Naschmarkt: Die Leiden der Fleischer

Naschmarkt
Naschmarkt(c) Stanislav Jenis
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Zu viele Touristen, zu wenig Kunden: Händler auf dem Wiener Traditionsmarkt haben Probleme. Nun stand das Fleisch im Fokus.

Wien. Kein Schweinefleisch mehr auf dem Naschmarkt – diese Befürchtung stand in den vergangenen Tagen im Raum. Denn mit 1. September sperrte die Filiale des Fleischereibetriebs Radatz auf dem Wiener Traditionsmarkt. Damit hatte der letzte österreichische Fleischer seine Türen geschlossen. Die vier verbliebenen Fleischer werden von türkischen Betreibern geführt und bieten kein Schweinefleisch an. Doch die Furcht, das Schwein als Vertreter der österreisch-kulinarischen Identität zu verlieren, scheint unbegründet. Denn der Radatz-Stand wird neu übernommen – zwar auch von einem Türken, doch will dieser weiterhin auch Schweinefleisch auf dem Naschmarkt anbieten.

„Ich esse selbst gern Schweinefleisch“, sagt Dursun Taskin, der den Stand mit 1.Oktober übernehmen wird. Und er bietet es auch in seinen anderen Lokalen an – Taskin ist auf dem Markt kein Unbekannter, er betreibt unter anderem die Pizzeria La Piazzetta und das asiatische Lokal Asia Time. Er verspricht, dass sich im Vergleich zum Radatz-Angebot nicht allzu viel ändern werde. Zwar soll es einige Neuerungen im Sortiment geben, doch hofft er, dass er auch weiter frische Ware von Radatz selbst anbieten kann. Damit will er einen Spagat schaffen – nämlich einerseits neue Kunden zu gewinnen, andererseits auch die Radatz-Stammkunden zu behalten. Denn diese seien für das neue Geschäft besonders wichtig, glaubt er. Wann die neue Fleischerei eröffnet, ist noch unklar. Auch einen Namen gibt es noch nicht. Klar ist für Taskin nur, dass es neue Mitarbeiter geben wird und dass es „so bald wie möglich“ wieder aufsperren soll.

„Reine Tourismusmeile“

Dass Radatz dem Naschmarkt den Rücken gekehrt hat, begründet das Unternehmen damit, dass es zu wenige Kunden gegeben hat. Das wiederum führt man auf mehrere Faktoren zurück. Da wäre zum einen ein Mangel an Parkplätzen. Und zum anderen jener Vorwurf, der dem Naschmarkt seit geraumer Zeit gemacht wird – zu wenig Markt, zu viel Gastronomie. Und letztlich auch zu viele Touristen. Zwar ist der Anteil der Gastronomie laut Marktordnung auf 33 Prozent beschränkt – darum muss der Radatz-Stand auch weiter ein Lebensmittelgeschäft bleiben –, doch haben Standler das sogenannte Nebenrecht, „Verabreichungsplätze“ zu errichten. So kann etwa ein Gemüsehändler Säfte an Gäste auf Barhockern ausschenken.

Der Naschmarkt sei kein echter Markt mehr, sondern eine reine Tourismusmeile, klagt Claudia Bachmayer, Betreiberin des Geschäfts Zum Gockelhahn. „Ich kämpfe um meine Existenz. Und wenn sich nicht bald etwas ändert, dann werde ich schließen müssen“, meint sie. Erschwerend komme hinzu, dass seit einigen Jahren auf dem Markt umgebaut wird – auch das, meint sie, halte viele potenzielle Kunden ab.

Doch auch die Lokalbetreiber selbst haben ihre Probleme. Chassidof Lasar, der auf dem Naschmarkt unter anderem ein Steakrestaurant und einige Fischlokale betreibt, spricht von einem zunehmenden Umsatzrückgang in seinen Lokalen. Das Publikum war früher viel gemischter, sagt er. Jetzt seien hier vor allem Touristen zu finden – und diese hätten ein anderes Verhalten: weniger kaufen, mehr schauen, und dann auch nicht auf ein Getränk in einem Marktlokal vorbeischauen.

AUF EINEN BLICK

Naschmarkt. Seit 1919 besteht der Naschmarkt in seiner heutigen Form. Mit 66.000 Besuchern pro Woche ist er der meistbesuchte Markt in Wien. (Der Brunnenmarkt kommt mit 60.000 Besuchern an zweiter Stelle.) Trotz der vielen Besucher, viele davon Touristen, beschweren sich die Händler über zu wenig Kundschaft. Zuletzt musste der österreichische Fleischer Radatz seine dortige Filiale sperren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2014)

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