Wien wächst schneller als erwartet

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Prognose. Wien wird schon 2029 die Zwei-Millionen-Grenze überschreiten. Wo neuer Wohnraum entsteht, wächst die Stadt besonders stark: Die Donaustadt hat 2034 ein Drittel mehr Bewohner.

Wien. Dass Wien wächst, ist mit freiem Auge erkennbar. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind voller. Wohnungen sind knapp und werden immer teurer – und an verschiedensten Orten wird Wohnraum verdichtet, wachsen neue Häuser aus dem Boden. Doch abseits des Gefühls, dass in der Stadt zunehmend mehr Menschen leben, lohnt ein Blick auf die tatsächlichen Zahlen. Und darauf, wie die Entwicklung in den kommenden Jahren weitergehen wird. Für eine neue Publikation hat die Statistikabteilung der Stadt Wien genau das gemacht – die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.

1. Wie schnell wächst Wien nun wirklich?

Ziemlich rasant. Derzeit verzeichnet die Bundeshauptstadt rund 1,77 Millionen Einwohner. Und liegt damit nach Berlin und vor Hamburg an zweiter Stelle der größten deutschsprachigen Städte. Und das Wachstum der Bevölkerung, das sich seit dem Jahr 2000 dynamisch gesteigert hat, wird auch noch länger weitergehen. Laut aktueller Prognose der Stadt Wien soll schon 2029, also noch früher als bisher vermutet, die Zwei-Millionen-Einwohner-Grenze überschritten werden. Was zwar noch kein neuer Rekord ist, schließlich hatte Wien schon 1910 mit 2,08 Millionen Einwohnern den geschichtlichen Höchststand. Doch dieser historische Wert soll fallen. 2044, so die Prognose, sollen bereits 2,11 Millionen Menschen in Wien leben. Und bis 2034, da die Bevölkerung 2,04 Millionen erreichen soll, würde die Hauptstadt um 335.000 Menschen wachsen – mehr als die derzeitige Einwohnerzahl von Graz.

2. Wie stark wächst Wien im internationalen Vergleich?

Wien gehört zu den am schnellsten wachsenden Metropolen innerhalb der Europäischen Union. An erster Stelle liegt Stockholm – die schwedische Hauptstadt ist von 1991 bis 2011 um 28,2Prozent gewachsen. Dahinter folgen Brüssel (+21,9 Prozent) und Göteborg (+20,4 Prozent). Wien wiederum ist von 1992 bis 2012 um 12,8Prozent gewachsen – in der Rangliste der europäischen Metropolen bedeutet das Platz neun. Berlin ist in diesem Zeitraum übrigens nur um rund ein Prozent gewachsen, Rom verlor gar 4,7Prozent der Bevölkerung, Budapest sogar 14,2Prozent. Schlusslicht ist die lettische Hauptstadt, Riga, mit einem Bevölkerungsverlust von 27Prozent.

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3. Was ist der Grund für das rasante Bevölkerungswachstum?

Der wichtigste Faktor ist die Migration vom In- und Ausland. Das wird auch weiter so bleiben. Rund zwei Drittel (69Prozent) des zukünftigen Bevölkerungswachstums sind auf Migration zurückzuführen. Vor allem die Migration aus dem Ausland wird zunehmen, bereits 2024 wird Wien die 700.000-Marke der im Ausland geborenen Bürger überschritten haben. Derzeit liegt die Zahl bei 582.000. Die Geburtenrate in Wien war 2013 die höchste seit 1969. Und in den kommenden Jahren wird weiter mit einem erhöhten jährlichen Anstieg von 18.000 auf knapp 20.000 Geburten gerechnet. Die Geburtenüberschüsse würden laut Prognose von 2014 bis 2044 einen Anteil von einem Drittel (31Prozent) des Bevölkerungswachstums ausmachen. Die Sterbefälle bleiben bei 16.000 jährlich relativ konstant.

4. Wird Wien damit insgesamt eher älter oder jünger?

Wien wird älter und jünger zugleich. Die am schnellsten wachsenden Bevölkerungsgruppen sind jene der über 75-Jährigen – und der unter 15-Jährigen. Bis 2044 wird die Zahl der über 75-jährigen Personen um 96Prozent zulegen. Doch trotz des Ansteigens der Zahl an älteren Bewohnern wird Wien schon 2016 das jüngste Bundesland sein – derzeit liegt noch Vorarlberg vorn. Verantwortlich für die Verjüngung Wiens sind vor allem Zuwanderer – sowohl aus dem In- als auch dem Ausland.

