Auch am Tag nach dem Polizei-Großeinsatz zur Räumung eines von Punks besetzten Hauses in Wien-Leopoldstadt will die Polizei nicht klarstellen, wie viele Beamte im Einsatz waren. 31 Menschen wurden angezeigt.
Wien. Alle 19 Besetzer, die am Montag bei der Räumung der Pizzeria Anarchia festgenommen worden sind, sind wieder auf freiem Fuß. Die 15 Männer und vier Frauen waren nach einem stundenlangen Einsatz mehrerer hundert Polizisten wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und versuchter schwerer Körperverletzung festgenommen worden.
Die Punks wurden in der Nacht auf Dienstag einvernommen und dann auf freiem Fuß angezeigt. Rund die Hälfte von ihnen sind der Polizei zufolge deutsche Staatsbürger. Auch zwölf Aktivisten, die während des Einsatzes vor dem Haus in der Mühlfeldgasse wegen Verwaltungsübertretungen festgenommen worden waren, sind wieder freigelassen worden.
Parlamentarisches Nachspiel
Unklar blieb am Tag nach dem Einsatz auch, wie viele Polizisten genau im Einsatz waren. Von manchen Medien kolportierte 1700 Beamten wurden von der Polizei nicht bestätigt. Zu Spitzenzeiten seien jedenfalls 500 Beamte im Einsatz gewesen.
Sowohl die genaue Zahl der Einsatzkräfte als auch die Kosten des – von vielen als unverhältnismäßig kritisierten – Einsatzes würden „im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage bekannt gegeben“, sagte Polizeisprecher Roman Hahslinger.
Eine solche hat der grüne Sicherheitssprecher, Peter Pilz, bereits angekündigt; er will von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) unter anderem wissen, wie viele Kräfte im Einsatz waren und wie viel der Einsatz gekostet hat. „Die größten Polizei- und Justizeinsätze der letzten Jahre fanden zur Wahrung der Interessen von Pelzhändlern, Rechtsextremisten und Häuserspekulanten statt“, heißt es in der Pilz-Anfrage unter anderem, in Anspielung auf den Tierschützerprozess, die polizeiliche Sicherung des FPÖ-Akademikerballs und eben den Räumungseinsatz vom Montag.
Dieser war nötig geworden, nachdem die Aktivisten das Haus mit der Pizzeria Anarchia zweieinhalb Jahre lang besetzt gehalten hatten. Zuvor war den Besetzern von den Hauseigentümern angeboten worden, in die Immobilie kostenfrei für sechs Monate einzuziehen, mit dem Ziel, die letzten Bestandsmieter des Hauses hinauszuekeln. Dann sollte die Liegenschaft umgebaut und gewinnbringend verwertet werden. Allerdings hatten sich die Punks mit den Stammmietern solidarisiert und blieben nach Ablauf der Halbjahresfrist – wie auch eine Mieterin.
Besitzer „unter Beobachtung“
Den Eigentümern wurde von den Punks Spekulationsabsicht vorgeworfen. Im Wiener Wohnbauressort wollte man den Vorwurf am Dienstag nicht bestätigen. Allerdings: Die Besitzer stünden schon länger „unter Beobachtung“ der Stadt. „Wir haben schon länger einen Fokus auf die betreffenden Personen“, so ein Sprecher von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ).
Bewohner diverser Zinshäuser hätten vor einigen Jahren über Probleme und Repressalien geklagt, die sie gewissermaßen zum Auszug hätten „zwingen“ sollen. Dazu gehörten kaputte Fenster, Probleme mit der Energieversorgung – vor allem im Winter –, unvollständig durchgeführte Reparaturen im Haus, plötzliche Mietvertragskündigungen und Drohungen durch Dritte. Bei näherer Betrachtung der Eigentümerstrukturen sei man immer wieder auf dieselben Namen gestoßen, heißt es aus dem Rathaus. Konkret geht es um 16 Wohnhäuser etwa im 2., 5. oder 15.Bezirk, darunter eben auch die Mühlfeldgasse12, die Pizzeria Anarchia.
In diversen Fällen sei die Stadt nach Möglichkeit eingeschritten. Folglich habe es in den vergangenen zwölf Monaten kaum noch Auffälligkeiten gegeben. Man hätte die Immobilien aber „weiter im Auge“ und stehe in „intensivem Kontakt mit den Bewohnern“. Grundsätzlich betonte man im Ludwig-Büro, dass es den Tatbestand der Spekulation so nicht gebe, denn Spekulation per se sei ja nicht illegal. (APA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2014)