Parteispaltung: "Wiens VP ist schon untergegangen"

Thomas Seidl
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Drei von acht ÖVP-Abgeordneten im sechsten Bezirk treten aus der Partei aus und gründen eine eigene Liste - weil die Wiener VP nicht reformierbar sei. Die Landespartei wurde von der Abspaltung völlig überrascht.

Wien. Es wird eine turbulente Woche für den sechsten Wiener Bezirk: Am Mittwoch wird Markus Rumelhart (SPÖ) zum neuen Bezirksvorsteher gewählt. Und am heutigen Montag wurde die ÖVP offiziell darüber informiert, dass sich drei ihrer Mandatare in Mariahilf abspalten und mit einer eigenen Liste im Bezirk vertreten sein werden. Wobei die Wiener VP von der Abspaltung völlig überrumpelt wurde - sie musste es am Sonntag aus der "Presse" erfahren. Auch, dass die neue Liste bei der Wien-Wahl 2015 zumindest auf Bezirksebene antreten wird.

VP-Bezirksparteichef Gerhard Hammerer erklärte am Montag, dass es im Vorfeld keinen Hinweis auf eine Abspaltung gegeben hat: Für den ÖVP-Bezirksparteitag am Dienstag sei den betreffenden Mandataren vor Wochen angeboten worden, weiter auf ihren Positionen für die ÖVP tätig zu sein. Gerüchte, sie hätten abmontiert werden sollen, seien also falsch: "Sie haben mir aber erklärt, dass sie aufgrund großen beruflichen Engagements nicht mehr die Zeit für die politische Arbeit im Bezirk aufbringen können.“

Rebellen haben Partei bewusst nicht informiert

Der bisherige Mariahilfer VP-Klubobmann, Thomas Seidl, der mit den beiden VP-Bezirksräten Manfred Beckmann und Wolfgang Zendar nun aus der ÖVP ausgetreten ist, bestätigt gegenüber der "Presse", dass seine Partei im Vorfeld nicht informiert wurde. Er hätte einen klaren Schnitt wollen, so Seidl. Grund für die Unzufriedenheit mit der ÖVP? Es habe sich nichts verändert, niemand habe gefragt ob etwas verändert werden soll, von Parteichef Manfred Juraczka hätte er sich mehr frischen Wind erwartet. Das sei nicht passiert, deshalb sei man gegangen.Es seien aber mehrere Gründe gewesen. Auch bundespolitische, beispielsweise beim Thema Bildung.

Ab sofort ist die Abspaltung mit einer neuen – und wie sie betont parteiunabhängigen – Liste „mariahilf-trifft-wien“ (mtw) im Bezirk vertreten. Die mtw-Kernwerte definiert Seidl als "urban und liberal für eine lebenswerte Stadt". Das sind zwar auch die offiziellen Kernwerte der Wiener VP, doch in der Partei sei davon nichts zu sehen, sie sei auch nicht reformierbar. Es helfe nur ein Abriss und Neuaufbau der Partei, so Seidl: "Nur ständig Löcher zu flicken bringt nichts."

"Das Schiff der Wiener VP ist schon untergegangen"

Für die ohnehin strauchelnde Wiener ÖVP ist das ein weiterer Rückschlag. Mit dem Austritt haben die Schwarzen nun nur noch fünf Mandatare im Bezirksparlament – gleich viele wie die bisher viertstärkste FPÖ. Das waren nicht die einzigen Turbulenzen bei der Wiener VP, einige Mitglieder überlegen sogar sich von der Landespartei abzuspalten und mit einer eigenen Liste bei der Wien-Wahl 2015 anzutreten, weil die ÖVP den Neos nichts entgegen zu setzen hätte, so die Argumentation  ("Die Presse" berichtete). Auf die Frage, ob die VP-Mandatare eigentlich nur ein sinkendes Schiff rechtzeitig verlassen wollte, meint Seidl wörtlich: "Dieses Schiff, die Wiener ÖVP, ist schon untergegangen."

Auch die ÖVP-Linie zur Mariahilfer Straße hat Seidl geärgert. Dass die Partei vor der Befragung keine Empfehlung für oder gegen die Fußgängerzone abgegeben habe, sei „ein schwaches Zeichen“ gewesen, sagt er, der persönlich für die Verkehrsberuhigung ist. „Der ÖVP ist es nur darum gegangen, zu sticheln und einen Keil zwischen Rot und Grün zu treiben.“ Ist das nicht die Aufgabe einer Oppositionspartei? Man solle nicht automatisch einen guten Vorschlag ablehnen, nur weil er von einer anderen Partei komme, so Seidl, der auch den neuen SPÖ-Bezirksvorsteher unterstützen will, soweit es Übereinstimmungen gibt. Also frei nach Bruno Kreisky ein Stück des Weges gemeinsam gehen.

Nebenbei: Die drei nunmehr ausgetretenen Mariahilfer ÖVP-Funktionäre hatten zunächst Gespräche mit den Neos geführt, sich dann aber doch für eine eigene Liste entschieden. Die Neos hätten mittlerweile auch einen „klassischen Parteiapparat“, aber genau das wolle man schließlich vermeiden. „Wir wollen etwas anderes aufziehen und Leute ansprechen, die keiner Partei beitreten, aber politisch aktiv sein wollen“, sagt Seidl.

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