Der Prater erfindet sich neu

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Wurstelprater Die Presse
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Der Wurstelprater möchte von der Nachbarschaft zum neuen WU-Campus profitieren, Studenten und Professoren als Gäste gewinnen – und sich als ganzjährige Attraktion etablieren.

Es ist zugegebenermaßen eine ungewöhnliche Vorstellung: dass sich ein honoriger Uni-Professor neben kreischenden Teenagern in einer Achterbahngarnitur in die Tiefe stürzt. Ungewöhnlich, aber noch nie so wahrscheinlich wie jetzt: Denn seit der Wiener Prater die Wirtschaftsuniversität (WU) als unmittelbare Nachbarin im Norden bekommen hat, hat er damit auch eine neue Zielgruppe quasi ante portas: Das Personal der WU und, vor allem, die mehr als 21.000 Studenten. Die Eröffnung der WU fiel im vergangenen Herbst mit dem Saisonende im Prater zusammen, heuer erlebt man demnach das erste gemeinsame Jahr: Gestern, Samstag, ist die Prater-Saison offiziell losgegangen.

Und man hat einiges vor im Wurstelprater, wie der Vergnügungspark-Teil des weitläufigen Prater-Areals (insgesamt sind es sechs Quadratkilometer), auch genannt wird. Die WU – wie generell die Stadtentwicklung in der Gegend (Viertel Zwei etc.) – sieht man als Chance, neue Kunden zu gewinnen: Das Klima zwischen Prater und WU sei sehr gut, sagt Elisabeth Kolarik, die Präsidentin des Praterverbandes. Sonja Soukup, die Sprecherin der für die Standortentwicklung verantwortlichen Prater Wien Gmbh, will Professoren ermutigen, Konferenzpausen mit internationalen Gästen im Prater zu verbringen. Für Studenten sei nun „eine etwas günstigere Schiene gefragt, um sie vom Campus in den Prater zu holen“. Genau das – etwa vergünstigte Menüs für Studenten – sei in Planung, so Kolarik.

Denn teils sind sie schon da, die Studenten, die nach der Vorlesung auf ein Bier vorbeischauen. Der Anblick von Menschen, die mitten im Vergnügungspark auf ihrem Laptop arbeiten und nach einer Steckdose für ihr Ladekabel fragen, sei „für uns neu“ , erzählt Kolarik. Gratis-WLAN gibt es aber schon seit Längerem.

Aktionen, um den Prater für die WU-Mitarbeiter und Studenten attraktiv zu machen, seien gerade in Planung, sagt Kolarik. Handlungsbedarf sieht man etwa bei den Zugängen von der WU zum Vergnügungspark. Zwar gebe es keine Barrieren – wirklich einladend sind die Übergänge aber auch nicht. Ähnlich ist die Situation im Grünen Prater entlang der Hauptallee: Der Anblick der Gebäuderückseiten macht wenig Lust auf einen Spontanbesuch. „Da fehlen noch ein paar Zugänge, eine Art Eingangsbereich“, sagt Kolarik.

Der einzige „richtige“ Eingangsbereich – der Prater-Vorplatz, der im Jahr 2008 errichtet und nicht nur aus ästhetischen Gründen heftig kritisiert wurde – darf immer noch als kleines Sorgenkind gelten: Zwar gibt es mit dem Eisvogel ein etabliertes Restaurant und mit Madame Tussauds eine international bekannte Attraktion. Ein Teil der Gebäude ist aber nach wie vor geschlossen, seit der Betreiber der 5-D-Kinos Miraculum und Vienna Airlines in Konkurs ging.

Keine Prostitution. Dass im Zuge des WU-Baus auch die Prostituierten aus dem Grätzel verbannt wurden, habe dem Image sehr geholfen, so Soukup. Die Prostituierten hielten sich außerhalb des Praters entlang der Ausstellungsstraße auf, wurden aber mit dem Prater assoziiert – der Begriff „Praterhure“ kommt nicht von ungefähr.

Mit dem Image stand es nicht immer zum Besten. Zwielichtiger Treffpunkt halbseidener Gestalten, verrucht, und ja, auch heruntergekämpft. Immer noch leben diese Assoziationen, deren Zeiten sind freilich längst vorbei. Heute gerät der Prater (wie zuletzt in der ATV-Serie „Pratergeschichten“) eher wegen betrunkener Jugendlicher und Schlägereien in die Schlagzeilen. „Einseitige Berichte“, sagt Soukup, „die dem Image schaden.“ Will man doch auch Familien ansprechen, oder, wie Soukup sagt, „jeden Wiener zwischen drei und 80“. Und das nicht nur in der warmen Jahreszeit, denn der Prater möchte sich als Ganzjahresbetrieb etablieren.

Schon jetzt haben viele Attraktionen auch im Winter offen. „Es ist nur noch zu wenig bekannt“, sagt Kolarik. Künftig soll es mehr wetterunabhängige Angebote geben – wie die Zombiegeisterbahn oder die Indoor-Achterbahn. Die ersten wichtigen Schritte hat man bereits gesetzt: Die Wiener Wies'n, der hiesige Ableger des Münchner Oktoberfests, wird von den Wienern gerne (und in Tracht) besucht. Mit dem Wintermarkt auf dem Riesenradplatz holt man auch in der kalten Jahreszeit so manchen Punschtrinker auf das Areal.

Auch die Touristen als Zielgruppe findet Kolarik interessant: Bisher besuchen internationale Gäste oft nur das Riesenrad – ohne sich in den Rest des Praters zu wagen. Auch hier möchte man von der architektonisch interessanten WU profitieren: „Das könnte ein Anziehungspunkt sein“, sagt Kolarik. „Touristen könnten künftig durch den Prater auf den Campus spazieren.“ Werbemaßnahmen und Aktionen soll es demnächst geben – immerhin nähert man sich dem 250. Geburtstag, der 2016 begangen wird.

Die Neuen Attraktionen

Unter den 250 Attraktionen finden sich einige neue: Wie die Indoor-Achterbahn Insider Rollercoaster (im Dunkeln!) sowie der Laser-Parcours Laserspy. Ebenfalls neu ist Aqua Ball: Hier versucht man, in einem durchsichtigen Riesenball einge-schlossen, über das Wasser zu schreiten. In Kürze soll die angeblich höchste Karussellschaukel der Welt eröffnen, im Mai eine Zombiegeisterbahn. Überblick: www.praterwien.com

Historie

1766 gibt Kaiser JosefII. den Wiener Prater für die Bevölkerung frei, erste Lokale und Fahrbetriebe siedeln sich an.

1873 findet die Weltausstellung im Prater statt.

1897 wird das Riesenrad errichtet.

1944/45 wird ein Großteil des Vergnügungsparks zerstört.

2008 eröffnet der schwer umstrittene Prater-Vorplatz.

2016 feiert der Prater seinen 250. Geburtstag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2014)

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