Hoflieferanten ohne Hof

An historischer Adresse, auf dem Michaelerplatz, hat ein neuer Weihnachtsmarkt mit der Bezeichnung k. u. k. eröffnet.
An historischer Adresse, auf dem Michaelerplatz, hat ein neuer Weihnachtsmarkt mit der Bezeichnung k. u. k. eröffnet.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Monarchie gibt es längst nicht mehr, das monarchistische Gütesiegel k. u. k. Hoflieferant erlebt derzeit dennoch eine kleine Renaissance – im Gegensatz zum modernen Pendant, dem Staatswappen.

Natürlich, auch in der Monarchie war nicht alles perfekt. Da konnten Fehler schon einmal passieren oder konnte gar etwas verloren gehen, wie ein t zum Beispiel. Ein t, das in das Wort „Weihnachtsmarkt“ gleich zweimal gehört. Das erste wurde anfangs ob der Hektik auf dem Transparent mit dem Schriftzug „K und K Weihnachsmarkt am Michaelerplatz“ glatt vergessen. Mittlerweile wurde es mit einem schwarzen Stift händisch dazwischengequetscht. Der Fehler fällt kaum mehr auf, und der jüngste der Wiener Weihnachtsmärkte erstrahlt in monarchistischem Glanz.

Immerhin haben sich die Veranstalter beim Weihnachtsmarkt an historischer Adresse zwischen Hofburg, Herrengasse und Kohlmarkt etwas Besonderes einfallen lassen. Das wird allein schon bei den Hütten sichtbar, die nicht aus rustikalem Holz geschnitzt sind, sondern in edlem Weiß erstrahlen und mit Schriftzügen und Ornamenten aus dem Jahr 1890 verziert sind. Verkauft werden klassische Weihnachtsmarktprodukte wie Schneekugeln, Hauben, Punsch oder Kerzen von heimischen Produzenten. „Die Idee war schon, einen Markt mit k.u.k. Hoflieferanten zu machen. Es war dann doch etwas kurzfristig, da konnten wir das nicht in dieser Fülle machen, wie wir es uns vorgestellt haben. Aber wir haben auch sehr viele Produzenten der Meisterstraße Austria dabei. Es geht uns darum, die vielen hochwertigen österreichischen Produzenten zu zeigen“, sagt Organisatorin Angelika Herburger. Und: „Der Name war schnell klar, wenn man einen Markt vor der Hofburg machen will.“


Sissi-und-Franzl-Sekt. Ähnlich erging es Oliver W. Braun und Eduard Kranebitter bei der Namensfindung für jenes Lokal, das Anfang Dezember im Palais Todesco auf der Kärntner Straße eröffnen wird. K.u.k. Hoflieferanten heißt die Mischung aus Café und Shop. Immerhin führt Braun das Wiener Traditionsunternehmen Gerstner, Kranebitter steht dem Haus Schlumberger vor. Beide waren auf der Suche nach einem geeigneten Standort in der Innenstadt. Braun spricht offen aus, dass die Kooperation nicht nur mit gemeinsamen Werten zu tun: „Da spielen auch die Immobilienpreise eine Rolle, das kann man sich allein ja nicht mehr leisten.“ In dem neuen Lokal sollen im Erdgeschoß die Produkte der beiden Häuser verkauft werden, im oberen Stock wird eine Art Salon eingerichtet, in dem man genießen, debattieren und konsumieren kann. Der Name dafür stand schnell fest, denn beide waren einst Hoflieferanten, und beide besinnen sich gern auf ihre Wurzeln. Das Haus Schlumberger hat gar einen Sissi-und-Franzl-Sekt im Sortiment. „Wir sind das einzige Unternehmen, das ein Produkt Habsburg nennen darf“, so Kranebitter.


