Pizzeria-Räumung: Müssen Eigentümer den Einsatz bezahlen?

Nach dem Polizeieinsatz wird das ehemals besetzte Haus in Wien Leopldstadt gestrichen
Nach dem Polizeieinsatz wird das ehemals besetzte Haus in Wien Leopldstadt gestrichenAPA/HERBERT NEUBAUER
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Die Frage, ob Regressforderungen an die Eigentümer des geräumten Hauses möglich sind, soll geprüft werden. Unklar ist aber, von welcher Behörde. Am Polizeieinsatz gibt es weiterhin Kritik.

Zwei Tage nach der umstrittenen Räumung der "Pizzeria Anarchia" in Wien-Leopoldstadt durch ein Großaufgebot der Polizei gibt es Verwirrung um eine mögliche Prüfung von Regressforderungen an die Besitzer des Hauses. Laut Wiener Polizei werde dies vom Justizministerium geprüft. Dort weiß man davon allerdings nichts.

"Der Wiener Polizei wurde vom Justizministerium definitiv bestätigt, dass Regressmöglichkeiten zeitnah geprüft werden", sagt Polizeisprecher Roman Hahslinger. Dem widerspricht Dagmar Albegger, die Sprecherin des Justizressorts: "Wir haben weder vom Innenministerium noch von der Wiener Polizei irgendein Schreiben bekommen und auch nicht zugesagt, Regressforderungen zu prüfen."

Über mögliche Schadenersatzforderungen gibt es ohnedies unterschiedliche Rechtsansichten. "Bis jetzt wurde in solchen Fällen noch nie überlegt, ob Regressforderungen anzustellen sind", sagt Hahslinger. Laut Justizministerium sei für die Prüfung die Finanzprokuratur, die als Anwalt des Staates fungiert, zuständig. Unter Berufung auf eine andere Quelle berichtet die Austria Presseagentur, dass die Wiener Polizei versuchen könnte, sich an der Justiz schadlos zu halten. Der eigentliche Akteur bei der Hausräumung sei schließlich der Gerichtsvollzieher gewesen. Daher müsse die Wiener Polizei - sie leistete lediglich einen Assistenzeinsatz - ihre Kosten der Justiz verrechnen.

Laut Andreas Konecny, Professor für Zivilrecht an der Rechtswissenschaftliche Fakultät der Uni Wien, müsse bei einem Exekutionsverfahren zunächst der Eigentümer die Kosten beispielsweise für den Schlüsseldienst oder Möbelwägen übernehmen. Diese könne er dann von seinem Schuldner, im Fall der Mühlfeldgasse 12 sind dies die Hausbesetzer, einfordern, sagte Konecny. Unklarheit herrscht über die Kostenübernahme von Polizeieinsätzen.

SPÖ: Forderungen denkbar

Die Wiener SPÖ hält es durchaus für denkbar, die Hauseigentümer zur Kasse zu bitten. "Wenn sie die Situation bewusst herbeigeführt haben, glaube ich schon, dass der Staat sich hier regressieren kann", so der designierte Landesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler am Mittwoch. Es sei zu klären, ob die Besitzer der Immobilie durch die Ansiedlung von Punks damit hätten rechnen müssen, dass es früher oder später zu einer Räumung kommen würde.

Damit widerspricht der Neo-Landesparteisekretär Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die am gestrigen Dienstag in einer ersten Reaktion gemeint hatte, dass es einer Gesetzesänderung bedürfe, um Geld zurückzuholen. Niedermühlbichler sprach sich dafür aus, das eingehend prüfen zu lassen.

"Kampf- und nicht Friedenstruppe": Weiter Kritik an Polizei

Wie viele Polizisten genau bei der Räumung des besetzten Hauses in Wien-Leopoldstadt am Montag im Einsatz waren ist weiterhin ungeklärt. Kolportiert wurden 1700 Beamte, diese Zahl wurde von der Polizei jedoch nicht bestätigt, Polizeisprecher Roman Hahslinger sprach am Montag von "sicher nicht weniger als 1000". 19 Aktivisten wurden schließlich festgenommen.

