Streit um Tempo 30: Wiener Linien vs. Grüne

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Die flächendeckende Geschwindigkeitsreduktion in der Stadt mache den öffentlichen Verkehr langsamer und teurer, klagen die Wiener Linien.

Wien. Die Grünen zelebrieren ihren Erfolg mit Genuss: „Jetzt hat das Rathaus ein Machtwort gesprochen und die Wiener Linien in die Schranken gewiesen." Jene Wiener Linien, die „den Fortschritt konsequent gebremst" hätten, steht auf der Homepage der Grünen in Simmering. Jene Wiener Linien, die sich gegen die Einführung von zahlreichen neuen Tempo-30-Zonen im Bezirk gewehrt haben - mit dem Argument, dies bremse den öffentlichen Verkehr, erhöhe die Fahrzeit für die Passagiere massiv (z. B. beim 69A und 72A) und treibe die Kosten massiv in die Höhe, weil man mehr Busse und Personal benötige.

„Von den vielen Einsprüchen der Wiener Linien wurde nur (seitens der zuständigen MA 46 und MA 28) einem einzigen stattgegeben", halten die Grünen erfreut fest. Die Magistratsabteilungen, die der grünen Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou unterstehen, haben also die Wiener Linien überstimmt.

Simmering zeigt, was auf Wien zukommt: ein sich verschärfender Konflikt zwischen den Grünen und den Wiener Linien - quer durch alle Bezirke, die Tempo 30 autonom regeln können.

Kosten in Millionenhöhe

Mit dem massiven Ausbau der Verkehrsberuhigung (forciert von den Grünen in allen Bezirken unter Duldung der SPÖ - Tempo 30 steht auch im Koalitionspakt) dürfen sich Anrainer zwar über langsamere Autos und Busse freuen (mehr Lebensqualität, mehr Verkehrssicherheit), die Fahrgäste müssen aber längere Fahrzeiten in Kauf nehmen - wodurch das Auto wieder konkurrenzfähiger wird.

Bei den Wiener Linien ist in einem Papier wörtlich von einer „Verschlechterung der Position gegenüber dem Auto" die Rede. Die Gründe: Neben deutlich längeren Fahrzeiten halten etwa 75 Prozent der Autofahrer (wegen mangelnder Polizeikontrollen) Tempo 30 nicht ein, während Busfahrer mit maximal 30 km/h unterwegs sind - weil ein Fahrtenschreiber Geschwindigkeitsübertretungen festhält.

Dazu kommt, dass Tempo 30 nicht auf Hauptverkehrsrouten gilt, Autofahrer trotz des Umweges oft schneller sind, während die Busse durch die verkehrsberuhigten Zonen fahren. „Das sind Sachen, die schwierig für uns sind. Das stellt uns vor Herausforderungen", wird bei den Wiener Linien Tempo 30 kommentiert.

Der Hintergrund: Bei einem Tempo-30-Feldversuch mit der Linie 26A wurde eine Fahrzeitverlängerung von einem Drittel registriert. Die zusätzlichen Kosten betrugen jährlich 1,8 Mio. Euro, weil sechs weitere Busse benötigt wurden, um den Fahrplan einzuhalten. Eine groß angelegte Ausweitung von Tempo 30 würde laut Wiener-Linien-Papier einen hohen zweistelligen Millionenbetrag kosten. Das sei nicht finanzierbar, als Folge müsste laut Wiener-Linien-Papier das Angebot ausgedünnt werden.
Vassilakou formuliert ihre Position vorsichtiger als viele ihrer grünen Bezirksgruppen: In manchen Gebieten, besonders in Wohngebieten, sei Tempo 30 eine wichtige Maßnahme zur Steigerung der Verkehrssicherheit. „Es führt nachweislich zu weniger Toten im Straßenverkehr und zu weniger schweren Unfällen." Das müsse aber von Fall zu Fall entschieden werden.

Fast alle Tickets werden teurer

Am Donnerstag wurde nebenbei bekannt, dass viele Tarifen „wegen gestiegener Kosten und Leistungen wie Intervallverdichtungen“ ab Juli um zwei Prozent erhöht werden: 

  • Der Einzelfahrschein kostet 2,20 Euro (+10 Cent)
  • die Monatskarte 48,20 Euro (+1,20 Euro)
  • die Wochenkarte 16,20 Euro (+1,40 Euro)

Die Preise für die Jahreskarte (365 Euro), Schwarzfahren (103 Euro), für Schüler, Studenten und Senioren werden nicht erhöht.

U6-Intervall wird verkürzt

Trotzdem gibt es für die Wiener Linien Grund zur Freude: Mit Donnerstag gingen zwei neue Züge für die notorisch überlastete Linie U6 in Betrieb, bis Jahresende kommen drei weitere dazu. Damit werden die U6-Intervalle während der Hauptverkehrszeit (zwischen 6.30 Uhr und 9 Uhr) von drei auf 2,5 Minuten verkürzt. Den Investitionen von 60 Mio. Euro stehen Züge mit Klimaanlage und Videoüberwachung gegenüber.

Und diese Videoüberwachung fordert Zentralbetriebsrat Michael Bauer gegenüber der „Presse" auch für alle Straßenbahnen und Stationen nach einer Serie von gewalttätigen Übergriffen auf Straßenbahnfahrer (zuletzt wurde Dienstagabend ein Fahrer angegriffen und verletzt). Zusätzlich will Bauer, dass ab den Abendstunden nur noch ULFs unterwegs sind, wo der Fahrer in einer Kabine vor Angriffen geschützt ist. Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, werden am nächsten Mittwoch Betriebsversammlungen abgehalten, was zu Verzögerungen im Frühverkehr führen dürfte.

("Die Presse", Printausgabe vom 18.4.2014)

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