Wien: Scheingefecht um den Gemeindebau

Der Wiener Gemeindebau Metzleinstaler Hof
Der Wiener Gemeindebau Metzleinstaler Hof(c) Clemens Fabry/Die Presse
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Die SPÖ warnt vor dem Ende des sozialen Wohnbaus durch die EU. Das ist falsch, eignet sich aber gut zur Mobilisierung - eine Analyse.

„Beim sozialen Wohnbau lassen wir uns von der EU nicht reinreden.“ Es ist ein klares Statement, das Bürgermeister Michael Häupl derzeit in Wien plakatieren lässt. Der Bürgermeister setzt dazu auf drastische Worte. Von einem „Anschlag auf den sozialen Wohnbau in Wien“ durch die EU war die Rede. Von einer Gefährdung des Zusammenlebens, des sozialen Friedens in Wien.
Der EU-Wahlkampf läuft, die SPÖ hat ein populäres Thema entdeckt, will damit breit mobilisieren, bedient damit die in Österreich weitverbreitete EU-Skepsis. Die Offensive fällt für eine Wahlkampfaktion überraschend umfangreich aus. Neben warnenden Plakaten geht die Partei von Tür zu Tür und sammelt Unterschriften gegen Brüssel. Häupl hat auch eine Allianz europäischer Bürgermeister geschmiedet. Rund 30 europäische Städte fordern auf Initiative des Wiener Bürgermeisters in einer Petition, dass sich Brüssel aus dem sozial geförderten Wohnbau (sinngemäß) heraushalten soll. Darunter Paris, Amsterdam, Berlin, Rom, Warschau, Kopenhagen.

„So dramatisch ist es nicht“

Investoren würden versuchen, über die EU-Wettbewerbsrichtlinie bzw. Beihilfenrichtlinie zu erreichen, dass nur die sozial Schwächsten in geförderte Wohnungen einziehen, argumentiert die SPÖ. Das würde die soziale Durchmischung beenden, man hätte Ghettos, der soziale Friede sei gefährdet. Immerhin würden 60 Prozent der Wiener in einer geförderten Wohnung leben.
„So dramatisch ist es sicher nicht“, relativiert Walter Obwexer vom Institut für Europarecht (Universität Innsbruck) gegenüber der „Presse“. Denn grundsätzlich überlasse es das Unionsrecht den Mitgliedstaaten allein, wie sie ihren sozialen Wohnbau organisieren.

Dem hält die SPÖ Schweden, Frankreich und die Niederlande entgegen. Dort sei der soziale Wohnbau nach einer Beanstandung der EU-Kommission (auf Initiative von Investoren) geändert worden, die Einkommensgrenzen gesenkt, in den Niederlanden hätten 650.000 Haushalte ihren Anspruch auf eine sozial geförderte Wohnung verloren. Nur: Die Grenzen wurden dort freiwillig von konservativen Regierungen gesenkt, es gibt dazu kein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). Eine Verurteilung sei nur möglich, wenn ein Land sein System des sozialen Wohnbaus nicht schlüssig argumentieren könne, so Obwexer: Die Mitgliedsländer dürften sehr wohl die Daseinsvorsorge (zum Beispiel sozialer Wohnbau) fördern, wenn die Leistungen sonst so nicht erbracht werden könnten. Ob nur sozial Schwache oder auch die Mittelschicht einziehen dürfe, sei Sache der Mitgliedsländer. „Es gibt also keine wirkliche Bedrohung“, so Obwexer: „Ich glaube nicht, dass die Einkommensgrenzen gesenkt werden müssen.“

Förderung für sozial schwächere Gruppen

Die Staaten müssten aber den Nachweis erbringen, dass soziale Wohnbauträger ohne Förderungen nicht in der Lage wären, die Wohnungen mit jener günstigen Miete anzubieten, wie es die öffentliche Hand kann. Anders formuliert: Wenn eine Stadt ihre sozialen Förderungen in Brüssel schlüssig erklären kann, ist ein Zwang/eine Verurteilung durch den EuGH unrealistisch.

Dazu passt, was Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia gemeint hat: Die Förderungen müssten sich vor allem an sozial schwächere Gruppen richten, aber die Städte könnten ihren sozialen Mix selbst bestimmen. Dem Wettbewerbskommissar ist dabei am wichtigsten: Die Förderungen dürften nur sozialen und nicht kommerziellen Zwecken dienen. Damit ist die Aufregung, die EU wolle den Wiener Wohnbau abschaffen, ein Sturm im Wasserglas. Der lässt sich aber gut (nicht nur) für den EU-Wahlkampf instrumentalisieren. Er eignet sich als Zwischenwahlkampf für die Wien-Wahl 2015.

(("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2014))

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