5. Kann Wien ein derartig starkes Wachstum verkraften?

Ja, wenn auch einige Maßnahmen dafür getroffen werden müssen. Das beginnt etwa damit, dass für die wachsende Bevölkerung Wohnraum geschaffen werden muss. Die MA23 geht in ihren Berechnungen davon aus, dass von 2014 bis 2024 insgesamt 79.000 neue Wohnungen zur Verfügung stehen werden. Mit dem Wohnungsbelagsfaktor des jeweiligen Bezirks multipliziert, ergibt sich daraus, dass neuer Wohnraum für rund 165.000 Personen geschaffen wird. Neben dem Wohnraum ist aber auch die Mobilität enorm wichtig – und hier stößt der öffentliche Verkehr schon jetzt zeitweise an Grenzen. Weil etwa Verbindungen im Westen stark überlastet sind, wird nun die U5 gebaut. Umgekehrt hat man eines der größten Stadterweiterungsgebiete, die Seestadt Aspern, schon jetzt an die U2 angeschlossen – mit dem Effekt, dass bis zur tatsächlichen Besiedlung noch der eine oder andere Geisterzug unterwegs sein wird.

6. Wie verteilt sich das Wachstum auf die einzelnen Bezirke?

Eine Stadt wächst logischerweise nicht überall gleich stark. Der Blick auf die Prognose zeigt in einigen Bezirken ein besonders starkes Wachstum – am stärksten dort, wo auch der meiste Wohnraum geschaffen wird. Am stärksten steigt die Bevölkerung demnach in der Donaustadt, die bis 2034 um ein Drittel mehr Bewohner haben wird. Was mit daran liegt, dass hier besonders viel bebaubare Fläche vorhanden ist, die auch für die Errichtung von Wohnraum genutzt wird. Stark zulegen werden aber auch die Brigittenau, Favoriten, die Leopoldstadt und Liesing.

Von den Bezirken innerhalb des Gürtels sehen die Statistiken auch noch in Mariahilf, der Josefstadt und Landstraße deutlich Luft nach oben. Es gibt aber auch Bezirke, deren Bevölkerung in den kommenden 20 Jahren schrumpft. Besonders gilt das für die Innere Stadt – dem ersten Bezirk wird bis 2034 ein Minus von elf Prozent bei der Bevölkerungszahl prognostiziert. Was unter anderem auf die negative Geburtenbilanz zurückgeführt wird. Und der Bezirk hat mit 32Prozent den wienweit höchsten Anteil der über 60-Jährigen. Bis 2034 soll er sich sogar noch auf 34Prozent erhöhen. Um rund zwei Prozent soll auch die Bevölkerung von Hietzing schrumpfen. Unter anderem, weil es im Bezirk besonders viele Seniorenheime und das Pflegeheim Lainz gibt, der Altenanteil mit 31 Prozent auch hier recht hoch ist, gibt es auf demografischer Ebene einen Sterbeüberschuss.

IN KÜRZE: WIENER WACHSTUM

Zwei-Millionen-Stadt. Laut einer aktuellen Prognose wird Wien bereits 2029 zwei Millionen Einwohner haben – bisher waren Prognosen vom Jahr 2030 als kritische Marke ausgegangen. Den bisherigen Höchststand erreichte Wien im Jahr 1910 mit 2,08 Millionen Einwohnern. Auch diesen Rekord soll die Bundeshauptstadt knacken – allerdings erst im Jahr 2044. Zu diesem Zeitpunkt rechnen die Statistiker mit rund 2,11 Millionen Einwohnern – wobei die Prognosen in derart weiter Zukunft etwas unscharf werden.

Entwicklung der Bezirke: Für den Blick in die Zukunft haben die Statistiker bis auf Bezirks- und Grätzelebene Daten zusammengetragen und analysiert. Dabei zeigt sich, dass vor allem die Donaustadt boomen wird, was nicht zuletzt am neuen Stadtteil Aspern liegt. Bis 2034 werden im 22.Bezirk um ein Drittel mehr Leute leben als derzeit. Die Leopoldstadt, Favoriten, Floridsdorf, Mariahilf oder die Brigittenau gehören zu den Boomregionen. Mit Hietzing und der Inneren Stadt gibt es aber auch zwei Bezirke, die schrumpfen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2014)

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