Bestattung: Wiens Gräber bleiben leer

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Auf Wiener Friedhöfen liegen Gräber zunehmend brach. Weil Familien kleiner werden, weniger Wert auf die eigene Grabstätte gelegt wird und Feuerbestattungen zunehmen.

Wien. Wiens Friedhöfe werden leerer. Gräber werden aufgelassen, liegen brach, verwildern. Während einst Gräber Jahre im Voraus angemietet wurden, um auch sicher am Wunschfriedhof bestattet zu werden, wäre nun auf jedem städtischen Friedhof spontan Platz. Seit Jahren werden dort sukzessive weniger Menschen begraben.

„Die Vergabe ist leicht rückläufig“, sagt Florian Keusch von der Bestattung Wien. Obwohl in Wien seit rund zehn Jahren konstant rund 16.000 Menschen pro Jahr sterben. Den Rückgang erklärt Keusch zum einen damit, dass es mehr Feuerbestattungen gibt. Zum anderen gibt es pro Familie nicht mehr drei oder vier Gräber, sondern nur noch ein gemeinsames Grab. „Das liegt natürlich daran, dass die Familien immer kleiner werden.“ Aber auch daran, dass es den Leuten nicht mehr so wichtig sei, wie sie bestattet werden, so Keusch. Wie lange ein Grab erhalten wird, das habe sich nicht verändert – gesetzlich vorgeschrieben sind zehn Jahre, danach kann um je zehn Jahre verlängert werden. Manche Gräber werden nach zehn Jahren aufgelassen, andere bleiben über Jahrzehnte in einer Familie.

Dass das Entgelt für die Gräber auf den städtischen Friedhöfen zuletzt deutlich angehoben wurde – zuerst 2008, dann 2011 abermals – sei aber kein Grund für die Tendenz zu weniger Gräbern, die sei schon länger zu beobachten ist. 2008 wurden die Entgelte teils um mehr als 90 Prozent angehoben, schließlich habe es zuvor teils seit Jahrzehnten keine Inflationsanpassung gegeben. Erwirbt man derzeit in Wien ein neues Erdsarggrab, kostet das pro Jahr 25 bis 76 Euro. Erdsarggräber mit Deckplatte schlagen mit 121 bis 167 Euro zu Buche, ein Erdurnengrab kostet 25 bis 52 Euro. Die Preise sind je nach Lage gestaffelt – denn auf Wiens Friedhöfen herrscht quasi freie Platzwahl. Nahe am Tor oder in besonderer Lage ist es teurer.

Diese Wünsche an die Lage – und dass Wiens Friedhöfe praktisch jedem zur Verfügung stehen – gehen so weit, dass immer wieder Anfragen aus Japan an die Bestattung Wien herangetragen werden, ob es noch Plätze in der Nähe bekannter Grabstätten wie jener Beethovens gebe. Ein japanischer Unternehmer etwa hat sich ganz auf Urnenbestattungen japanischer Wien-Freunde in einer eigens dafür bereitgestellten Gruft am Zentralfriedhof spezialisiert.

Fast jeder Dritte wählt Feuer

Dass für solche Wünsche auf Wiens Friedhöfen Platz ist, hängt auch mit dem Trend zur Feuerbestattung zusammen: Mittlerweile werden 28 Prozent der Wiener Verstorbenen im Feuer bestattet. Im Schnitt werden in Wien etwa 3000 Begräbnisse als Verbrennung durchgeführt, demgegenüber stehen 7000 Erdbestattungen, so Keusch. Damit liegt Wien noch immer unter dem Österreich-Schnitt von mehr als 30 Prozent Feuerbestattungen. International ist der Anteil noch weit höher, in Deutschland etwa teilweise bei 75 Prozent. Woran das liegt? Darüber wird bloß spekuliert. Keusch spricht von kulturellen, historischen Gründen. Oder davon, „dass es in Wien doch noch die Tradition der ,schönen Leich‘ gibt“. „Wien ist anders“, sagt er, auch beim Sterben.

So verwundert es nicht, dass sich nun die Manufaktur Augarten dem Thema widmet: Seit Jahresanfang darf man ohne Sondergenehmigung einen Teil der Asche eines Verstorbenen mit nach Hause nehmen. Pünktlich zu Allerheiligen haben Bestattung Wien und die Porzellanmanufaktur ein wienerisches Sortiment an „Heimurnen“ präsentiert: Die Modelle „Elisabeth“, „Maria Theresia“ und „Jugendstil“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2014)

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