"Kyselak war da": Der Biedermeier-Sprayer von Wien

(c) ORF (anlässlich der ORF-TV-Ausstrahlung von "Kyselak war da!")
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Bereits vor fast 200 Jahren - lange vor Graffiti-Sprayer "Puber" - sorgte der Namenskritzler Joseph Kyselak für öffentliches Aufsehen.

"Wer hat ihn nicht gekannt, den sonderbaren Kauz, der alle Felsenwände für Stammbuchblätter hielt, und seinen Namen darauf schrieb, und wären die Felsen so hoch und steil gewesen wie drei Stephanstürme aufeinandergestellt", schrieb 1855 das "Wiener Conversationsblatt". Gemeint war Joseph Kyselak (1799-1831), ein kleiner Hofkammerbeamter der k.u.k.-Monarchie, der heute als Vorläufer des modernen Sprayers gilt.

Kyselak hinterließ mit schwarzer Farbe bei seinen Wanderungen durch Stadt und Land seinen Namen - auf Brückenpfeilern, Burgruinen und Kirchtürmen, aber auch auf Amtsgebäuden der Habsburgermonarchie. Er soll sich dabei sogar eigens angefertigter Schablonen bedient haben, um seinen Namenszug stets in der selben Größe und in seiner charakteristischen Form hinterlassen zu können. Noch heute sind einige seiner Spuren zu sehen - zum Beispiel im Wiener Schwarzenbergpark (siehe Bild unten). Kyselak-Originale sind aber von Nachahmungen oft schwer zu unterscheiden. Fest steht, das sich Kyselak immer mit "i. KYSELAK" und nie mit "J. KYSELAK" oder "KIESELAK" verewigte.

Kyselak war landesweit bekannt

Sein Namenszug war landesweit bekannt. "Die Signatur war so geläufig, dass sie in einigen Landschaftsmalereien der Biedermeierzeit eingearbeitet wurde", sagt die Kunsthistorikerin Gabriele Goffriller, die gemeinsam mit Filmemacher Chico Klein einen TV-Film sowie ein Buch über Kyselak herausgebracht hat. 1829 publizierte Kyselak seine (1825 durchgeführten) Reiseerlebnisse unter dem Titel "Skizzen einer Fußreise durch Österreich, Steiermark, Kärnthen, Salzburg, Berchtesgaden, Tirol und Bayern nach Wien...". Diese sind in dem Buch von Goffriller und Klein wiederzufinden. Kyselak marschierte bei seiner Wanderung bis zu 70 Kilometer am Tag.

Kyselaks Name auf dem Obelisken im Wiener Schwarzenbergpark.
Kyselaks Name auf dem Obelisken im Wiener Schwarzenbergpark.(c) Wikimedia commons (Ini Prochazka)

Ursache für Kyselaks Kritzeleien soll eine Wette gewesen sein: Er soll behauptet haben, es innerhalb von drei Jahren zu schaffen, in der gesamten Monarchie bekannt zu werden - ohne ein ungeheures Verbrechen oder eine neue Art von Selbstmord zu begehen. Und schon bald erzählte man sich abenteuerliche Geschichten über Kyselak. So soll Alexander von Humboldt auf dem Urgestein des Chimborasso in den südamerikanischen Kordilleren die Inschrift "Kyselak 1837" gefunden haben - was unmöglich ist, da Kyselak bereits 1831 in Wien an der Cholera starb.

Scholz zu "Puber": "Sie sind kein Kyselak"

Als eine - wenn auch schöne - Legende muss man auch Kyselaks angebliche Begegnung mit Kaiser Franz I. einordnen. Angeblich lud ihn der angesichts der Namenskritzeleien erboste Kaiser vor und verbot ihm diese fortan, woraufhin Kyselak Besserung gelobte. Kurz darauf soll der Kaiser Kyselaks Namen und das Datum in seinem Schreibtisch eingraviert vorgefunden haben.

Während Kyselak heute also eher glorifiziert wird, schlägt seinem "Nachfolger", dem in U-Haft sitzenden Graffiti-Sprayer "Puber", meist Verachtung entgegen. Seine "Tags" (Markierungen, Anm.) seien Sachbeschädigung, keine Kunst, lautet der Vorwurf. "Sie wandern durch die Bezirke, aber Sie sind kein Kyselak", schrieb Kurt Scholz Mitte Jänner in einem offenen Brief in der "Presse" an den Sprayer. "Für mich stehen Sie auf einer Stufe mit jenen Männern, die vor Garageneinfahrten ihr Wasser abschlagen. Nur dass es bei Ihnen keine Körperflüssigkeit, sondern der Inhalt einer Spraydose ist. Sie markieren, doch dieser Vergleich ist eine Beleidigung unserer vierbeinigen Freunde. Die können nicht anders, Sie schon."

>> kyselak.at

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