Brandstifter-Prozess: Wird Anklage auf Mord ausgeweitet?

Der Angeklagte am Donnerstag vor Prozessbeginn am Wiener Straflandesgericht.
Der Angeklagte am Donnerstag vor Prozessbeginn am Wiener Straflandesgericht.APA/RUDI BLAHA
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Am Donnerstag startete der Prozess gegen den Unternehmensberater Werner C.: Der Mann soll in der Wiener Innenstadt ein Feuer gelegt haben, bei dem eine 24-jährige Nachbarin starb.

Die Hände zittern, der schmale, orange Ordner, den sich Werner C. vor das Gesicht hält, gibt das Beben wieder. Fast rutschen die losen Blätter heraus, eine Beamtin rückt sie zurecht, schaut, dass sein gesenktes Gesicht verdeckt ist. Kurz Mitgefühl für den schmächtigen, unscheinbaren Mann, der da vorgeführt wird, der versucht, sich vor den Blitzen und Kameraaugen zu verstecken. Kurz. Der 45-jährige Wiener soll, so steht es in der Anklageschrift, am Morgen des 16. April 2014 in seiner Mietwohnung in der Marc-Aurel-Straße, aus der er wenige Stunden später delogiert werden sollte, 15 Liter Benzin verschüttet haben. Als er sie anzündete, explodierte das Benzin-Luft-Gemisch. Eine Wand stürzte auf eine 24-jährige Nachbarin, die schlafende Studentin wurde verschüttet, erstickte qualvoll.

Am Donnerstag musste sich C. nun wegen Brandstiftung mit Todesfolge, wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs und schwerer gefährlicher Drohung (in einem Brief an seinen Vermieter) verantworten. Allein, das Schöffengericht erklärte sich am späten Nachmittag für unzuständig. Die Staatsanwaltschaft muss nun prüfen, ob es sich bei dem Delikt nicht doch um Mord gehandelt hat – damit müsste er sich vor Geschworenen verantworten.

„Selten begegnet man Straftaten, die so monströs und vollkommen unverständlich sind, dass man letztlich eingestehen muss, dass sich darin das Böse, das dem Menschen innewohnt, manifestiert“, sagt Staatsanwalt Leopold Bien im Eröffnungsvortrag. Er beschreibt den Selbstständigen als Mann, der seine Finanzen offenbar nicht im Griff hatte. Der seit Ende der 1990er-Jahre mehr als 90 Exekutionsverfahren angesammelt hat. Sein Einkommen als Unternehmensberater lag, so die Angaben vor Gericht, bei 40.000 bis 150.000 Euro im Jahr. Seine Ansprüche, an noblen Adressen auf zumindest 130 m2 zu wohnen, standen im Missverhältnis zu seinen Möglichkeiten, so Bien. Er hatte Schulden von 40.000 Euro, die letzte Delogierung war erst ein halbes Jahr her.



Am 16. April war wieder eine Delogierung angesetzt. Wenige Stunden davor soll C. versucht haben, die Wohnung in einem Brand zu vernichten. Stattdessen kam es zu einer massiven Detonation, „Es hat ausgeschaut wie im Krieg“, schildert ein Polizist. C. wurde leicht verletzt, verließ den Ort der Detonation aber einfach. Acht Mieter erlitten Rauchgasvergiftungen. Vor allem aber wurde Alexandra R. getötet. Die Akademikerin – sie und der Angeklagte kannten sich flüchtig – wurde erdrückt und erstickte schließlich qualvoll, wie es Anwältin Alexia Stuefer ausführt, die die Eltern der Studentin als Privatbeteiligte vertritt.

Stuefer hält dem Angeklagten Fotos der jungen Frau vor. Und sie lässt die vom Staatsanwalt angedeutete Unwissenheit über die Schwere der Detonation nicht gelten. Der 45-Jährige habe laut Gutachten keinerlei psychische Störung, ist schuldfähig. Der HTL-Absolvent und Techniker müsste genau gewusst haben, wozu 15 Liter Benzin führen, sagt sie und bescheinigt ein „eiskaltes Vorgehen“. Auch der Schöffensenat kam schließlich zur Ansicht, dass der dringende Verdacht bestehe, dass es der Angeklagte für möglich gehalten habe, dass bei der Brandstiftung Menschen zu Tode kommen. Damit müsse der Fall vor einem Schwurgericht verhandelt werden.

Angeklagter sieht sich als Opfer

Der Angeklagte selbst aber streitet jede Beteiligung ab. Er hört lang unbewegt zu, spricht dann von „tiefem Entsetzen“ und bekennt sich nicht schuldig. Er sieht sich selbst als Opfer eines Brandanschlags. Er sei frühmorgens von seiner „Hunde-Runde“ zurückgekommen, als „die Explosion losging“. Er bestätigt Protokolle, bleibt darüber hinaus aber wortkarg, korrigiert nur Details. Fragen beantwortet er kaum. Wie er sich die Explosion erklärt? Jemand müsse in die Wohnung eingedrungen sein. Wer, das könne er nicht sagen. Sofort weggegangen sei er, weil er unter Schock stand. Seinen Suizidversuch wollte er nicht als Schuldgeständnis gelten lassen.

(cim)

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