Höchstgericht: „Autofreier Tag“ am Ring ist erlaubt

AUTOFREIER TAG: TEILSPERRE DER RINGSTRASSE
AUTOFREIER TAG: TEILSPERRE DER RINGSTRASSE(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Der Verfassungsgerichtshof hebt das Verbot einer Radlerdemonstration als verfassungswidrig auf: Polizei und Innenministerium haben Gefahr für öffentliche Sicherheit und öffentliches Wohl überbewertet.

Wien. Ein „autofreier Tag“ auf der Wiener Ringstraße muss möglich sein. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat ein durch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner in zweiter Instanz bestätigtes Verbot einer solchen Demonstration als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Radfahrer haben sich von der polizeilichen Untersagung im Jahr 2011 zwar ohnehin nicht beeindrucken lassen und die Kundgebung auf einem Teil der Straße um die Innenstadt durchgeführt; das Höchstgericht gibt der „Interessengemeinschaft Fahrrad“ als Veranstalterin nun aber auch in aller Form recht: Polizei und Innenministerium haben die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und das öffentliche Wohl überbewertet, die Begründung des Verbots ist für den VfGH „nicht nachvollziehbar“.

Die Radler wollten den autofreien Tag, der weltweit auf den 22.September fällt, auch in Wien wieder begehen. Zwei Tage davor zeigte der Obmann des Vereins der Bundespolizeidirektion Wien an, dass vom Burgring bis zur Rathausgasse „für eine lebenswerte, autofreie Stadt“ demonstriert werden sollte; von elf bis 21 Uhr sollten die Autos verbannt sein, der Asphalt teilweise mit Rollrasen belegt werden. Die Straßenbahn sollte, wie mit den Wiener Linien besprochen, fahren können, ebenso Einsatzfahrzeuge über die Gleise und auf den Nebenfahrbahnen.

Die Polizei sah ausgedehnte Verkehrsbehinderungen auf Autofahrer zukommen, zumal an einem Donnerstag, der „erfahrungsgemäß als einer der verkehrsreichsten Tage anzusehen“ sei. Die Bundespolizeidirektion Wien schlug den Veranstaltern vor, sich auf die Zeit bis 15.30 Uhr, bis zum Einsetzen der Abendverkehrsspitze“, zu beschränken. Darauf wollten die Veranstalter nicht eingehen. Also untersagte die Behörde die Versammlung per Bescheid vom 21.September 2011. Die Demonstration fand tags darauf, verkleinert und neu angemeldet, trotzdem statt.

Stau ist kein Grund für Verbot

Die IG Fahrrad (heute: „Radlobby“) focht den Rechtsstreit bis zum Höchstgericht durch. Und dieses kippte nun das damalige Verbot. Der Gerichtshof kritisiert, dass die Behörde die zu erwartenden „schwerwiegenden Verkehrsbehinderungen“ als Grund für das Verbot habe genügen lassen, obwohl es den Veranstaltern genau darum gegangen sei, öffentliche Verkehrsflächen für ihre Kundgebung zu benützen. Statt der Tatsache der Behinderung hätte deren vorhersehbares Ausmaß gewürdigt werden müssen. Und das war, wie schon in den Jahren 2007–2010 die Demonstrationen gezeigt hatten, nicht so groß einzustufen, dass man sich um die öffentliche Ordnung hätte sorgen müssen. Auch die Demonstrationen 2009 und 2010 hatten an Werktagen stattgefunden – mit der Folge eines „zähflüssigen Verkehrsaufkommens“ und „ausgedehnter Stauungen“, die aber im Licht der verfassungsmäßig garantierten Versammlungsfreiheit hinzunehmen waren. Was den Donnerstag gegenüber anderen Werktagen besonders auszeichnen soll, blieb übrigens unerfindlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2014)

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