Herr Imperial zieht sich zurück

Michael Moser
Michael Moser Die Presse
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Nach drei Jahrzehnten als Chefconcierge des Hotels Imperial geht Michael Moser demnächst in den Ruhestand. Seinem Hotel bleibt er trotzdem erhalten.

Als ich nach Wien kam, bin ich gleich zum Jeunesse-Chor gegangen und hatte das Glück, unter Bernstein seine Chichester Psalms zu singen.“ Michael Moser hätte es auch gereizt, die Musikerlaufbahn einzuschlagen. Abgeschreckt hat ihn, dass es ein Abendjob ist. Da hätte er auf seine regelmäßigen Besuche in der Oper und im Konzert, wo man ihn auch heute mehrmals in der Woche antrifft, verzichten müssen.

Moser wollte in Wien Kunstgeschichte studieren. Auch das zerschlug sich nach kurzer Zeit. Während des Studiums arbeitete der Absolvent der renommierten Hotelfachschule Kleßheim als Nachtportier im Parkhotel Schönbrunn. „Beides hat sich auf Dauer nicht vereinbaren lassen. Dann ist mein Vater gestorben. Ich musste zurück nach Wolfsberg, um mit der Mutter das elterliche Hotel zu führen, bis wir es endlich verkauft haben.“

Nur nichts Sittenwidriges. Das Haus selbst weiterzuführen hatte er nie im Sinn: „Dazu bin ich zu wenig entscheidungsfreudig und damit als Unternehmer ungeeignet“, lautet Mosers Selbsteinschätzung, was man ihm so nicht abnehmen will. Denn als Chefconcierge eines der weltweit ersten Hotels muss er täglich viele Entscheidungen treffen und auch seine Fantasie spielen lassen. In einem Luxushotel erwartet der Gast, dass er alle Wünsche erfüllt bekommt, „außer sie sind sittenwidrig oder kriminell“.

Beispiele? „Das Außergewöhnlichste in diesen vergangenen dreißig Jahren war, dass wir für Barbra Streisand an einem Montag das Kunsthistorische Museum haben aufsperren lassen. Heute wäre das wegen der Sicherheitsmaßnahmen wahrscheinlich gar nicht möglich.“ Ein japanischer Gast wiederum wollte den Totentanz von Metnitz sehen. „Obwohl ich Kärntner bin, kannte ich ihn nicht. Wir haben herausbekommen, dass dieses Gemälde im Feuerwehrhaus zwischengelagert wurde und den Bürgermeister kontaktiert. Er hat ermöglicht, dass der Gast das Bild sehen konnte.“

Auch die Geschichte von einem arabischen Stammgast, der unbedingt einen jungen Schäferhund wollte, ist dem Imperial-Chefconcierge, der im Lauf der Jahre zum Aushängeschild seines Hauses wurde, in lebhafter Erinnerung. „Es ist auch gelungen, einen zu finden. Wir haben den Gast aber auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, wenn er das Tier in den Nahen Osten fliegen möchte. Er hörte eine Weile zu und meinte schließlich, kein Problem: Er sei Besitzer einer großen Fluglinie.“ Er wollte dem mehrsprachigen Concierge auch Arabisch beibringen. Vorerst die Zahlen 1, 2, 3. Mehr, sagte ihm Moser, müsse er gar nicht wissen, denn der Gast wohnte immer im Fürstenzimmer und das hat die Nummer 123.

Begonnen hat Moser seine Hotellaufbahn in London und Paris, ehe er in Abano Terme landete. Über eine Annonce erfuhr er, dass im Hotel Bristol jemand für die Rezeption gesucht wird. Dort hat man ihm gesagt, er möge sich im Imperial melden, „dort müssen sich die Gäste bereits die Schlüssel selbst holen, der eine Portier ist krank, der andere wurde gekündigt. Eine Woche später habe ich begonnen.“

Ein, wie Moser nicht ohne Ironie anmerkt, „ungelernter Beruf. Wenn man mich bei Gericht danach fragt, bin ich ein angelernter Hilfsarbeiter.“ Was mit den Ansprüchen, die man an diese Aufgabe stellt, so gar nicht zusammenpasst. Mit exzellenten Sprachkenntnissen und erstklassigen Umgangsformen ist es nicht getan. Gerade in Wien muss man auch über das Kulturangebot Bescheid wissen. Am besten aus eigener Erfahrung. Legendär ist das Bonmot: „Herr Moser, gefällt Ihnen das?“ Erst kürzlich hat er sich für einen Gast eine Neuproduktion angeschaut und ihm seine Eindrücke mitgeteilt.

