Prozess: Hooligan-Sturm auf Kirchweger-Haus

Ziel des Angriffs rechtsgerichteter Hooligans: Das Kirchweger-Haus in Favoriten.
Ziel des Angriffs rechtsgerichteter Hooligans: Das Kirchweger-Haus in Favoriten.(c) APA
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Hausfriedensbruch, schwere Körperverletzung: Fortsetzung der Verhandlung gegen Austria-Fans, die das Ernst-Kirchweger-Haus stürmten. Indes wurden Rapid-Fans freigesprochen.

Wien. Sieben Fans des Fußballklubs FK Austria Wien – Männer im Alter zwischen 27 und 39, die dem für seine rechtsextremen Parolen bekannten Fanklub „Unsterblich“ zugerechnet werden, standen am Dienstag in Wien vor Gericht. Begonnen hatte die unter großem Publikumsinteresse stattfindende Verhandlung bereits vorige Woche, ehe sie vertagt wurde. Gegenstand ist der Angriff auf das Ernst-Kirchweger-Haus in Wien-Favoriten vom 27. Oktober 2013.

Dabei drang eine Gruppe von Austria-Fans (über deren Anzahl gibt es stark schwankende Zeugenaussagen) in das Gebäude ein. Ein dort anwesender Mann wurde scher verletzt. Aus den Reihen der Austria-Fans wurden sieben Männer ausgeforscht. Sie sind nun des Hausfriedensbruchs angeklagt. Einer muss nunmehr auch schwere Körperverletzung verantworten.

Weil Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter ursprünglich von einer nicht schweren Verletzung des Opfers aus dem Kirchweger-Haus ausging, ein gerichtsmedizinisches Gutachten nun aber sehr wohl eine schwere Verletzung feststellt, wurde die Anklage am Dienstag dementsprechend erweitert.

Aber auch zwei Funktionäre der kommunistischen Gewerkschaft Komintern, die an diesem Tag eine Konferenz im Kirchweger-Haus abgehalten hatte, saßen nun auf der Anklagebank. Es handelt sich um einen 43-jährigen Philosophen und um einen 30-jährigen Lastwagenfahrer. Sie sollen jenen Angreifer, dem nun schwere Körperverletzung zur Last liegt, durch Schläge verletzt haben.
Am Tattag fand zudem ein Frühstück des türkisch-kurdischen Kulturvereins ATIGF statt. Ein Aktivist dieses Vereins berichtete am Dienstag als Zeuge von 40 Männern, die das Kirchweger-Haus gestürmt hätten. Ein Teilnehmer der Gewerkschaftsversammlung nahm dagegen nur „sechs bis sieben Personen“ wahr.

Verfassungsschützer halten den – mittlerweile vom FK Austria verbannten – Fanklub „Unsterblich“ schon länger unter Beobachtung. Zumindest im Umfeld dieses Klubs soll es wiederholt zu neonazistischen Umtrieben gekommen sein. Insofern muss sich der Staatsanwalt nun vor allem von linken Gruppen Kritik gefallen lassen, die auf eine Anklage wegen NS-Wiederbetätigung drängen. Die Urteile könnten heute, Mittwoch, ergehen.

Freisprüche im Rapid-Prozess

Da zeitgleich zum Prozess gegen Austria-Fans auch die Fortsetzung der Landfriedensbruch-Verhandlung gegen 23 Rapid-Fans stattfand (Zusammenstöße mit der Polizei nach einem gemeinsamen Fest von Rapid- und 1. FC Nürnberg-Fans), kam es im Grauen Haus zu einer einzigartigen Konstellation: Anhänger der beiden Wiener Großklubs, die ja bekanntlich Erzrivalen sind, kamen einander ziemlich nahe; die Prozesse fanden wenigstens in unterschiedlichen Stockwerken statt. Reibereien – etwa im Gerichts-Buffet – blieben aber aus.

Indes hielt die umstrittene Anklage wegen Landfriedensbruches (Staatsanwältin: Stefanie Schön) bei drei Beschuldigten nicht stand. Das Trio (Verteidigung: Manfred Arthofer) wurde rechtskräftig freigesprochen. Richterin Michaela Röggla-Weiss meinte, dass sich die für die Erfüllung des Tatbestandes erforderliche Wissentlichkeit nicht habe beweisen lassen. Zur Erklärung: Landfriedensbruch begeht nur, wer weiß, welche – gewalttätigen – Ziele die Menschenmenge, der er sich anschließt, verfolgt.

Bemerkenswert: Einer der freigesprochenen Männer wurde überhaupt erst angeklagt, nachdem er den Behörden von sich aus angeboten hatte, als Zeuge zu fungieren. Das Resultat: Aus seiner damaligen Anwesenheit am Ort des Geschehens wurde ihm ein Vorwurf gemacht, eine Landfriedensbruch-Anklage wurde geschrieben. Ein weiterer der nun Freigesprochenen saß bereits 14 Tage in U-Haft. Er wird nun, wie sein Anwalt der "Presse" mitteilte, umgehend Haftentschädigung begehren. 

Ein vierter Mann erhielt einen (nicht rechtskräftigen) Schuldspruch. Er bekam vier Monate bedingte Haft. Für die verbliebenen 19 Beschuldigten wird der Prozess fortgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2014)

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