Stadt Wien: "Pizzeria Anarchia" kein Einzelfall

Das Haus wurde gestern von der Polizei geräumt
Das Haus wurde gestern von der Polizei geräumtAPA/HERBERT OCZERET
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Der Stadt Wien kennt die Namen der Eigentümer des geräumten Hauses seit langem. Diese besitzen zahlreiche Häuser in der Stadt - Mieter klagten immer wieder über Repressalien und Probleme.

Die Räumung der "Pizzeria Anarchia" in der Mühlhausgasse im zweiten Wiener Bezirk hat am Montag für erhebliches Aufsehen gesorgt. Den Eigentümern wurden seitens der Punks Spekulationsabsichten vorgeworfen. Im Wiener Wohnbauressort wollte man auf APA-Anfrage diesen Vorwurf nicht bestätigen. Allerdings: Die Besitzer stünden schon länger unter Beobachtung der Stadt.

"Wir haben schon länger einen Fokus auf die betreffenden Personen", sagt ein Sprecher von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ). Bewohner diverser Zinshäuser hätten vor einigen Jahren über Probleme und Repressalien geklagt, um sie gewissermaßen zum Auszug zu zwingen. Dazu gehörten kaputte Fenster, Probleme mit der Energieversorgung - vor allem im Winter -, unvollständig durchgeführte Reparaturen im Haus, plötzliche Mietvertragskündigungen oder auch Drohungen durch Dritte.

Bei näherer Betrachtung der Eigentümerstrukturen sei man immer wieder auf dieselben Namen gestoßen. Konkret geht es um 16 Wohnhäuser etwa im 2., 5. oder 15. Bezirk, darunter auch die "Pizzeria Anarchia" in der Mühlfeldgasse 12. In diversen Fällen sei die Stadt nach Möglichkeit eingeschritten. Folglich habe es in den vergangenen zwölf Monaten kaum noch Auffälligkeiten gegeben. Man hätte die Immobilien aber weiter im Auge und stehe in intensivem Kontakt mit den Bewohnern.

"Spekulation per se nicht illegal"

Was die Ansiedlung der Aktivisten im Wohnhaus in der Mühlfeldgasse anbelangt, sei das nicht verboten gewesen, so der Sprecher: "Als Vermieter steht es einem frei, wem ich Wohnraum entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung stelle - sofern dies im gesetzlichen Rahmen passiert."

Grundsätzlich betonte man im Ludwig-Büro, dass es den Tatbestand der Spekulation so nicht gebe, denn Spekulation per se sei ja nicht illegal und auch nicht automatisch verwerflich - wenn beispielsweise jemand ein leer stehendes Haus erwerbe, herrichte und teuer weiterverkaufe. Auch eine Mieterabsiedlung zu Bedingungen, die für beide Seiten in Ordnung sind, sei erlaubt. "Problematisch wird es, wenn Wohnungsspekulation zulasten Dritter geht - also Druck ausgeübt wird oder Rechte nicht gewahrt werden", betonte der Sprecher.

Hier hat die Stadt grundsätzlich zwei Möglichkeiten einzuschreiten. Einerseits unterstütze man Bewohner bei der Durchsetzung des Mietrechts - auch durch die Bereitstellung von Anwälten. Andererseits gibt es die behördliche Schiene. Werden etwa Umbauten oder Reparaturen - aus welchen Gründen auch immer - nicht ordnungsgemäß durchgeführt, schreitet die Baupolizei ein, setzt Fristen und beauftragt bei Nichteinhaltung selbst Firmen, welche die Arbeiten auf Eigentümerkosten durchführen. Ein anderes Beispiel: Bei sogenannten sanitären Übelständen - etwa wochenlangen Mülllagerungen im Innenhof - kommt das Gesundheitsamt zum Zug. Durch derlei rigoroses Vorgehen sollen Spekulationsabsichten eingedämmt werden.

Spekulationen mit Wohnungen rückläufig

Grundsätzlich ist das Spekulationsproblem in Wien inzwischen sehr überschaubar, versichert man im Büro Ludwig. Gab es in den 1990er-Jahren noch mehr als 200 Fälle von Spekulationsverdacht, liege diese Zahl derzeit bei rund 30. Als schwieriger Teilbereich hat sich zuletzt offenbar das Thema Dachbodenausbau bei Eigentumsimmobilien herauskristallisiert. Die Ausbauten würden oft von einer nur dazu gegründeten GmbH schlecht oder mangelhaft ausgeführt. In der Folge auftretende Probleme könnten aber nicht mehr geltend gemacht werden, da die GmbH dann nicht mehr existiere, heißt es. Da die Dachbodenausbauten durch eine Gesetzesnovelle aus dem Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes herausgenommen wurden, seien die behördlichen und rechtlichen Mittel der Stadt hier sehr begrenzt.

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