Hofvergolder auf der Fußmatte. Fragt man bei jenen Unternehmen nach, die heute noch existieren und in der Monarchie als Hof- oder gar Kammerlieferanten ausgezeichnet wurden, wird auf die Frage, was der Titel denn heute noch bedeute, meist geantwortet: Exklusivität, Integrität, eine Auszeichnung für das Handwerk, ein Qualitätssiegel, oft allein aufgrund der Tatsache, dass sich das Unternehmen so lange gehalten hat. Viele sind es freilich nicht mehr. Während es zu Zeiten der Monarchie in Wien an die 500 Hoflieferanten gegeben hat, gibt es heute davon noch gut zwei Dutzend. Und tatsächlich: Die meisten von ihnen zählen zu den Besten ihrer Branche – von dem Hofzuckerbäcker Demel oder dem Sacher über die Glasmanufaktur Lobmeyr bis zum Klavierfabrikanten Bösendorfer. Nicht jeder führt den Titel dabei im Namen wie der k. u. k. Hofzuckerbäcker Demel, anderen reicht ein Vermerk auf der Fußmatte wie dem einstigen Hofvergolder C. Bühlmayer.

Der Titel ist heute übrigens weder geschützt, noch kann er entzogen werden. Nach damaligem Recht dürften ihn die aktuellen Inhaber eigentlich gar nicht führen. Als k.u.k. Hoflieferant wurde nämlich nicht das Unternehmen, sondern der Inhaber ausgezeichnet. Der Titel konnte also nicht vererbt werden, er musste bei jeder Firmenübergabe neu beantragt werden. Das unterscheidet die heutigen, österreichischen „Hoflieferanten“ deutlich von den britischen Hoflieferanten, „Royal Warrant“, die von der Queen, ihrem Gemahl und Prinz Charles ausgezeichnet werden. Im Vereinigten Königreich ist man ein bisschen strenger: Jene Lieferanten, die nämlich von Königinmutter Elizabeth ausgezeichnet wurden, haben den Titel fünf Jahre nach deren Tod, also 2007, verloren. Eine solche Regelung gibt es bei uns mangels Monarchie nicht.

Blickt man in die jüngste Vergangenheit – genau genommen bis in die 1960er zurück – wird deutlich, dass der k.u.k. Hoflieferant derzeit eine kleine Renaissance erlebt – zumindest, was die gesellschaftliche Bedeutung betrifft. „Ich habe schon das Gefühl, dass der Titel in den vergangenen fünf oder zehn Jahren ein Revival erlebt, er ist wieder verstärkt präsent“, sagt dazu Wolfgang Köchert, der gemeinsam mit seinen Cousins Christoph und Florian den k.u.k. Hof- und Kammerjuwelier und Goldschmied A. E. Köchert führt – der einst übrigens für die kaiserliche Schatzkammer zuständig war. Auch Georg Gaugusch, der das Stoffgeschäft (und einstigen Hoflieferanten) Wilhelm Jungmann& Neffe leitet, meint dazu: „Es gab eine Phase in den 1960ern, 1970ern, da wurde der Titel von fast niemandem kommuniziert. Das war eine Zeit, in der Historismus abgelehnt wurde. Mittlerweile ist das 19.Jahrhundert aber sehr positiv belegt“, sagt Gaugusch.

Deutlich wird dieser historische Imagewandel auch am Umgang mit dem modernen Pendant dazu, der staatlichen Auszeichnung. Diese kann heute kaum mit dem monarchistischen Doppeladler mithalten. „Die staatliche Auszeichnung erlaubt es, das Staatswappen zu verwenden. In der heutigen Zeit bedeutet diese hohe Ehre aber nicht wirklich etwas“, meint Rudolf Lichtmannegger, stellvertretender Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik der Wirtschaftskammer Österreich.

Die Hoflieferanten selbst bestätigen das. So meint etwa Gersnter-Chef Braun: „Die staatliche Auszeichnung ist auch ein wirtschaftliches Parameter, aber sie hat vielleicht nicht den Glamour der vergangenen Tage. Das sage ich jetzt, ohne ins monarchistische Eck gestellt werden zu wollen.“ In den 1960er- bis 1980er-Jahren war die staatliche Auszeichnung beliebter. „Da wollte man modern sein“, meint Braun. Österreichische Staatswappenträger gibt es heute übrigens an die 1400. Pro Jahr bewerben sich 20 bis 30 Firmen für die staatliche Auszeichnung, rund die Hälfte davon erhält sie. Die Auszeichnung geht an Unternehmen, die einen besonderen Verdienst für den Wirtschaftsstandort Österreich leisten und eine führende Stellung in ihrer Branche haben, die Größe allein ist kein Kriterium. Ein Auszug der aktuellen Staatswappenträger: Aida, Billa, Brauunion, Hairdreams, Imperial-Hotels Wien, Quester Baustoffhandel, Siemens oder die Wiener Linien.


