Architekt Weinfeld: „Bin nicht gekommen, um etwas zu zerstören“

Neugestaltung des Areals Heumarkt/Lothringerstra�e: Architekt Isay Weinfeld (Brasilien) Sieger des Architekturwettbewerbs
Neugestaltung des Areals Heumarkt/Lothringerstra�e: Architekt Isay Weinfeld (Brasilien) Sieger des Architekturwettbewerbs(c) WertInvest (WertInvest)
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Der brasilianische Architekt Isay Weinfeld spricht über den von ihm geplanten und umstrittenen Wohnturm am Wiener Heumarkt, die Sinnhaftigkeit von Bürgerbeteiligung und über sein architektonisches Werk.

Wien. Er zählt zu den bedeutendsten Architekten Brasiliens: Isay Weinfeld, dessen Ausstellung „Von A bis Z“ derzeit im Architekturzentrum Wien zu sehen ist. In Österreich wird sein Name vor allem mit dem geplanten Wohnturm am Heumarkt in Verbindung gebracht.

Die Presse: Diese Woche startet im Wiener Architekturzentrum eine Ausstellung über Sie und Ihr architektonisches Lebenswerk. In Wien sind Sie aber auch bekannt als jener Architekt, der den umstrittenen Wohnturm beim Hotel Intercontinental geplant hat. Das Gebäude sei viel zu hoch, heißt es, und es sei auch zu simpel, sagen manche. Wie sehen Sie die Kritik?

Isay Weinfeld: Ich respektiere alle Meinungen. Ich persönlich habe eine andere Meinung.

Wie wird es am Heumarkt weitergehen? Bleibt das Projekt so, wie Sie es entworfen haben oder wird es Änderungen geben?

Wir sind da sehr offen, wir stehen in einem langen Diskussionsprozess, und wir hören uns alle Argumente an – von allen Leuten, die in das Projekt involviert sind. Wir stehen jeder Diskussion offen gegenüber.

Wären Sie auch bereit, es stark zu verändern, zum Beispiel die Höhe zu reduzieren?

Grundsätzlich ja, aber das würde einen völlig neuen Entwurf bedeuten.

Eines der Argumente gegen das Projekt ist, dass die Unesco-Schutzzone Innere Stadt verletzt wird und Wien das Prädikat Weltkulturerbe verlieren könnte. Wie stehen Sie zu solchen Schutzzonen, die Altes bewahren sollen?

Es ist immer gut, etwas zu erhalten. Sie haben Ihre Geschichte, die es zu bewahren gilt. Wir haben unsere. Aber wir müssen auch immer einen Schritt vorwärtsgehen. Wenn nicht, dann bleiben wir immer an der gleichen Stelle stehen. Es wurde etwas in der Geschichte gemacht, das bewahrt werden soll, das ist wichtig. Ich bin nicht gekommen, um hier etwas zu zerstören, sondern ich will die Vergangenheit bewahren, gleichzeitig aber auch vorwärtsgehen.

In Wien und anderen europäischen Städten wird die Bürgerbeteiligung immer mehr betont. Die Menschen sollen an der Gestaltung der Stadt und des Stadtbilds mitwirken und damit auch verändern. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

So etwas ist wunderbar, ist sehr gut. Und es ist der Weg, den ich auch bei meinen Projekten gehe. Ich zwinge niemals jemandem ein Projekt auf. Ich bin hier, um zuzuhören und so finde ich es gut, wenn die Bürger sich mehr beteiligen. Wenn ich zum Beispiel ein privates Haus entwerfe, dann ist es nicht mein Haus, sondern das meines Kunden. Es sollte nicht das Projekt sein, das ich will, sondern was der Kunde will – gesehen aber durch meine Augen. Im Fall Heumarkt haben wir mehrere Klienten. Wir haben das Konzerthaus, den Eislaufverein, das Intercontinental, den Investor und die Community. Da muss man zuhören. Und das ist auch hier der Weg, wie es geschehen soll.

Die Ansichten und Meinungen sind aber gerade bei diesem Projekt sehr divergierend.

Ich bin nicht hier, um ein Landmark zu entwerfen. Ich bin nicht so ein Architekt, der von oben auf dich hinuntersieht und sagt: Ich bin das Genie. Sie können das hier in meiner Ausstellung sehen, dass ich das nicht bin. Ich bin der Meinung, dass einen guten Architekten ausmacht, zuhören zu können. Und das tue ich.

Eines ihrer bekanntesten Projekte ist das Edificio 360°, ein spektakuläres Hochhaus in São Paulo. Wäre so ein Gebäude auch in einer europäischen Stadt möglich, etwa in Wien?

Nein, nein. Das passt nicht zu Wien, das passt zu São Paulo. Ich versuche, die Projekte so zu entwerfen, dass sie zu dem Platz passen, wo sie hinkommen. Ich würde daher das 360° nicht in Wien oder Rom machen.

Ihre Ausstellung trägt den Titel „Von A bis Z. Die Welt von Isay Weinfeld.“ Wenn Sie so zurückblicken: Was war das wichtigste Projekt Ihres Lebens?

Ich glaube nicht, dass ich ein wichtigstes Projekt hervorheben kann. Was ich zeige, ist ein Panorama meiner ganzen Arbeit und was ich glaube, was interessant sein könnte. Es ist die Vision von vielen Dingen, die mit der Architektur verbunden sind. Das reicht von Architekturprojekten zu Design, zu Filmen, zu Instagram bis zum Design von Türklinken. Jedes ist mit dem anderen verbunden.

Sie machen verschiedenste Dinge, etwa private Häuser, Kinos, Restaurants, Bars, Kunstgalerien, Hochhäuser etc. Gibt es etwas, das sie lieber machen?

Nein. Ich versuche, bei jedem der Projekte auch Spaß zu haben und ich liebe es, Projekte zu machen, die ich noch nicht gemacht habe. Seit Beginn meiner Karriere versuche ich, Projekte zu machen, die sich völlig von den anderen unterscheiden. Ich hasse es, ein Spezialist in einem Bereich zu sein.

AUF EINEN BLICK

Isay Weinfeld (Jahrgang 1952) ist im Frühling 2014 als Sieger aus dem Architekturwettbewerb zur Neugestaltung des Heumarkt-Areals hervorgegangen: Sein Projekt sieht einen Wohnturm an der Rückseite des Hotel Intercontinental vor, der vor allem wegen seiner Höhe (73 Meter) umstritten ist.

Im Architekturzentrum Wien im MQ läuft von 18.12. bis 23.2. die Ausstellung „A bis Z. Die Welt von Isay Weinfeld“. Täglich zehn bis 19 Uhr. www.azw.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2014)

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