Akademikerball: "Landfriedensbruch" weiter in der Kritik

Archivbild: Demosntration gegen den Akademikerball im Jänner
Archivbild: Demosntration gegen den Akademikerball im JännerClemens Fabry / Die Presse
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Am Tag nach dem Urteil gegen den Akademikerball-Demonstranten Josef S. gibt es neue Diskussionen um den Tatbestand Landfriedensbruch.

Die Kritik zum Landfriedensbruch-Gesetz ist auch einen Tag nach dem nicht rechtskräftigen Urteil gegen den deutschen Akademikerball-Demonstranten Josef S. nicht verstummt. Die Grünen fordern die Streichung des Paragrafen, die NEOS sprechen von einem "Gummiparagrafen". Die SPÖ will über Änderungen reden, die FPÖ kann sich genauere Bestimmungen vorstellen. Klar gegen eine Streichung ist die ÖVP.

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim wiederholte im Ö1-"Mittagsjournal" am Mittwoch seine Forderung vom Vortag, über die Bestimmung zu diskutieren. Er sehe das grundsätzliche Recht auf der Demonstrationsfreiheit durch den Paragrafen "derzeit eingeschränkt". Es wäre wichtig herauszustreichen, dass von Beginn an eine Art Nötigung oder Verhetzung besteht - und dass nicht aus einer Entwicklung heraus "dann plötzlich Personen mit dem Vorwurf konfrontiert werden, sie hätten eigentlich erkennen müssen, dass in ihrem Umfeld im Rahmen einer Demonstration Gewalttaten entstehen hätten können und daher mitschuldig werden können".

Grüne: "Gefährliche Grauzone"

Der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser sprach sich für die Streichung der Bestimmung aus: "In einem demokratischen Rechtsstaat ist dieser Paragraf nicht mehr notwendig und schafft eine gefährliche Grauzone." Denn es könnten Personen ins Visier von Strafbehörden kommen, "ohne dass sie sich selbst etwas zuschulden kommen haben lassen", sagte er zum ORF-Radio.

NEOS-Justizsprecherin Beate Meinl-Reisinger erklärte im "Mittagsjournal", sie halte die Bestimmung, "dass man sich rechtzeitig (also vor Begehung einer Straftat, Anm.) zurückziehen muss", in der Praxis für "völlig unmöglich".

FPÖ für Änderungen, aber "froh" über Urteil

Auch die FPÖ kann sich - in Person von Justizsprecher Harald Stefan - Änderungen vorstellen, nämlich, "dass man hier konkret noch einmal genauer festlegt, was wirklich Voraussetzungen sind, dass Landfriedensbruch angewendet werden kann". Es müsse klar sein, dass Gewalt angewendet wird - und dass sich der Betroffene dazu entschieden habe.

Wiens FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus zeigte sich am Mittwoch "froh" darüber, "dass einmal einer aus der Masse der vermummten Feiglinge gefunden und verurteilt wurde". Und er werde weiterhin froh sein, "wenn noch mehr von den Gewalttätern zur Rechenschaft gezogen werden", sagte er am Rande einer Pressekonferenz.

Ministerium verweist auf Reformgruppe

Die ÖVP richtete via Ö1 aus, man halte eine ersatzlose Streichung des Paragrafen für "überschießend", Justizsprecherin Michaela Steinacker plädierte zumindest für eine Nachfolgebestimmung. Das Team Stronach sieht keinen Änderungsbedarf. Das von ÖVP-Minister Wolfgang Brandstetter geleitete Justizministerium sprach sich gegen eine ersatzlose Streichung aus. Im Ressort verwies man darauf, dass eine Reformgruppe bis Oktober Änderungsvorschläge ausarbeiten solle - und zwar im Rahmen der geplanten Reform des Strafgesetzbuchs.

Auch die IG Autorinnen Autoren kritisierte am Mittwoch das Urteil: Es ergebe "kein gutes Bild der österreichischen Rechtsprechung", wenn "ohne Beweise aufgrund der Angabe eines einzelnen verdeckten Ermittlers" ein Verurteilung ausgesprochen werden kann - "und der Verurteilte insgesamt sechs Monate im Gefängnis verbringen musste". Bei der Verurteilung sei es hauptsächlich darum gegangen, "ein Exempel zu statuieren", so Gerhard Ruiss von der IG Autoren in einer Aussendung. Er forderte, dass die Bestimmungen für Landfriedensbruch überprüft und neu formuliert werden.

Landfriedensbruch

Unter diesem antiquiert klingenden Titel stellt der Gesetzgeber im § 274 des Strafgesetzbuches die bloße Teilnahme „an einer Zusammenrottung einer Menschenmenge, die darauf abzielt, dass unter ihrem Einfluss“ schwere Gewalttaten begangen werden, unter Strafe (laut rechtswissenschaftlichen Kommentaren kann ab 100 Personen von einer Menschenmenge gesprochen werden). Zwei Merkmale müssen noch dazukommen, um Strafbarkeit herzustellen: Wer in der Menge mitläuft, muss wissen, was diese vorhat. Und: Nur wenn es auch tatsächlich zu Gewalttaten kommt, ist der Tatbestand erfüllt.

>> Bericht im Ö1-Mittagsjournal

(APA)

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