Mit Musikliebhabern allein lässt sich ein Hotel wie das Imperial trotz seiner Lage, nur wenige Meter von Musikverein und Staatsoper entfernt, nicht bestreiten. Aber die Musikgäste sind nach wie vor ein wichtiges Publikum. Nicht minder die Künstler und Prominenten, die oft durch Jahrzehnte dem Imperial die Treue halten. Und obwohl Diskretion Voraussetzung ist, lässt sich Moser einiges entlocken. Bei Peter Ustinow und Carlos Kleiber gehe ihm immer noch das Herz über. „Zwei Weltleute. Als Carlos Kleiber während seiner Wiener ,Rosenkavalier‘-Serie bei uns gewohnt hat, habe ich ihm am ersten Tag eine Strauss-Notiz unter die Tür geschoben. Er war so begeistert, dass er jeden Tag so etwas wollte. Mitterrand kam auf Staatsbesuch und Ustinow wurde als einer der Stargäste dazu eingeladen. Er kam einen Tag früher und hat als Mitterrand eingecheckt, das war eine Privatvorstellung für uns. Einmal hat er sich einen Bleistift von mir ausgeborgt und ihn mit dem Wort ,Taiwan‘ zurückgegeben. Ich habe gesagt, das verstehe ich nicht, worauf er antwortete: Formosa, ,für Moser‘ (Taiwan hieß früher Formosa, Anm.)“.

Im Roman verewigt. Riccardo Muti nutzte eine Wartezeit, um den Portieren die Hintergründe, damit auch die pikanten Stellen von Mozarts „Così fan tutte“ näherzubringen. Für Johannes Mario Simmel fuhr Moser in die Peter Jordan Straße, um für einen seiner Romane nachzusehen, ob dort tatsächlich Kastanienbäume stehen. Er hat ihn dafür als Leo Lehner in einem seiner Romane verewigt.

Warum Moser jetzt diesen, seinen Traumjob an den berühmten Nagel hängt, wo er ihn noch einige Jahre ausüben könnte? „Es ist Zeit aufzuhören, die Zeit rennt mir auch zu schnell davon. Früher hat man gewartet, bis der Gast anruft und ein Zimmer bestellt. Heute müssen wir twittern, auf Facebook gehen, das interessiert mich nicht mehr. Ich schreibe meinen Gästen zu Weihnachten immer noch mit der Füllfeder. Aber ich bleibe dem Imperial als Archivar erhalten. Ich bin Jungfrau im Sternzeichen und kann nichts wegwerfen. Seit dreißig Jahren habe ich hinter mir eine Kiste. Da habe ich alles hineingeworfen, von Speisekarten über Zeitungen, lustigen Briefen. Das muss ich jetzt ordnen, für mich und spätere Generationen. Es kommt kein Gast wegen mir, er kommt wegen des Imperial, seiner besonderen Geschichte, wegen des Ambientes. Vielleicht sagt der eine oder andere: Auch der Moser ist lustig.“

Das Imperial

1863 bis 1865 wurde das Haus im Stil der italienischen Neorenaissance als privates Palais des Prinzen Philipp von Württemberg gebaut. Dahinter erstreckte sich ein Park bis zum Karlsplatz. Als dort die Baugrube für den Musikverein ausgehoben wurde, zog der Prinz erbost aus.

Hotel. Horace Ritter von Landau kaufte das Palais und eröffnete es 1873 in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph und Elisabeth zur Weltausstellung in Wien als Hotel Imperial.

Nach dem Anschluss logierte hier Adolf Hitler, wann immer er in der Stadt war. Nach dem Krieg war es Quartier der Sowjets.

Staatsgäste wohnen traditionellerweise immer im Imperial: Richard Nixon, Indira Gandhi, Queen Elizabeth, Juan Carlos von Spanien oder Kaiser Akihito von Japan nächtigten hier. Aber auch Walt Disney, Alfred Hitchcock, Frank Sinatra, Woody Allen, Peter Ustinov, Riccardo Muti oder Mick Jagger. Michael Jackson schrieb hier den „Earth Song“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2014)

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