Landfriedensbruch: 23 Schuldsprüche, 6 Freisprüche

Ein Freundschaftsspiel mit Folgen.
Ein Freundschaftsspiel mit Folgen.(c) Gepa
  • Drucken

Das derzeit heftig diskutierte Delikt „Landfriedensbruch“ wurde zuletzt 29 Rapid-Fans vorgeworfen. Die Bilanz: Die meisten Angeklagten bekamen bedingte Haftstrafen.

Wien. Wer sich wissentlich an einer auf Gewalttaten ausgerichteten „Zusammenrottung“ einer Menschenmenge beteiligt, begeht – wenn es tatsächlich zu Gewalttaten kommt – Landfriedensbruch. Dieser von Polizei und Justiz erst vor relativ kurzer Zeit „entdeckte“ Straftatbestand wurde laut einem am Montag im Grauen Haus verkündeten Urteil von 18 Rapid-Fans verwirklicht. Weil diese am 7. September 2013 während eines gemeinsamen Festes von Rapid- und 1. FC-Nürnberg-Fans vor dem Hütteldorfer Hanappi-Stadion in Zusammenstöße mit Ordern und der Polizei verwickelt gewesen waren. Ein Fan wurde freigesprochen. Schon in den Wochen davor gab es fünf Schuld- und fünf Freisprüche.

Zu einem Gutteil ergingen alle Schuldsprüche auch wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt. In einigen Fällen blieb auch Körperverletzung hängen. Die Bandbreite des am Montag von Richterin Michaela Röggla-Weiss verkündeten Urteils reichte von 15 Monaten teilbedingter bis hin zu drei Monaten bedingter Haft. In zwei Fällen wurden zusätzlich Geldstrafen, 3600 und 2400 Euro, verhängt. In den meisten Fällen wurden per Weisung auch österreichweite Stadionverbote in der Dauer von sechs bis zwölf Monaten verhängt. Die Strafen sind großteils aber noch nicht rechtskräftig.

In ihrer Urteilsbegründung ging die Richterin kurz auf jeden Beschuldigten ein. In Einzelfällen führte sie „gewaltbereite Bewegungen in einer Menge“, den „Versuch, über einen Zaun des Stadions zu klettern“ oder sogar „die Mimik“ von Beschuldigten ins Treffen. Also Elemente, die für sich selbst betrachtet nicht unter Strafe stehen, im Rahmen eines laut Anklage (Staatsanwältin Stefanie Schön) vorliegenden Landfriedensbruches nun aber gewertet wurden.

Die Urteilsbegründung hielt auch Kritik an der Polizei bereit. „Es war taktisch unklug, die Wega (Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung, Anm.) zum Einsatz zu bringen“, meinte die Prozessleiterin. Die gröbsten Zusammenstöße hatte es gegeben, da bewaffnete und in Schutzmontur erschienene Einheiten einen Fan festnehmen wollten, der das Kennzeichen eines Polizeiautos abmontiert hatte. Zeugen hatten im Prozess ausgesagt, dass man damals kurz davor gewesen sei, diesen Mann entweder mit Hilfe von Fanbetreuern oder mit Hilfe von szenekundigen Beamten zu schnappen. Der Polizeieinsatz sei weit überzogen gewesen.

Auch Nürnberg-Fans im Visier

Indes steht nun auch 22 Fans des 1. FC Nürnberg eine Strafverfolgung ins Haus. Sie sollen an den Randalen vom 13. September beteiligt gewesen und laut Staatsanwaltschaft Wien ebenfalls Landfriedensbruch begangen haben. Szenekundige deutsche Polizeibeamte waren eigens nach Wien gereist und hatten die nunmehrigen Verdächtigen identifiziert. Dies erklärte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nina Bussek am Montag der Austria Presse Agentur. Das Verfahren gegen die Nürnberg-Fans wurde mittlerweile von Wien an die Staatsanwaltschaft Nürnberg abgetreten.

Nicht immer waren zuletzt bei Anklagen wegen des Delikts Landfriedensbruches auch dementsprechende Verurteilungen ergangen. War der deutsche Demonstrant Josef S. in Folge schwerer Ausschreitungen bei einer Demonstration gegen den in der Hofburg stattfindenden FPÖ-Ball („Akademikerball“) sehr wohl noch wegen dieses Delikts schuldig erkannt und zu einem Jahr teilbedingter Haft erstinstanzlich verurteilt worden, so lief es in einem weiteren „Demo-Prozess“ für die Anklage weniger glatt: Ein 43-jähriger gebürtiger Kurde, der am FPÖ-Ball und auch bei einem Marsch der „Identitären“ auf Polizisten losgegangen sein soll, wurde vom Vorwurf des Landfriedensbruches freigesprochen.

Der Mann bekam zwar sechs Monate Haft auf Bewährung – aber wegen Körperverletzung und Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Für einen Landfriedensbruch, so erklärte der Richter Mitte August dieses Jahres, gebe es „überhaupt keine Anhaltspunkte“. (m. s.).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentare

Heurigenbänke als Waffe gegen den Landfrieden

Warum der Gesetzgeber endlich handeln sollte.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.