Wien: Angst vor Suchtzentrum

Drogenberatungszentrum Schubertgasse 1090 Wien, Bürgerinitiative gegen Suchthilfe Wie
Drogenberatungszentrum Schubertgasse 1090 Wien, Bürgerinitiative gegen Suchthilfe Wie(c) Stanislav Jenis
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Anrainer sind wegen einer Drogenberatungsstelle besorgt. Die Wiener Stadtregierung steht aber hinter der Einrichtung.

Wien. Man möchte meinen, im neunten Bezirk prallen bald Welten aufeinander: da die ruhige Wohngegend, Schulen, Kindergärten, der idyllisch-ruhige Sobieskiplatz. Dort das geplante Drogenzentrum – und mit ihm Angst vor Suchtkranken, Drogenkonsum und möglicherweise Beschaffungskriminalität. „Es entsteht das Bild der Idylle, in die der Wahnsinn einzieht“, sagt Michael Dressel, der Drogenkoordinator der Stadt Wien, und will entwarnen. Er steht in der Nussdorfer Straße 41, an der Ecke, an der am 13. November ein neues Suchthilfezentrum eröffnet werden soll, um die Kontroversen darum etwas zu schlichten. Auch mit Aufklärung, was denn kommt: Auf 126 m sollen dann Drogenkranke beraten werden und ihre Spritzen tauschen. Rund 100 Personen sollen in Summe pro Tag dort ein- und ausgehen.

Der Unmut im Vorfeld ist groß, in den vergangenen Tagen haben sich Anrainer zusammengetan: Sie fühlen sich überrumpelt, fürchten um ihre Sicherheit – und ihr Geschäft. Angelika Killmann etwa betreibt wenige Häuser weiter eine Einrichtung für Kinder mit Lernschwierigkeiten, sie sagt, Eltern hätten sich schon besorgt an sie gewandt. Matthias Peterlik, ein anderer Anrainer, erklärt, er habe Angst, seine Tochter dann allein nach Hause gehen zu lassen. Schließlich gebe es in der Gegend viele Durchgänge und dunkle Ecken, in denen es zu Drogenkonsum oder Beschaffungskriminalität kommen könne. „Unser Argument ist: Das ist nicht der ideale Standort. Man soll zu den Leuten dorthin gehen, wo sie sind. Hier haben wir keine Suchtkranken“, so Peterlik.

Die Anrainer fühlen sich übergangen, kritisieren, vorige Woche von den Plänen erfahren zu haben. Roland Reithofer, Geschäftsführer der Suchthilfe Wien, argumentiert, die Anmietung des ehemaligen Holland Blumen Marks sei erst Ende September zustande gekommen. Die Suchthilfe habe zuvor in ganz Wien ein Jahr lang einen zusätzlichen Standort gesucht. Dass das Zentrum in den Neunten kommt, habe sich kurzfristig ergeben.

„Keine Dämonisierung“

Nun will man bei der Information der Anrainer aufholen. Mit vier Sozialarbeitern, die im Grätzel unterwegs sind, mit einem Informationsabend, einem Tag der offenen Tür oder einer Info-Hotline. Zwei Mitarbeiterinnen stehen am Mittwoch an einem Stehtisch vor dem Geschäftslokal mit den nun mit Anti-Drogen-Parolen beschmierten Scheiben. Passanten kommen, lassen sich das Zentrum erklären. Andere schauen aus der Ferne zu, ein älterer Herr spricht von einem „Ohnmachtsgefühl“.

„Wir wollen den Leuten diese Ängste nehmen, einer Dämonisierung von Suchtkranken entgegenarbeiten“, so Reithofer. Auch, indem sie erklären, was kommt: Eine übersichtliche Einrichtung, „ein Vergleich mit dem Jedmayer ist, als ob man einen Lkw mit einem Tretroller vergleicht“, sagt er. Maximal zehn Klienten sollen sich dort zugleich aufhalten. „Dass es unangenehm ist, diese Menschen, ihr Elend und ihre Armut zu sehen, ist klar“, sagt er. Aber „Suchtkranke sind keine Monster“, versucht auch Dressel zu beruhigen. Vor herumlungernden Süchtigen brauche keiner Angst haben, und wenn es zu Problemen komme, seien Sozialarbeiter und auch die Polizei verstärkt dort unterwegs.

Trotzdem, Gregor Eitler, Chef der ÖVP Alsergrund, will, genauso wie die Bürgerinitiativen, das Zentrum verhindern. In einer Bezirksvertretungssitzung will er die Schließung oder ein Gar-nicht-erst-Eröffnen beantragen. Aber selbst wenn sich der Bezirk darauf verständigen würde, „es wäre nur ein Statement“, sagt Eitler. Er stelle sich auf einen längeren Kampf gegen das Zentrum ein. Auch weil Rot und Grün im Rathaus klar hinter dem neuen Standort stehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2014)

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