Bestattungsmuseum: Neues aus der Unterwelt

WIEN: ERÖFFNUNG DES NEUEN BESTATTUNGSMUSEUMS AM WIENER ZENTRALFRIEDHOF
WIEN: ERÖFFNUNG DES NEUEN BESTATTUNGSMUSEUMS AM WIENER ZENTRALFRIEDHOF(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Die Begräbnisrituale von gestern, der letzte Weg von heute: Ein Rundgang durch das neue Bestattungsmuseum am Wiener Zentralfriedhof.

Sanft gleitet die Rampe hinab in das Reich des Todes. Links bilden Stelen in unterschiedlichen Höhen und Steinqualitäten einen Zaun. Rechts flankiert Friedhofsbepflanzung den Weg nach unten in das neue Bestattungsmuseum. Einen Lift in das Souterrain der Aufbahrungshalle II am Wiener Zentralfriedhof zu errichten – das wollte Architekt Gustav Pichelmann dann doch nicht. Denn langsam soll man durch die Pforte vom Diesseits in die Welt des Jenseits schreiten. Und man soll die Jahreszahlen lesen, die hier in die Steine eingraviert wurden, Lebensdaten bekannter Künstler, die auf dem Zentralfriedhof begraben sind. Vielleicht fragt der Besucher sich: Wie wird das eigene Ablaufdatum lauten?

Rampe und Stiege führen in das Foyer, das Kassaraum, Garderobe, Museumsshop und Entree zu zwei unterschiedlichen Ausstellungsbereichen beherbergt. Diffuses Licht umfängt einen, unweigerlich senkt man seine Stimme, beinahe fängt man zu flüstern an in dem modernen, puristisch gestalteten und doch irgendwie andächtig anmutenden Raum. Was für ein Unterschied zum früheren Bestattungsmuseum in der Goldeggasse, das vollgeräumt war mit Exponaten, und wo man schon einmal einen Jux machen durfte: probeliegen im Sarg. Auch hier im vor Kurzem eröffneten Bestattungsmuseum nimmt man manche Dinge durchaus mit Schmäh, schließlich muss man in Wien auch einer Erwartungshaltung gerecht werden: Schön viel Platz und Aufmerksamkeit für die sprichwörtlich schöne Leich: 500 Quadratmeter insgesamt, davon 300 Quadratmeter für die Dauerausstellung, den Kern des Museums, durch das eine Art Steg führt, sodass man über den Zeugnissen der Unterwelt vorbeischwebt – an Sargmodellen, Vitrinen und Paraphernalien rund um den speziellen Wiener Totenkult. Ein besonderes Highlight in der von Sigrid Markl und Checkpointmedia konzipierten Ausstellung ist etwa ein originaler Fourgon, eine Kutsche für den Leichentransport. Oder die Hörstation, bei der man die Nummern aus der aktuellen Begräbnis-Hitparade abrufen kann, „Time to say good bye“, „Ave Maria“ und andere Klassiker, die von der Vereinigung der Friedhofsänger interpretiert werden.

Herzstichmesser und Trauermode. Die Zahl der Exponate wurde bewusst reduziert und neu sortiert: 250 Objekte sind zu sehen, über 12.000 lagern im Depot unter der Aufbahrungshalle I. Allein 12.000 Fotos hat Markl durchgesehen, um daraus jene auszuwählen, die sich für die Slideshows auf den Displays in der Ausstellung eignen. „In den 1980er-Jahren wollte man möglichst viel zeigen, heute legt man Wert auf eine geringere Menge und mehr Diversität“, erklärt dazu Catrin Neumüller, die das Gesamtprojekt geleitetet hatte. So steht nun oft ein starkes Objekt für Berge an gesammeltem Material: der Herzstichmesser für die Angst, einen Lebendigen zu begraben. Der Leichenwecker für die Angst, unter den Toten wieder lebendig zu werden. Trauermode, die einst mehrere Bekleidungsgeschäfte in Wien gut leben ließ. Bestatter-Uniformen, die die Entwicklung vom spanischen Hofzeremoniell bis zum Understatement von heute zeigen: „Früher war ein Begräbnis ein letztes gesellschaftliches Statement, heute ist es eine private Angelegenheit“, meint Markl.

Diese Entwicklung lässt sich an vielen Objekten ablesen, die in eine Geschichte eingebunden sind – die Storyline führt den Besucher „entlang eines Trauerfalls“, erklärt Neumüller: „Gestorben, betrauert, geführt, bestattet, erinnert.“ Dabei navigiert er zwischen historischem Zeremoniell und gegenwärtigem Bestattungs- und Friedhofsalltag. Am Ende kommt er nicht umhin, sich über die Souveniers im Shop zu amüsieren: Merchandisingartikel von der Bestattung Wien wie T-Shirts, Zigarettenpackungshüllen, Miniatursärge, Friedhofsbausets.

Ort und Kult

Bestattungsmuseum.Am Wiener Zentralfriedhof unter der Aufbahrungshalle II (hinter Tor 2). Das Gebäude wurde 1905 von Max Hegele geplant, in den Sechzigerjahren baute Erich Boltenstern die Aufbahrungshalle II um. 2014 wurde nach einem Wettbewerb das Kellergeschoß zum Museum umgebaut. (ARGE Checkpointmedia und OMS, Architekt Gustav Pichelmann).
Zu Allerheiligen und Allerseelen ist das neue Museum von 10 bis 16 Uhr geöffnet. www.bestattungsmusuem.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.11.2014)

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