"Tag der Genugtuung": Deserteursdenkmal in Wien eröffnet

APA/GEORG HOCHMUTH
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Dass Wehrmachtsdeserteure lange als Verräter galten, sei "etwas, wofür man sich entschuldigen und schämen muss", sagte Bundespräsident Fischer am Ballhausplatz.

Das Wiener Denkmal für Wehrmachtsdeserteure am Ballhausplatz ist am Freitag offiziell eröffnet worden. Das Mahnmal ist den Verfolgten der NS-Militärjustiz gewidmet. "Jeder soll wissen, dass es ehrenhaft ist, in der Auseinandersetzung mit einer brutalen und menschenverachtenden Diktatur seinem Gewissen zu folgen und auf der richtigen Seite zu stehen", sagte Bundespräsident Heinz Fischer.

Dass Wehrmachtsdeserteure viele Jahrzehnte als Verräter angesehen wurden, sei "traurig, das ist etwas, wofür man sich entschuldigen und schämen muss". Die heutige gemeinsame Würdigung "ist ein wichtiger und richtiger Schritt", sagte Fischer. "Die Desertion aus der Wehrmacht ist immer eine Friedenstat, dafür gebührt allen, die desertiert sind, unser Dank", betonte auch der Klubobmann der Rathaus-Grünen, David Ellensohn. Das Denkmal sei "an einem der zentralsten Plätze der Republik" aufgestellt worden - "ein idealer Platz als Ausgangspunkt für zivilen Ungehorsam".

Deserteur Richard Wadani: "Tag der Genugtuung"

Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) betonte, dass die Deserteure Teil des antifaschistischen und antinationalsozialistischen Widerstands gewesen seien und bedankte sich beim Deserteur Richard Wadani, der sich mit "großer Sturheit" für das Denkmal eingesetzt habe. "Für mich ist der heutige Tag nicht nur erfreulich, sondern auch ein Tag der Genugtuung", sagte Wadani. Seine vor 70 Jahren getroffene Entscheidung zu desertieren, sei nicht von heute auf morgen gekommen, sondern ihm sei "vollkommen klar" gewesen, "dass man für dieses Regime nicht kämpfen kann".

Autorin Kathrin Röggla erinnerte in ihrer Festrede daran, "dass die Entscheidung zu desertieren nicht alleine das eigene Leben aufs Spiel setzt, sondern noch Generationen später in emotionale Schieflagen bringen kann". Der Bundesvorsitzende der Freiheitskämpfer/innen Johannes Schwantner begrüßte das Mahnmal in einer Aussendung als "wichtigen Schritt zur Würdigung jener Menschen, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, weil sie sich weigerten, sich zum Werkzeug des mörderischen NS-Regimes machen zu lassen".

Mehr als 30.000 Todesurteile

Die nationalsozialistische Militärjustiz verhängte während des Zweiten Weltkriegs mehr als 30.000 Todesurteile. Die meisten ergingen gegen Deserteure und sogenannte Wehrkraftzersetzer.

220.000 Euro stellte die Stadt für das im rot-grünen Koalitionspapier verankerte Denkmal zur Verfügung. Es besteht aus einer begehbaren dreistufigen Treppenskulptur, die ein rund zehn mal neun Meter großes liegendes X darstellt. In die Oberfläche wurde eine Inschrift eingelassen, die aus den Worten "all" und "alone" besteht und ein Gedicht des schottischen Lyrikers Ian Hamilton Finlay zitiert. Damit soll auf den Widerstand des Einzelnen gegen die Masse verwiesen werden.

Für die Gestaltung des Denkmals zeichnete der Künstler Olaf Nicolai verantwortlich. Umgesetzt wurde das Vorhaben von der Initiative "Kunst im Öffentlichen Raum" (KÖR). Die ursprüngliche Überlegung, das Denkmal blau zu lackieren, wurde wieder verworfen, stattdessen wurde die Farbe in den Beton gemischt. Das erinnert laut KÖR an ein "verwaschenes Jeansblau", eine Farbe, mit der der Künstler den Romanhelden aus Ulrich Plenzdorfs "Die neuen Leiden des jungen W." assoziiert - ein Aussteiger, der sich verweigert.

Anmerkung der Redaktion

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(APA)

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