Tourismus: Der Russenboom ist vorbei

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Sie fühlen sich nicht mehr willkommen oder entdecken in Luxusboutiquen, dass ihre Konten gesperrt sind: Seit der Ukraine-Krise sinkt die Zahl russischer Urlauber in Österreich.

Wien. Was hat man nicht über den Russenboom gestaunt und geschimpft. Wie sie einkaufen, Wien einen Luxusboom bescheren. Wie sie in Skidiscos pöbeln, wie dubiose Oligarchen die schönsten Penthäuser und Seegrundstücke aufkaufen. Nun aber ist der Boom vorerst vorbei. Seit gut zwei Monaten kommen weniger Russen und Ukrainer nach Österreich.

Im März sank die Zahl der Nächte, die russische Urlauber in Wiens Hotelbetten verbracht haben, um 13, im April um 22 Prozent. Und: Die Gäste aus dem Osten machen nicht nur einen Bogen um Wien. In ganz Österreich sank die Zahl der Nächtigungen russischer Urlauber um 9,4, die der Ukrainer um 15,3 Prozent. Damit kommen zwar nach wie vor mehr Urlauber aus diesen Ländern, als das beispielsweise vor drei Jahren der Fall war, aber der Trend ewig wachsender Zuwächse ist damit erst einmal vorbei.

Das spürt besonders die Wiener Luxusbranche, die sich in den vergangenen Jahren ganz besonders auf die zahlungskräftige Klientel eingestellt hat. Der Luxushandel leidet noch stärker, als es die Nächtigungszahlen haben vermuten lassen. Schließlich nicht nur weniger Gäste – „diejenigen, die kommen, geben auch weniger Geld aus“, sagt Florian Jonak, der mit seiner Familie in der Innenstadt Boutiquen von Armani, Versace oder Dolce & Gabbana betreibt – als Obmann des Kohlmarkt-Komitees ist er bestens mit der Hauptachse der Russen in Wien vertraut. Je nach Geschäft und Marke sind in den Boutiquen der Jonaks die Umsätze mit russischen Kunden in den vergangenen neun, zehn Wochen um 15 bis 20 Prozent, jene mit Ukrainern – die freilich für deutlich weniger Umsatz sorgen – um fünf bis 15 Prozent zurückgegangen.

Andere Geschäftsleute in der City beziffern den Umsatzrückgang gar mit rund 30 Prozent. Russen geben, so die Schätzungen der Wirtschaftskammer, jährlich rund 60 Mio. Euro bei Wiener Handelsbetrieben aus. Mit mehr als 700.000 Nächtigungen waren Russen 2013 drittwichtigste und die am schnellsten wachsende Urlaubergruppe. In Luxusgeschäften der Innenstadt sorgen russische Kunden für erhebliche Teile der Umsätze. Jonak spricht in seinen alteingesessenen Boutiquen von 15 bis 18 Prozent. In den neueren Luxusläden, die sich ganz auf reiche Shoppingtouristen konzentrieren, soll der Umsatzanteil dem Vernehmen nach bei bis zu 50 Prozent liegen. Denn zur Krise in der Ukraine, die für Unsicherheit sorgt, zur Debatte um Sanktionen und zu den gesperrten Konten kommt das Problem der Währung, das die Geschäftsleute als noch größer als die aktuelle Ukraine-Krise empfinden: Der Rubel hat gegenüber dem Euro abgewertet, was Wien als Shoppingdestination für Russen unattraktiver macht. Vor allem die Reichsten, die Oligarchen, meiden Wien nun, sagt Jonak. Oder, sie können nichts mehr ausgeben: Öfter schon sei es vorgekommen, dass ein russischer Kunde einkaufen wollte und an der Kassa erfuhr, dass die Kreditkarte gesperrt war.

Stimmung verschreckt Russen

Und viele Russen verzichten auch aufgrund der antirussischen Stimmung in Europa auf einen Urlaub. Das Gefühl, nicht mehr willkommen zu sein, schreckt ab, Russen seien besonders empfindlich, heißt es. Eine Entwicklung, die Michaela Reitterer, Präsidentin der Hoteliervereinigung, noch nicht beobachtet hat: Österreich gelte in Russland nach wie vor als „Place to be“, nach wie vor laufen dort auch eigene Werbekampagnen, um den Russenstrom am Laufen zu halten. Aber auch die Hotels spüren das Minus, vor allem die teuren: Wiens Fünfsternehotels versuchen nun, die leer bleibenden Betten anders zu füllen – auch, indem sie die Preise noch weiter senken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2014)

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