Prostitution: Hinterzimmer statt Straßenstrich

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Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Gesetze und Bürgerinitiativen verdrängten den Großteil der einst 300 Prostituierten vom Gehsteig in die Hinterzimmer der Bordelle. Ein Sicherheitsrisiko, meinen Szenekenner.

Wien. Vom Straßenstrich ist nichts zu sehen. Ein tristes Stück Stadt sind die Einzingergasse und die Autokaderstraße in Wien-Floridsdorf aber auch so. Gewerbegebäude, ein verwaister Würstelstand, vereinzelt kommen Mitarbeiter aus den Betrieben, machen sich eilig auf den Weg zur Schnellbahn. Ein Auto fährt langsam vorbei, der junge Mann lässt die Fensterscheibe herunter. Und fragt nach dem Weg.

Frauen stehen hier nun aber nicht mehr auf der Straße. Erst wenn es dunkel ist, werden sie hier am Rand des Autobahnzubringers und im Industriegebiet in Stellung gehen und auf Freier warten. Vor 22 und nach sechs Uhr früh ist Straßenprostitution seit vergangenem Montag auch in Floridsdorf verboten, die entsprechende Verordnung der Polizei ist am 1.September in Kraft getreten.

Das soll die wenigen Anrainer und Passanten schützen, denn zuvor, seit sich der Straßenstrich nach Floridsdorf verlagert hat, sei es immer wieder zu einer Belästigung von Passanten gekommen. So heißt es im Bezirk, der die zeitliche Einschränkung beantragt hat. Der Straßenstrich entlang der Einzingergasse, des Autobahnzubringers zwischen Prager Straße und Donauuferautobahn, hat in Floridsdorf seit Monaten für Unmut gesorgt: Die Bürgerliste Wiff (Wir für Floridsdorf) hat beispielsweise mehr als 7000 Unterschriften gegen Straßenprostitution im Bezirk gesammelt.

Strenges Gesetz

Die nunmehrige zeitliche Einschränkung geht den Kritikern aber nicht weit genug: „Es hat sich ja nur die Uhrzeit verändert, grundsätzlich bringt das wenig“, sagt Hans Jörg Schimanek, Bezirksrat der Liste Wiff. Vereinzelt seien nach wie vor Frauen deutlich vor der erlaubten Uhrzeit auf der Straße, sagt er. Und er will dafür eintreten, dass die Prostitution gänzlich von der Straße verbannt wird und in Wien nur mehr in Bordellen, Laufhäusern und Saunaklubs stattfinden soll.

Dabei geht die Entwicklung bei käuflichem Sex in Wien ohnehin seit Jahren in diese Richtung. Seit 1.November 2011, seit das Wiener Prostitutionsgesetz die Straßenprostitution in Gewerbe- und Industriegebiete verbannt hat, sind die (eindeutig als Prostituierte erkennbaren) Frauen weitgehend von den Straßen verschwunden.

Nur zehn Prozent geblieben

De facto stehen Prostituierte heute nur mehr in der Brunner Straße in Liesing und in der Einzingergasse/Autokaderstraße in Floridsdorf. In der Leopoldstadt und in Liesing ist die Straßenprostitution tagsüber schon seit vorigem Jahr verboten. Während vor zwei, drei Jahren noch stets 200 bis 300 Straßenprostituierte in Wien um Freier geworben haben, seien an beiden Standorten heute nur mehr maximal 30 Frauen unterwegs, heißt es von der Meldestelle für Prostitutionsangelegenheiten der Wiener Polizei. In Floridsdorf haben die Mitarbeiterinnen des Vereins Lefö, der Migrantinnen und Opfer von Frauenhandel berät, zuletzt stets acht bis 15 Frauen gezählt.

Allerdings heißt das nicht, dass sämtliche Sexarbeiterinnen in Bordelle oder Wohnungen ausgewichen sind: Ein Teil, so warnen Sozialarbeiterinnen, arbeite heute eben verdeckt. Sie sind also nicht mehr durch ihre typisch aufreizende Kleidung eindeutig erkennbar, und sie sprechen potenzielle Kunden direkt an, sind zum Beispiel abends in der Wiener Innenstadt oder in Hotelbars unterwegs, statt an Straßenrändern zu stehen. Kritiker haben davor gewarnt, den Straßenstrich zu verbannen, das könnte Frauen in die illegale Wohnungsprostitution drängen.

Wolfgang Langer von der Meldestelle für Prostitution der Polizei wertet die Entwicklung seit dem neuen Gesetz aber als Erfolg. Indoor, also in Gebäuden, zu arbeiten sei für die Frauen sicherer und hygienischer. Und auch die zuständige Stadträtin, Sandra Frauenberger (SPÖ), zieht eine positive Bilanz und betont vor allem die Sicherheit. „Sicherer? Nein, sicherer ist das Arbeiten für die Frauen nicht geworden“, sagt Renate Blum vom Verein Lefö.

Kontakt zu Frauen verloren

Es gebe viele Frauen, die es bevorzugten, auf der Straße zu arbeiten. Und, je versteckter Prostitution geschieht – illegal in Wohnungen, versteckt in Industrievierteln –, desto gefährdeter seien die Frauen. Seit sie von den Straßen verschwinden, hätten die Streetworkerinnen auch den Kontakt zu vielen Frauen verloren. Blum vermutet, dass einige nun in Laufhäusern arbeiten oder ins Ausland gegangen sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2014)

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