30Uhr damit beschäftigt, alle Stimmzettel auszuzählen.

Wien. Es hat ein bisschen etwas von Schrödingers Katze: Heute, Freitagvormittag, steht bereits fest, ob die Mariahilfer Straße verkehrsberuhigt bleibt oder nicht – nur weiß man es noch nicht, könnten die abgegebenen Stimmzettel doch sowohl mehrheitlich positiv als auch negativ ausgefüllt sein. Im Gegensatz zur Quantenmechanik wird es aber am Abend ein eindeutiges Ergebnis geben. Zwischen 19 und 21 Uhr rechnet man beim Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien, der die Auszählung abwickelt, mit dem Endergebnis.

Rund 45 Mitarbeiter der Magistratischen Bezirksämter sind ab etwa 10.30Uhr damit beschäftigt, alle Stimmzettel auszuzählen, zusätzlich sind ein Notar und Beobachter der Fraktionen der Bezirksvertretungen von Mariahilf und Neubau dabei. Das Interesse ist jedenfalls groß – am Donnerstag lag die Beteiligung schon bei mehr als 50Prozent – mehr als 26.000 Kuverts waren bereits eingetroffen, insgesamt waren rund 48.000 Bewohner der beiden Anrainerbezirke stimmberechtigt.

Wie immer die Befragung ausgeht – die konkrete Umsetzung wird in jedem Fall einige Tage dauern. Was daran liegt, dass die dazu nötigen Verordnungen eine Vorlaufzeit haben. Dazu kommt, dass einige Details erst geklärt werden müssen. Stimmt etwa die Mehrheit für die Verkehrsberuhigung und für die Schaffung von Querungen, muss erst festgelegt werden, wo diese geöffnet werden sollen. Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) will dabei auf den Rat von Verkehrsexperten vertrauen und auch die Wirtschaftstreibenden einbeziehen. Die Politik will sie aus der Entscheidung heraushalten: „Wenn ich aus der Sache etwas gelernt habe: Es kann nicht funktionieren, wenn jeder Lokalpolitiker sein Süppchen kocht.“

Gibt es eine Zustimmung verbunden mit einem Nein zu Radfahrern, müssten Ausweichrouten geschaffen werden – auch die sollten von Verkehrsexperten erarbeitet werden. Wollen die Anrainer das Radfahren weiter ermöglichen, wird es auf der gesamten Breite der Straße erlaubt sein – eigene Spuren seien nicht sinnvoll, da ein solcher Kanal wiederum schwer von Fußgängern gequert werden könnte. Und, so Vassilakou: „Wir werden genau beobachten, ob sich die Radfahrer an die Regeln halten und nur Schrittgeschwindigkeit fahren. Wenn nicht, müssten wir es so machen wie in Innsbruck.“ Dort wurde die Maria-Theresien-Straße zur radfreien Zone erklärt.

Gibt es hingegen ein Nein zur Verkehrsberuhigung, wird die Straße wieder in den Zustand vor dem 15.August 2013 versetzt. Und das, verspricht Vassilakou, würde innerhalb weniger Wochen geschehen.

Runder Tisch aller Fraktionen

Unabhängig vom Ausgang plant Vassilakou am kommenden Mittwoch einen runden Tisch mit allen Fraktionen im Rathaus. Da man ein knappes Ergebnis erwarte, wolle man zwischen Gewinnern und Verlierern keinen tiefen Graben entstehen lassen. In einer kleinen Runde soll geprüft werden, wie man zumindest einen Teil der Anliegen der unterlegenen Gruppe umsetzen kann. (eko)

APA

Die Szenarien

Mehrheit für Verkehrsberuhigung:

Geht die Anrainerbefragung für die Beibehaltung der Fußgängerzone im Kern und der Begegnungszonen an den Rändern der Mariahilfer Straße aus, wird die Shoppingmeile auf rund 1,6 Kilometern Länge für die kommenden zwei Jahre zur Großbaustelle. Noch im Frühjahr soll mit dem schrittweisen und mit insgesamt 25 Millionen Euro budgetierten Umbau begonnen werden, für den Herbst des Wien-Wahl-Jahres 2015 ist die Fertigstellung vorgesehen.

Konkret wird die Mariahilfer Straße zum niveaugleichen Boulevard gemacht und einheitlich gepflastert, die klassische Trennung zwischen Fahrbahn und Gehsteigen verschwindet somit. Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) versprach zudem mehr Sitzgelegenheiten, Grünflächen, Wassertische und Kinderspielgeräte. Eine neue Beleuchtung und kostenloses WLAN sollen ebenfalls kommen.

Das jetzige Verkehrskonzept inklusive Einbahnregelungen in den umliegenden Straßenzügen, Tempo-30-Zonen in den Durchzugsstraßen sowie neuer 13A-Busroute bleiben bestehen. Vom Ergebnis der beiden Verkehrsberuhigungs-Teilfragen hängt ab, ob und wo es demnächst für Autofahrer mehr Querungsmöglichkeiten geben wird und ob Radfahrer künftig weiterhin durch die Fußgängerzone fahren dürfen.

Mehrheit gegen Verkehrsberuhigung:


Bei einem mehrheitlichen Votum gegen das Verkehrsberuhigungsprojekt wird die Mariahilfer Straße in ihren ursprünglichen Zustand (vor Mitte August 2013, Anm.) zurückversetzt - und zwar sobald wie möglich, wie Vassilakou wiederholt angekündigt hatte. Das bedeutet, dass Autos wieder auf der gesamten Mariahilfer Straße fahren könnten. Auch der 13A wäre wohl wieder auf seinem alten Streckenverlauf unterwegs.

Unklar ist noch, ob auch die Einbahnumdrehungen oder die Tempo-30-Zonen auf der Gumpendorfer Straße, der Burggasse sowie der Neustiftgasse rückgängig gemacht werden. Hier haben nämlich die Bezirksvorsteher das letzte Wort.

Ein Nein zur Fußgängerzone hätte wohl auch politische Nachwirkungen. Schließlich gilt die Verkehrsberuhigung als Prestigeprojekt der Grünen, eine Ablehnung des Projekts würde Verkehrsstadträtin Vassilakou wohl als Niederlage ausgelegt werden, für die sie sich mitunter auch parteiintern rechtfertigen müsste. Einen Rücktritt hat die Ressortchefin bereits kategorisch ausgeschlossen. Ein Anti-Verkehrsberuhigungs-Votum würde schließlich auch dem Koalitionsfrieden nicht unbedingt zuträglich sein. Denn die SPÖ wird - nicht zuletzt mit Blick auf die Wien-Wahl 2015 - wenig Interesse daran haben, Mitverantwortung am Scheitern der Neugestaltung zu übernehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2014)

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