Halbseidene Tricks mit Werbung

Ein Kleinbus erregt Aufmerksamkeit: Ein Bordellbesitzer provoziert mit seinen Bussen Verkehrsstrafen – um möglichst viel Werbung zu machen.
Ein Kleinbus erregt Aufmerksamkeit: Ein Bordellbesitzer provoziert mit seinen Bussen Verkehrsstrafen – um möglichst viel Werbung zu machen.Die Presse
  • Drucken

Ein Wiener Bordell wirbt mit nackten Frauen auf Bussen und nimmt dafür Verkehrsstrafen in Kauf. Es ist nicht das erste Mal, dass rechtliche Grauzonen für Werbung ausgenutzt werden.

Sie haben nichts zu verbergen. Und sie erregen Aufmerksamkeit. Jene spärlich bekleideten Frauen, deren Konterfeis seit Wochen rund um die Wiener Ringstraße zu sehen sind. Mal vor dem Eingang des Wiener Eislaufvereins, dann wieder in der Nähe des Hotels Ritz-Carlton oder beim Café Landtmann. Zu sehen sind sie auf Kleinbussen mit ungarischen Kennzeichen, die an diesen Stellen geparkt sind. Mehrere Tage bis Wochen stehen die Autos dort – und werben hier für den Besuch eines Wiener Bordells.

Sehr zum Ärger von Passanten, die sich von den freizügigen Fotos belästigt fühlen. Allein: Die Polizei kann nach eigenen Angaben nicht viel tun. Denn die Werbung auf den Autos an sich ist nicht verboten. Zwar stehen sie in der Kurzparkzone. Doch riskiert der Besitzer – obwohl er mit Absicht die Kleinbusse dort zu lange stehen lässt – dafür maximal eine Verwaltungsstrafe. Das Gesetz sehe keine andere Handhabe vor. „Zuerst wird am Fahrzeug eine Anzeige hinterlegt, am nächsten Tag legen wir die Klammer an und dann folgt jeden Tag eine weitere Anzeige“, sagt Polizeisprecher Thomas Keiblinger. Strafbetrag: 48 Euro am Tag.

Nur: Bezahlt der Besitzer die offenen Strafen, beginnt das Spiel wieder von vorn. Abgeschleppt werde ein Wagen nämlich erst, wenn er mehrere Wochen in der Kurzparkzone stehe. Für den Bordellbesitzer dürfte die Strategie damit aufgegangen sein. Er hat zwar in den vergangenen Wochen einige tausend Euro an Strafe gezahlt. Doch durch die ungewöhnliche Werbung ist sein Bordell dafür in aller Munde. „Das ist irrsinnig günstige Werbung für ihn“, sagt Keiblinger, „wenn man vergleicht, was eine Anzeige in der Zeitung kostet.“

So argumentiert auch Markus Deutsch vom Fachverband Werbung und Marktkommunikation der Wirtschaftskammer. „Für die Firma ist das eine Traumwerbung.“ Auch wenn er sie selbst als „unangebracht und frauenverachtend“ empfindet, verboten ist sie nicht. Dass Nachahmer die Idee aufgreifen könnten, glaubt er trotzdem nicht. „Andere Firmen würden das nicht machen. Aber bei einem Bordell passt das Halblegale.“

Dass bei Werbung getrickst wird, ist allerdings nicht ganz neu. Immer wieder versuchen Unternehmen, möglichst kostengünstig Aufmerksamkeit zu erhaschen. Oder auch selbst mit Tricks an Werbung zu verdienen. So kamen etwa vor zehn Jahren Wiener Hausbesitzer ins Gerede, die ihre Häuser monatelang hinter Baugerüsten versteckten – ohne dass Arbeiten durchgeführt wurden. Denn mit Gerüstwerbung lässt sich viel Geld machen. Ein Geschäftsmodell, das aber bald abgedreht wurde. Mittlerweile müssen Werbeflächen auf Gerüsten von der Stadt Wien genehmigt werden. Und ein Okay gibt es nur, wenn tatsächlich am Haus gearbeitet wird.

Illegale Projektionen.
Trotzdem werden auch heute manche Vorschriften noch nicht so genau genommen. Etwa bei Lichtprojektionen, wenn Werbung auf Häuser oder Böden projiziert wird. Das ist auf öffentliche Gebäude genehmigungspflichtig. Ebenso wenn das eigene Haus bestrahlt wird, sich der Beamer aber im öffentlichen Bereich, etwa auf einem Gehsteig, befindet. Aber Übertretungen kommen immer wieder vor, heißt es knapp aus der MA46. Die Strafen dafür dürften auch in diesem Fall in keinem Vergleich zum Werbewert stehen – wenn man nicht gleich dabei erwischt wird.

Quasi fast von der Bildfläche verschwunden ist dafür die Wildplakatszene, die vor einigen Jahren in Wien für Wirbel sorgte. „Damals gab es einige Gruppen, die teilweise in Konkurrenz miteinander standen“, erzählt Karl Javurek, CEO von Österreichs größtem Plakatwandunternehmen Gewista und Vizepräsident des internationalen Plakatunternehmer-Verbandes Fepe. Mit der Konsequenz, dass ein Plakat oft nur eine Stunde hing, um danach von der Konkurrenz überklebt zu werden. Rund 200.000 illegale Stellen zählte Wien laut Gewista damals.

Um den Wildwuchs einzudämmen, entwickelte die Gewista ein Konzept, in dem die Wildplakatszene quasi in die Firma integriert wurde. 5000 Halbschalen wurden dafür etwa auf Masten montiert. Auf ihnen können Veranstaltungen und Konzerte beworben werden. Zwar kostete das Aufhängen eines Plakats hier etwas, dafür hängen die Plakate aber auch länger. Und das Angebot wird von den Veranstaltern genützt. Heute, sagt Javurek, sei die Wildplakatiererei zu 98 Prozent eingedämmt.

Was nichts daran ändert, dass in Wien (und im Rest Österreichs) nach wie vor überdurchschnittlich viele Plakate hängen. Mehr als in London oder sonst wo in Europa. Das hat historische Gründe. So wurden etwa Plakate verwendet, um vom Krieg zerbombte Häuser zu kaschieren, ebenso Baulücken oder Sportplätze. Trotzdem geht die Zahl der Plakatwände zurück. „In den vergangenen zehn Jahren um 50 Prozent“, sagt Javurek. „Österreich hatte davor ein Überangebot.“ Mittlerweile werden nur mehr Wände stehen gelassen, die – durch Messungen nachgewiesen – eine Wirkung haben. Die Wandplätze sind dadurch weniger, aber teurer geworden. Dafür verspricht man den Werbekunden, dass ihre Botschaften auch wirklich gesehen werden. Allerdings: Weniger wird die Werbung in der Stadt deswegen nicht. Denn mit City-Light-Flächen oder Rolling-Boards wurden neue Formate entwickelt und ausgebaut.

Bordellbus

Ein Bordellbesitzer in Wien wirbt mit Fotos von nackten Frauen auf Kleinbussen für sein Etablissement. Das verärgert Passanten und Anrainer, die sich von den Bildern gestört fühlen. Die Polizei ist gegenüber der Aktion aber machtlos. Die Autos werden grundsätzlich in Kurzparkzonen abgestellt. Ein längeres Stehenbleiben wird mit einer Strafe von 48 Euro am Tag geahndet – nicht mit Abschleppen. Das Auto wird nur mit einer Klammer fixiert, damit es nicht wegfahren kann. Was wohl ganz im Sinn des Bordellbetreibers sein dürfte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.