Rechtsstreit: Pizzeria Anarchia bleibt Baustelle

Pizzeria Anarchia
Pizzeria AnarchiaStanislav Jenis
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Während die verbliebene Familie in der Mühlfeldgasse Schikanen der Eigentümer vermutet, reichte die Stadt Klage ein, um zumindest die Wasserversorgung wiederherzustellen.

Wien. „Betreten verboten“ steht immer noch auf einem großen Schild vor dem als Pizzeria Anarchia bekannt gewordenen Wohnhaus in der Mühlfeldgasse12 im zweiten Bezirk. Tagsüber sind es Bauarbeiter und nachts (Anrainern zufolge) Bedienstete eines Sicherheitsunternehmens, die dafür sorgen, dass niemand in das mehrstöckige Gebäude gelangt, das Ende Juli von einem Großaufgebot der Polizei geräumt wurde, nachdem es rund 20 Punks zweieinhalb Jahre lang besetzt hatten.

Auch beim Lokalaugenschein am Dienstagnachmittag dauert es keine zwei Minuten, bis einem unmissverständlich signalisiert wird, dass hier Medienvertreter nicht erwünscht sind. Sie könnten schließlich sehen, dass das Innere des Hauses nach wie vor eine einzige Baustelle ist, die der letzten verbliebenen Familie (mit unbefristetem Mietvertrag) im ersten Stock laut eigener Aussage „das Leben in ihrer Wohnung schwer macht“.

„Psychischer Druck“

„Momentan ist die Mietpartei gezwungen, ohne Wasser, Gas und Toilette zu leben. Das sind doch keine menschenwürdigen Bedingungen“, sagt der 30-jährige Paul, einer der Besetzer der Pizzeria Anarchia, der mittlerweile bei Freunden untergekommen ist und als eine Art Sprecher der dreiköpfigen Familie fungiert, die nicht direkt mit den Medien sprechen will. Er steht in täglichem Kontakt mit ihr, die seit fast 20 Jahren in dem Haus lebt und ihre (sehr günstige) Wohnung nicht aufgeben will.

„Alles deutet darauf hin, dass sie durch psychischen Druck und fundamentale Einschränkung der Lebensqualität zum baldigen Auszug gezwungen werden soll“, vermutet er. „Fast alle Fenster außer jenen in der Wohnung der verbleibenden Familie wurden herausgerissen, obwohl es sich um wenige Jahre alte Thermofenster handelte. Der Wind pfeift durch das Haus, es regnet in die Gänge. Von außen wirkt das Haus wie eine Ruine.“

Dass die Familie bis vor wenigen Tagen tatsächlich ohne Wasser, Gas und WC auskommen musste, nicht aber ohne Strom, bestätigt auch Hanno Csisinko, Sprecher des Wohnbaustadtrats, Michael Ludwig (SPÖ). Daher sei durch das Einschreiten der MA37 (Baupolizei) und die anschließende Einleitung von sogenannten notstandspolizeilichen Maßnahmen durch die MA25 (Stadterneuerung und Prüfstelle für Wohnhäuser) die Wasserversorgung (aber nur im Stiegenhaus, nicht in der Wohnung) wiederhergestellt und in einer Nachbarwohnung ein funktionstüchtiges WC installiert worden – auf Kosten des Eigentümers, der Castella GmbH. „Und damit auch in der Wohnung selbst die Wasserversorgung sobald wie möglich wiederhergestellt wird, wurde mithilfe des Rechtshilfefonds auf dem Zivilrechtsweg Klage eingereicht“, sagt Csisinko. „Eine weitere Forderung der Klage ist die Geltendmachung der Mietzinsminderung.“

Gasversorgung abgedreht

Ungelöst ist noch das Problem der Versorgung mit Gas, das für die Räumung des Gebäudes aus Sicherheitsgründen abgedreht wurde. Um es wieder aufzudrehen, muss aber eine Dichtheitsprüfung durchgeführt werden, die das Gebäude laut Einschätzung der städtischen Prüfer nicht bestehen dürfte. Daher hätten die Eigentümer Csisinko zufolge bereits signalisiert, in die betroffene Wohnung Fernwärme einleiten zu lassen. Sollte bis Winterbeginn eine Versorgung weder mit Gas noch mit Fernwärme gegeben sein, könnte die Stadt wiederum in letzter Konsequenz über eine notstandspolizeiliche Maßnahme eine sofortige Heizungsversorgung durchsetzen.

Unterdessen kündigt Paul weitere Besetzungen von leer stehenden Gebäuden an. „Es gibt in Wien rund 50 Personen, die sich aktiv an Besetzungen beteiligen, und hunderte weitere, die uns dabei unterstützen würden“, so der 30-Jährige. Eine Wiederbesetzung der Pizzeria Anarchia komme eher nicht infrage. Denn: „Dieses Gebäude ist einfach nicht mehr bewohnbar.“

AUF EINEN BLICK

Zivilklage. Seit der Räumung der Pizzeria Anarchia in der Mühlfeldgasse12 im zweiten Bezirk Ende Juli ist das Gebäude immer noch eine riesige Baustelle. Die Wohnung der einzigen verbliebenen Mietpartei (einer dreiköpfigen Familie) hat keine Wasser- und Gasversorgung, weshalb die Stadt Wien Klage gegen die Eigentümer eingereicht hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2014)

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