Massenquartiere: Warum Behörden machtlos sind

Wohnhaus in der Gebrüder Lang-Gasse
Wohnhaus in der Gebrüder Lang-GasseDie Presse
  • Drucken

Immer wieder beschweren sich Anrainer über überfüllte Substandard-Zinshäuser, die ganzen Vierteln ihren Stempel aufdrücken. Der Grund, warum Behörden solchen Objekten nur selten beikommen, heißt: Rechtsstaat.

Wien. Der Großeinsatz der Polizei bei der Räumung eines Hauses in Wien-Leopoldstadt war der Auslöser: Warum, so fragten sich viele Bürger, ist es nicht möglich, die fragwürdige Nutzung von Immobilien zu unterbinden?

Nachbarn sogenannter Problemhäuser, zum Beispiel an der Roßauer Lände, in der Koppstraße oder der Gebrüder-Lang-Gasse, berichten den Behörden teilweise schon seit Jahren von Massenquartieren für Asylwerber, Prostituierte, Tagelöhner und Bettler. Sie erzählen von Vermietern, die die Notlagen anderer ausnutzen, die Matratzen in den heillos überfüllten Zimmern für fünf bis zehn Euro die Nacht vermieten. Rund um diese Quartiere häufen sich dann Beschwerden über Lärm bis spät in die Nacht hinein, Müll im ganzen Viertel, nächtliche Polizeieinsätze und Ratten im Hinterhof.

Wiens Stadtverwaltung und die Polizei kennen die dazugehörigen Adressen. 70 bis 80 sollen es sein, und nach der Räumung in der Leopoldstadt hieß es gar, man habe die Kandidaten „unter Beobachtung“.

Nicht so offen sprechen Behörden darüber, dass das Beobachten die Probleme nur sehr selten löst, die Möglichkeiten, die der Rechtsstaat zur Befriedung oder gar Räumung solcher Häuser bietet, beschränkt sind. Die Dokumentation offensichtlicher Missstände durch Anrainer ist dabei keine Kategorie.

Fast immer berufen sich die Eigentümer der Wohnungen und Häuser auf das Bestehen von Mietverträgen. Und dass sie keine Ahnung hätten, wer dorthin sonst noch „auf Besuch“ käme. Neugierige Nachbarn oder den Staat geht das auch – zum Glück – nichts an.

Wenn Beobachtungen dennoch nahelegen, dass mit der Nutzung des Objekts etwas nicht stimmt, versuchen es die Behörden anders, marschieren mit allem auf, was der Apparat zu bieten hat. Gesundheitsamt, Ordnungsamt, Bau-, Finanz- und Bundespolizei. Notiert wird, was feststellbar ist. Sanitäre Einrichtungen, Installationen, Statik. Fast immer ist die Liste der festgestellten Mängel lang. Und fast genauso oft sind diese für den Vermieter entweder vergleichsweise einfach zu beheben oder die daraus folgenden Verwaltungsstrafen so gering, dass sie das Geschäft mit der tageweisen Vermietung nicht wirklich stören. Gründe, die die Sperre des Objekts zuließen, gibt es jedoch fast nie.

Strafrecht als letzte Lösung

Für Anrainer sieht es dann so aus, als würden sich Behörden nicht für ihre Probleme interessieren. Tatsächlich ziehen die meisten Vermieter entsprechender Problemhäuser die Verwaltungsverfahren gegen sie auch bewusst mit Einsprüchen in die Länge. Alles Möglichkeiten, die ihnen (und auch allen anderen) der Rechtsstaat gibt.

Misslingen diese Versuche, bleibt das Strafrecht. Seine Instrumente greifen jedoch selten. Erwerbslose Osteuropäer aus EU-Staaten, die offensichtlich zum Betteln hier sind, sind für die Polizei nach dem Gesetz kein Grund zum Einschreiten. Um Befragungen durchführen zu dürfen, braucht es einen begründeten Anfangsverdacht. Und ist gar Menschenhandel mit im Spiel, schweigen die meisten Opfer aus Furcht.

Meistens einigen sich Bezirk und Polizei darauf, dass die Exekutive – sooft es eben geht – mit Streifenwagen vorbeischaut. In der Hoffnung, dass irgendwann jemand einen Fehler macht. Schwere Fehler geschehen aber selten. Laut Auskunft eines ranghohen Polizisten „funktioniert“ die Hälfte der Problemhäuser bereits seit vielen Jahren. Zumindest aus Sicht ihrer Eigentümer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Gebrüder Lang-Gasse: Ein Zinshaus als Aufreger für ein ganzes Viertel.
Wien

Massenquartier in Wien: Machtlos gegen Elendshaus

Bettler, Prostituierte und Tagelöhner überfüllen ein Haus in Wien. Die Behörden sind machtlos. Der Eigentümer auch, sagt er.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.