Die Verjüngung des Mittagstischs

Mr. & Mrs. Feelgood
Mr. & Mrs. Feelgood(c) Stanislav Jenis
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Die Frühstückslokale haben Konkurrenz bekommen. In Wien eröffnen derzeit auffallend viele, kleine Mittagslokale, die auf gesunde Küche und familiäre Atmosphäre setzen.

Wien. Sie sind jung, farbenfroh, fröhlich, gut und gesund. Und sie bieten weder Wiener Schnitzel mit Pommes frites noch Eiernockerln, sondern viel eher marokkanisches Hülsenfrüchte-Curry mit Basmatireis, Chili Sin Carne oder gebratene Polenta mit Zucchini-Erbsen-Sauce. Während Wien vor ein paar Jahren die Frühstückslokale entdeckt hat, eröffnen dieser Tage verdächtig viele kleine Lokale, die sich auf das Mittagsgeschäft spezialisiert haben.

Egal, ob vegetarisch, vegan, Rohkost, besonders gesund, bio, mediterran oder angloamerikanisch angehaucht, sie alle haben ein paar Gemeinsamkeiten: Die neuen Mittagslokale werden vorrangig von jungen Frauen betrieben, die immer schon einmal ein kleines nettes Lokal betreiben wollten und sich nun eben trauen, denen es wichtig ist zu wissen, woher die Zutaten kommen, die den Stempel „Hausgemacht“ alles andere als verstecken und die ihre Türen – immerhin haben sie auch ein Privatleben – vor Einbruch der Dunkelheit schließen.

Superfoods und Nachbarschaft

Nahe der TU haben etwa die Ernährungstrainerin Pia Ahorner und der Gastronom Josef Pungersek ein buntes Lokal namens Mr. & Mrs. Feelgood eröffnet. Der Name ist Programm, in dem kleinen Lokal wird Wert auf gesunde, gern auch laktose- und glutenfreie sowie vegane Ernährung gelegt. „Es gibt so viele gesunde Nahrungsmittel, wie Chiasamen, Makawurzeln oder Guarana, sogenannte Superfoods, die verwenden wir auch“, so Ahorner, die selbst an einer Laktoseunverträglichkeit leidet und ein gesundes Mittagslokal in Wien vermisst hat. „Es läuft überraschend gut. Obwohl die Studenten noch Ferien haben, ist zu Mittag sehr viel los“, sagt Pungersek.

Auch Valentina Resnitschek, die in der Florianigasse in Wien Josefstadt das Little Lunch eröffnet hat, berichtet von einer Nachbarschaft, die sie positiv aufgenommen hat. „Ich hatte immer den romantischen Wunsch vom eigenen, kleinen Lokal, jetzt hat es sich ergeben, und das Little Lunch wird gut angenommen“, sagt sie. Ihre Gäste schätzen es, dass sie allein und in kleinem Rahmen – „wie für Freund und Familie“ – kocht und dass sie nach dem gesunden Mittagessen „normal weiterarbeiten können, ohne gleich müde zu werden“.

Generell dürften die neuen Mittagslokale auch stark in die Nachbarschaft, also das Grätzel rundherum, integriert sein. Wencke Pond, die das Gedöhns in der Löwengasse im dritten Bezirk betreibt – ebenfalls ein Minilokal mit gerade einmal vier Tischen –, berichtete bereits kurz nach der Eröffnung von einer unglaublich netten Nachbarschaft, die frisches Obst aus Omas Garten vorbeibringt und nicht nur zum Essen, sondern viel mehr zum Plaudern kommt.

Belebung der Vorstadt

Ähnlich funktioniert das beim Lokal Anna & Jagetsberger, das von Anna Pawlik und Manuel Jagetsberger, die zuvor das Vikerl's Lokal in Rudolfsheim-Fünfhaus geführt haben, betrieben wird. Anstatt einen hippen Platz in Wien Neubau zu suchen, haben sich die beiden erneut für die Vorstadt, genau genommen für Breitensee, entschieden. Auch hier kennt man sich und schätzt die familiäre Atmosphäre.

Noch eine Spur intimer ist es bei Eschi Fiege, die unter dem Motto Lovekitchen Freunde und Freundes Freunde mittags in ihrer Wohnung am Wr. Naschmarkt bekocht. „Die Leute schätzen das sehr. Viele sagen, es sei wie eine kleine Auszeit, ein Kurzurlaub. Gerade in unserer schnellen Zeit, muss man sich Pausen gönnen“, sagt Fiege, die soeben ein Kochbuch mit ihren Mittagstischrezepten herausgebracht hat. Auch der Blog Stadtspionin, der Wienerinnen mit neuen Tipps versorgt, widmet sein jüngstes Buch dem Mittagessen.

Seinen Ausgang hat der Trend eigentlich mit den ersten Suppenküchen, etwa dem Soupkultur in der Wipplingerstraße, genommen. Damals ging es allerdings eher darum, die Menschen, die in den umliegenden Büros arbeiten, schnell – und gern in der Take-away-Variante – zu versorgen. Schnell muss es nach wie vor gehen, aber mittlerweile darf es gern auch ein bisschen persönlicher, heimeliger familiärer oder auch einfach spezieller sein. Das reicht vom Allergiker-Café auf der Wiedner Hauptstraße über das Rohkostrestaurant Superfoods in der Neubaugasse bis zur schicken Bastei 10 von Marco Simonis, der in der Innenstadt eine Mischung aus Café, Delikatessen- und Designgeschäft eröffnet hat. Hauptsache jung, freundlich, bunt und gut.

ADRESSEN

Mr. & Mrs. Feelgood: Paniglgasse 22, 1040 Wien, Mo–Fr: 8–18, Sa: 9–15 Uhr, www.mrandmrsfeelgood.at

Little Lunch: Florianig. 5, 1080 Wien, Mo–Fr: 11–16 Uhr, ✆ 01/402 46 72

Essenti: Servitengasse 5, 1090 Wien, Mo–Fr: 11–18 Uhr, www.essenti.at

Gedöhns: Löwengasse 42, 1030 Wien, Mo–Fr: 11–22 Uhr, ✆ 0676/413 29 03

Anna & Jagetsberger: Breitenseerstraße 40,1140 Wien, Di–Fr: 11–20, Sa: 10–16 Uhr, www.anna-jagetsberger.at

Bastei 10: Dominikanerbastei 10, 1010 Wien, Mo–Fr: 8–20h, marcosimonis.com

Hidden Kitchen: Färberg. 3, 1010 Wien, Mo–Fr: 10–16 Uhr, www.hiddenkitchen.at

Eschi Fiege's Lovekitchen: www.lovekitchen.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2014)

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