Mord, Erpressung: Starke Indizien gegen Alijew

Archivbild: Rachat Alijew
Archivbild: Rachat AlijewAPA/HBF/DRAGAN TATIC
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Kasachstan-Affäre. Ein Gericht konkretisierte nun die Vorwürfe gegen den Exdiplomaten.

Wien. „Wenn der Beschuldigte Dr. Shoraz sich damit verantwortet, dass er politisch verfolgt sei, sämtliche Zeugen vom kasachischen Regime unter Druck gesetzt worden seien und deshalb gegen ihn ausgesagt hätten, so gibt es dafür keine konkreten Anhaltspunkte."

Dieser Satz aus dem Justizakt in Sachen Rachat Shoraz ist doppelt bemerkenswert. Erstens weil er von einem unabhängigen Gericht, konkret von Haftrichterin Silvia Liebetreu vom Straflandesgericht Wien, stammt. Und nicht von der Anklagebehörde. Zweitens: Weil damit die bisherige Verantwortung des früher in Wien tätigen Botschafters von Grund auf erschüttert wird. Dieser sagt ja, dass die ihm von der österreichischen Justiz gemachten Vorwürfe - allen voran die Tötung zweier Bankmanager - durch Kampagnen politischer Gegner entstanden seien.

Den Namen Shoraz trägt der 51-Jährige seit seiner Heirat mit einer früheren Botschaftsmitarbeiterin. Bekannt ist er unter seinem „alten" Namen: Rachat Alijew. In erster Ehe war er mit einer Tochter des despotischen kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew verheiratet. Und stieg als dessen Schwiegersohn zu einem einflussreichen Geschäftsmann, Politiker und Diplomaten auf. Ehe es zum Bruch mit Nasarbajew kam, spielten sich jene Vorfälle ab, die nun Österreichs Justiz aufzuklären hat - zumal eine Auslieferung des früheren Diplomaten in dessen Heimat Kasachstan von der Republik aus menschenrechtlichen Gründen abgelehnt wird.

Es war Jänner 2007, als Zholdas T. und Aybar K., Manager der kasachischen Nurbank, unter mysteriösen Umständen verschwanden. Knapp vier Jahre später werden deren sterblichen Überreste, vier Meter tief eingegraben in Fässern, auf dem Gelände einer Firma gefunden, die im Einflussbereich Alijews stand. Der frühere Diplomat - für ihn gilt die Unschuldsvermutung - blieb weiter bei seinen Beteuerungen, wonach er nichts mit dem Mord zu tun habe. Und brachte den kasachischen Geheimdienst KNB (in dem er einst selber eine hohe Funktion innehatte) ins Spiel.

Die Wiener Staatsanwältin Bettina Wallner wertet das Auffinden der Leichen, an denen noch Misshandlungsspuren festgestellt werden konnten, als Hinweis auf die Täterschaft Alijews. Und sieht dringenden Tatverdacht in Richtung Mord, schwere Erpressung, schwere Nötigung und Freiheitsentziehung. Ein Verdacht, der in dem eingangs erwähnten Schriftstück bestätigt wird: Auch die Haftrichterin sieht eine „ausreichende Indizienkette" für einen dringenden Tatverdacht. Daher sitzen Alijew - und auch zwei von vier mutmaßliche Mittätern, nämlich der frühere kasachische Geheimdienstchef Alnur Musajew und der ehemalige Alijew-Leibwächter Vadim K. - in Wien in U-Haft.

Apropos: Für Alijew (er lebte zuletzt auf Malta, flog im Juni via Athen nach Wien, ehe die U-Haft begann) ist der 16. September entscheidend. An diesem Tag wird über eine Verlängerung der U-Haft erkannt. Und der Exbotschafter, der nach dem Befehl der Behörden von sich aus (ohne vorherige Festnahme) nach Wien geflogen war, hofft auf eine Freilassung.

Aber zurück zu den Gewalttaten: Die Motive, die nun von den österreichischen Behörden (Bundeskriminalamt, Staatsanwaltschaft) herausgearbeitet wurden, haben mit politischer Verfolgung wenig zu tun. Laut Haftrichterin, die auf die Ermittlungen Bezug nimmt, sei es dem Diplomaten offenbar ganz profan darum gegangen, dass einer der beiden später ermordeten Banker (gemeinsam mit einem Dritten) einen Unter-Preis-Verkauf einer Liegenschaft an ihn, Alijew, einfädelt. Außerdem soll es Alijew auf die Überschreibung eines Aktienpakets abgesehen gehabt haben.

Um dies durchzusetzen, seien die beiden späteren Opfer gefangen gehalten, gefoltert und letztlich getötet worden. „Vermutlich durch Strangulation". Eingeräumt wird, „dass es keinen unmittelbaren Zeugen der Tötung" gibt. Indes existieren aber Zeugen, die von einem gewaltsamen Festhalten der später Getöteten berichten. Die Haftrichterin: „Die Tatsache, dass ein unmittelbarer Zeuge der Tötungshandlungen bislang fehlt, spricht gegen die Inszenierung der belastenden Aussagen durch die kasachischen Behörden."

Wie entscheidet Brandstetter?

Belastend wirken indes mitgeschnittene Skype-Gespräche zwischen Musajew, Alijew und dem Exil-Kasachen N. Daraus ergibt sich, dass der nunmehr auch unter dringendem Tatverdacht stehende Ex-Geheimdienstchef den genauen Ort kannte, an dem die Leichen vergraben wurden. Demgegenüber weist Alijew-Anwalt Manfred Ainedter darauf hin, dass sein Mandant stets mit den Behörden kooperiert habe. Die U-Haft sei überraschend gekommen und nicht zu rechtfertigen.

Indes lassen die Hinterbliebenen der mutmaßlichen Alijew-Opfer via Anwalt Gabriel Lansky wissen: „Der Verdacht Richtung Doppelmord ist derart dicht, dass man von einer Anklageerhebung und einem anschließendem Geschworenenprozess ausgehen muss."

Die zu erwartende Anklage dürfte dem von ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter eigens eingerichteten Weisenrat (Gremium zur Prüfung heikler staatsanwaltlicher Vorhaben) zugeleitet werden. Da Brandstetter selber Alijew einst vertreten hatte, wäre dies wohl im Sinne rechtspolitischer Hygiene.

Rachat Alijew

Rachat Alijew, Jahrgang 1962, war früher als Botschafter des zentralasiatischen Riesenlandes Kasachstan in Wien stationiert. Nunmehr sitzt er ebenda wegen Mordverdachts in U-Haft. Es weist jede Schuld von sich. Eine Anklageerhebung gilt als wahrscheinlich. Dann wäre ein Wiener Strafgericht am Zug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23. August 2014)

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