Touristisches Aushängeschild. Diese Unternehmen mögen für den Wirtschaftsstandort bedeutend sein, als touristisches Aushängeschild eignen sie sich wohl weniger. Denn in Zeiten, in denen sich innerstädtische Bereiche dank internationaler Marken immer mehr gleichen – wie das Beispiel Goldenes U zeigt –, sind Traditionsunternehmen, die eine mit der Stadt verbundene Geschichte haben, umso wichtiger. Stoffverkäufer Gaugusch hat auch vonseiten der Stadt – inklusive der zuständigen Tourismusstelle – und auch bei den Wienern einen Wandel bei der Wertschätzung gegenüber Traditionsunternehmen festgestellt. „Uns wird seit 40 Jahren die Lebensfähigkeit abgesprochen, weil wir in einer Nische sind. Aber nur weil man etwas macht, wofür die meisten keinen Bedarf haben, heißt das nicht, dass niemand Bedarf hat. In Österreich zählt man wenig, wenn man etwas macht, was außerhalb der Norm ist“, meint Gaugusch. Vor 20 Jahren sei etwa jede Woche „einer ins Geschäft gekommen und hat gefragt, wann wir zusperren“. Heute hingegen habe man erkannt, dass „die kleinen, inhabergeführten Unternehmen der Stadt die Einzigartigkeit geben“. Seinem Geschäft, das auch spezielle Stoffe nach Holland exportiert, werde nun wieder mehr Wertschätzung entgegengebracht, er müsse sich weniger oft rechtfertigen. Gaugusch ist froh über diesen Wandel. Da fällt ein vergessenes t auf einem k.u.k. Weihnachtsmarkt nicht ins Gewicht.

Auf einen Blick

K.u.k. Hoflieferant
1782 wurde der Titel k.u.k Hoflieferant eingeführt, als eine Auszeichnung des Hofes. Im Gegensatz zum k.u.k. Kammerlieferanten musste der Hof nicht tatsächlich bei ihm bestellen. Am Ende der Monarchie führten allein in Wien 500Betriebe diesen Titel, weltweit waren es an die 1000.

In Wien gibt es davon heute noch gut zwei Dutzend. Ein Auszug: Bösendorfer, C. Bühlmayer, Demel, Gerstner, Heldwein, Wilhelm Jungmann & Neffe, Knize, A. E. Köchert, Lobmeyr, Rozet & Fischmeister, Sacher, Rudolf Scheer & Söhne.

Adressen

Bösendorfer
Bösendorferstraße 12
1010 Wien

C. Bühlmayer
Michaelerplatz 6
1010 Wien

Demel
Kohlmarkt 14
1010 Wien

Parfümereie J. B. Filz
Graben 13
1010 Wien

Gerstner
Kärntner Straße 13–15
1010 Wien

Heldwein
Graben 13
1010 Wien

Wilhelm Jungmann & Neffe
Albertinaplatz 3
1010 Wien

Knize
Graben 13
1010 Wien

A. E. Köchert
Neuer Markt 15
1010 Wien

Lobmeyr
Kärntner Straße 26
1010 Wien

Rozet & Fischmeister
Kohlmarkt 11
1010 Wien

Sacher
Philharmoniker Straße4
1010 Wien

Rudolf Scheer & Söhne
Bräunerstraße 4
1010 Wien

Schlumberger
Heiligenstädter Straße43
1190 Wien

K.u.k. Weihnachtsmarkt
Michaelerplatz
1010 Wien
bis 24.Dezember (täglich von zehn bis 21 Uhr, am 24.Dezember bis 17 Uhr)

K.u.k. Hoflieferanten Gerstner & Schlumberger
ab Dezember im Palais Todesco
Kärntner Straße 51
1010 Wien

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2014)

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