Die Kritik an dem Einsatz lässt auch zwei Tage nach der Räumung nicht nach. Dieser war "unverhältnismäßig, überzogen, der Aufwand war schlichtweg zu hoch", so Reinhard Kreissl, Leiter des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS) in Wien. Der Experte ortet in Wien einen Trend der Polizei zur "Kampf- und nicht als Friedenstruppe". Kreissl kritisiert zudem, dass es auch Tage nach der Räumung keine genauen Zahlen zu den Einsatzkräften und Kosten gibt. "Dabei handelt es sich um keine Informationen, die Ermittlungen gefährden würden", äußert Kreissl Unverständnis. Dies ist für den Experte ein "strahlendes Dokument von einer inkompetenten Öffentlichkeitsarbeit der Wiener Polizei". 

Zahlen zu Identitären-Demo veröffentlicht

Die genaue Zahl der eingesetzten Polizeikräfte wird wohl erst die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage an an Innenministerin Mikl-Leitner ergeben. Die letzte Beantwortung einer solchen Anfrage hat etwas mehr als zwei Monate gedauert und wurde vor einer Woche veröffentlicht. Sie betraf den Einsatz rund um die Demonstration der rechten Gruppierung "Die Identitären" am 17. Mai in Wien. Der Inhalt: 878 Beamte, 110 von ihnen in Zivilkleidung, waren damals im Einsatz, um 100 "Identitäre" und 400 Gegendemonstranten zu trennen. Es kam zu insgesamt 58 Identitätsfeststellungen, zwei Beamte wurden verletzt. Insgesamt wurde vonseiten der Polizei zwölf Mal von Waffengewalt Gebrauch gemacht, davon vier Mal mit dem Einsatzstock. Die genaue Menge des eingesetzten Pfeffersprays könne nicht angegeben werden, so die Innenministerin.

Ist das Verhalten der Eigentümer rechtlich fassbar?

Wenn Vermieter Mieter loswerden wollen, aber nicht können, heißt ein unschönes Mittel: „Leersanierung“ d.h. man öffnet z.B. das Dach für eine Sanierung, und dann passiert nichts, außer, dass sich die Mieter ärgern. Da in solchen Fällen aber die Baupolizei einschreiten muss, hat sich nun eine andere Methode entwickelt. Man holt „Problemmieter“. Im Anlassfall steht das auch klar in jenem Urteil vom 7.Jänner 2014, das Grundlage für die Räumung der Pizzeria Anarchia war: „Die Anwesenheit der Punks hätte die restlichen drei Altmieter (...) zum Auszug bewegen sollen.“ Im Gegenzug wurden den Punks von der Castella GmbH vom 14. Dezember 2011 bis 30.Juni 2012 zehn Wohnungen unentgeltlich und befristet zu Verfügung gestellt. Theoretisch können Mieter vom Vermieter verlangen, dass dieser störende Hausparteien in die Schranken weist. Aber wenn der Vermieter diese selbst einquartiert, hilft das wenig. Wobei im Anlassfall die Rechnung nicht aufging, da sich Alt- und Problemmieter verbündeten.

Eine prinzipielle Idee, wie man der „Schikane durch Problemmieter“ abschreckend rechtlich begegnen könnte, stammt von Andreas Vonkilch, Zivilrechtsexperte an der Uni Innsbruck. Das Problem sei nämlich, dass der Schaden oft „nur“ in zermürbendem Ärger besteht. Im Mietrechtsgesetz gibt es aber eine Regel, an die man anknüpfen könnte. So müssen Sanierungen möglichst schonend durchgeführt werden. Geschieht das grob fahrlässig nicht, ist der immaterielle Schaden zu ersetzen. Ähnlich könnte man es regeln, wenn Mieter von „Problemmietern“ belästigt werden und der Vermieter das grob fahrlässig nicht abstellt.

>> Mehr zu den rechtlichen Hintergründen des Falles

(APA)

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