Wenn Bürger mitreden dürfen

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Die Wiener Stadtregierung versucht immer öfter, die Bewohner in Entscheidungen einzubinden. Von echter Mitsprache ist man aber noch weit entfernt.

Wien. In der ehemaligen Sargfabrik, dem neuen Kulturzentrum Liesings, wird an diesem Abend heftig diskutiert. Bewohner des Bezirks treffen auf Lokalpolitiker, Stadtplaner und TU-Studenten und debattieren die künftige Entwicklung ihres Bezirks. Seit Montag läuft in Liesing die Perspektivenwerkstatt, bei der die stadtplanerische Zukunft des Bezirks festgelegt werden soll. „Das ist ein wirklich spannender Weg“, sagt TU-Professor Rudolf Scheuvens. Er hat ähnliche Prozesse schon in Deutschland organisiert. Vergangenes Jahr hat die TU gemeinsam mit der Stadtplanung so etwas in der Donaustadt, im 22.Bezirk, durchgeführt.

Expeditionen in Liesing

Diese Woche war also Liesing dran. Jeden Tag gab es „Expeditionen“, bei denen ein Studententeam der TU (Abteilung Raumplanung) mit interessierten Bürgern per Rad oder zu Fuß stadtplanerisch wichtige Orte aufsuchte. Am Abend gab es dann, wie erwähnt, die Diskussion in der Sargfabrik. „Durchaus auch kontroversiell“, sagt Scheuvens, der sich über das große Interesse an der „Perspektivenwerkstatt“ freut. Initiator: die Stadtplanung Wien (MA 21), die dem Stadtplanungsressort von Maria Vassilakou untersteht.

Grundsätzlich scheint Wien, was Bürgerbeteiligung betrifft, derzeit ein Dorado zu sein. Denn neben der aktuellen Initiative in Liesing, deren Ergebnisse bis Jahresende vorliegen sollen, gibt es eine Reihe weiterer Projekte. Seit einigen Monaten laufen etwa die Vorbereitungen für einen „Masterplan Partizipation“. Dieser soll ein Regelwerk sein, wie Bürgerbeteiligung abläuft. Durchgeführt wird dies von einem Team rund um die Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer. Im Frühjahr gab es dazu einige Workshops, bei denen Bürger ihre Ideen einbringen konnten. Im Herbst soll der Masterplan fertig sein. Ziel sei es, so die grüne Verkehrsstadträtin und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou euphorisch, den Dialog zwischen Stadt und Bürgern zu verbessern. Vassilakou ist in ihrem Ressort übrigens auch für die Bürgerbeteiligung verantwortlich und betont daher auch bei fast jeder Gelegenheit, die Bürger verstärkt einbinden zu wollen.

So weit die eine Seite. Dass die Realität oft anders aussieht und dass Beteiligungsverfahren ihre engen Grenzen haben, davon wissen viele Bürgerinitiativen ein Lied zu singen. So hat die Opposition den Masterplan Partizipation bereits mit Häme bedacht: Bei den Bürgerdebatten um die Mariahilfer Straße seien keine der hehren Vorstellungen und Regeln angewendet worden, die Vassilakou jetzt vorschwebten, sagt VP-Chef Juraczka.

Auch im Rahmen der gegenwärtig laufenden Perspektivenwerkstatt Liesing herrscht bei einigen Bewohnern Unmut. Der Grund: Zwar werden in der Broschüre der Stadtplaner alle aktuell zu diskutierenden Problemfelder in Liesing angeführt, also jene Bereiche, über die die Bürger reden und ihre Ideen einbringen sollen. Bei einigen dieser Projekte heißt es allerdings lapidar: Vor Baubeginn. „Das ist eine Chuzpe“, sagt ein Liesinger, „wenn man über ein Projekt diskutieren soll, das ohnehin nicht mehr möglich ist, weil der Bauträger seinen Willen schon durchgesetzt hat.“ Scheuvens sagt dazu: „Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir nicht überall bei null anfangen. Da gibt es einige Projekte, die schon vorentschieden sind. Aber bei anderen Standorten kann man noch vieles mitreden.“

Allheilmittel Partizipation?

Das Problem, dass viele Bürger überzeugt sind, trotz aller städtischer Avancen nur Randthemen entscheiden zu können, sieht auch Philipp Müller, der an der Business School der Universität Salzburg unterrichtet. „Prinzipiell ist Beteiligung ein wichtiges Instrument, um die Stadt besser zu machen. Aber man muss sie intelligent einsetzen, damit die Bürger sich nicht verarscht fühlen,“ sagt Müller zur „Presse“. Müller war diese Woche Teilnehmer einer Tagung im Rathaus zum Thema „Allheilmittel Partizipation?“.

Dabei wurde auch über das Bürgerbeteiligungsverfahren Nordbahnhof berichtet. Ein Verfahren, das großen Zuspruch hatte und Zufriedenheit der Bürger hervorrief. Wichtig war dabei die frühzeitige Einbindung der Bevölkerung. Aber auch hier wurden sogenannte „Leitplanken“ definiert, innerhalb derer diskutiert werden kann. Partizipation light, sozusagen.

AUF EINEN BLICK

Partizipation. Die Wiener Stadtregierung will die Bürger mehr in die Stadtplanung einbinden. So wie schon in der Donaustadt wurde jetzt in Liesing im Rahmen der Perspektivenwerkstatt über die Zukunft des Bezirks diskutiert. Zudem ist derzeit ein Masterplan Partizipation in Ausarbeitung. Die Mitsprache hält sich allerdings in Grenzen. Bei so manchen Bauprojekten wird Anrainern in Bürgerinitiativen nur geringe Beteiligung eingeräumt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2014)

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