Atomgespräche: Warum in Wien Weltpolitik stattfindet

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Wien bietet sich als Tagungsort für Verhandlungen wie jene über das iranische Atomprogramm an – weil Österreich neutral ist und Geheimdienste einander hier „nicht wehtun“.

Wien. Die Innenstadt glich in den vergangenen Tagen einem Hochsicherheitstrakt. Zumindest Teile davon, rund um das Palais Coburg. Hier verhandelten unter anderem US-Außenminister John Kerry und sein iranischer Amtskollege Mohammed Javad Zarif über das umstrittene iranische Atomprogramm.

Dass die Verhandlungen genau dort geführt wurden und Javad Zarif auch dort Quartier bezog, ist kein Zufall. Es gebe zwar viele Wiener Hotels, die sich für Staatsbesuche eignen würden, sagt Josef Bitzinger, Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer Wien. Aber im Hochsicherheitsbereich würde die Wahl immer auf dieselben Hotels fallen: das Hotel Imperial, das Hotel Sacher und das Palais Coburg.

Das Embargo schränkt ein

Warum es diesmal das Coburg wurde? Einerseits ist die Wahl des Hotels für die iranische Delegation politisch eingeschränkt. Viele Tophäuser in Wien gehören zu US-Ketten. Aufgrund des Embargos gegen den Iran dürfen diese Häuser keine Geschäfte mit den Persern machen, ist in der Branche zu hören. Das Coburg dagegen ist unbelastet (sieht von der unmittelbaren Nähe zu einem bekannten Nachtclub ab). Es gehört dem österreichischen Investor Peter Pühringer, der auch Mäzen der Wiener Sängerknaben ist. Einen politisch neutraleren Boden gibt es in Wien nicht. Nebenbei: US-Außenminister Kerry logiert im Hotel Imperial, das als erste Adresse für Staatsbesuche gilt. Und das (natürlich) einer US-Kette (Starwood Hotels) gehört.

Das Coburg als Verhandlungsort besitze auch einen sicherheitstechnischen Vorteil, erklärt Bitzinger: Es liege zentral, habe alle notwendigen Einrichtungen (etwa ein Toprestaurant und entsprechende Gesprächsräume) direkt im Haus und könne als allein stehendes Gebäude sehr gut abgesichert werden. Die Rede ist dabei unter anderem von genügend Flächen und sehr guter Übersicht für Scharfschützen auf diversen Dächern, die das Gelände absichern.

„Man tut einander nicht weh“

Dass die Gespräche in Wien und nicht etwa in Genf stattfinden, ist dem Außenministerium zu verdanken. Bei seinem Antrittsbesuch am 7. Jänner in Brüssel hatte Sebastian Kurz der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton das Angebot unterbreitet, die Iran-Gespräche in Wien zu führen. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz am 31. Jänner wurde schließlich die österreichische Hauptstadt als Tagungsort festgelegt. Warum sich Wien für heikle Treffen besonders eignet? Immerhin gibt es immer wieder wichtige Konferenzen und auch so manchen Austausch von gefangenen Agenten. Es sei die Tatsache, „dass man einander hier fast schon traditionell nicht wirklich weh tut“, wie es ein Staatsschützer formuliert. Natürlich beobachte man sich in Form von Geheimdiensten gegenseitig.
Offensiv feindselige Aktionen gegeneinander seien in Wien jedoch äußerst selten. „In der Regel schätzen viele Länder die Ruhe, die ihre Agenten hier haben. Diese Ruhe wollen sie sich nicht durch spektakuläre Aktionen zerstören“, heißt es. Und das bringt der Stadt einiges. Der Werbewert für Wien und Österreich ist laut Kurz-Sprecher Gerald Fleischmann „immens“. Die Marke „Vienna Talks“, unter der die Gespräche in Wien stattfinden, war an mehreren Tagen die Spitzenmeldung in TV-Sendern wie CNN, BBC und Al Jazeera. Der Hashtag #viennatalks ist auf dem Kurznachrichtendienst Twitter nach wie vor an erster Stelle. In der vergangenen Woche waren 250 internationale Journalisten in Wien, seit Montag sind es rund 500. Auch Funktionär Bitzinger sieht einen hohen Werbewert: „Diese Bilder gehen um die Welt.“ Das werde sich auch positiv auf den Kongresstourismus auswirken.

Dem positiven Image stehen allerdings auch Kosten gegenüber. Doch können die laut Peter Jedelsky von der Wiener Polizei „noch nicht abgeschätzt“ werden. Details über den Umfang der Einsätze würden zunächst ohnehin nicht bekannt gegeben. Nach Abschluss der Atomgespräche werde es dazu aber wahrscheinlich eine parlamentarische Anfrage geben, spätestens dann könnten die Kosten beziffert werden. (kb/awe/stu).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2014)

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