Strache vs. Ludwig: "Deutschtest für den Gemeindebau"

Der eine will Bürgermeister werden, der andere gilt als wahrscheinlicher Nachfolger von Michael Häupl: Heinz-Christian Strache, FPÖ-Chef und Spitzenkandidat für die Wien-Wahl (li.), und SPÖ-Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (re. )
Der eine will Bürgermeister werden, der andere gilt als wahrscheinlicher Nachfolger von Michael Häupl: Heinz-Christian Strache, FPÖ-Chef und Spitzenkandidat für die Wien-Wahl (li.), und SPÖ-Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (re. )(c) Die Presse/Fabry; Montage: Die Presse
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Müssen Politiker raus aus dem Gemeindebau? Ist Rot-Blau in Wien undenkbar? Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Michael Ludwig (SPÖ) diskutierten im "Presse"-Doppelinterview über das Wahlkampfthema Wohnen.

Die Presse: Beginnen wir weihnachtlich-versöhnlich: Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten zwischen der Wiener SPÖ und FPÖ?

Michael Ludwig: Wir haben im Gemeinderat mehr als 70 Prozent der Anträge einstimmig beschlossen – da gab es in den letzten Jahren sogar eine steigende Tendenz. Auch im Wohnbauausschuss diskutieren wir hart, aber sachlich.
Heinz-Christian Strache: Die 70 Prozent stimmen natürlich, aber entscheidend sind die 30 Prozent, bei denen wir dagegen gestimmt haben. Ich schätze Michael Ludwig aber als einen Politiker, mit dem man fair diskutieren kann.

Wäre er Ihnen als Bürgermeister lieber als Michael Häupl – immerhin wird er als aussichtsreichster Nachfolger gehandelt?

Strache: Bürgermeister möchte ich schon selber werden.
Ludwig: Wenn Sie schon als FPÖ-Spitzenkandidat in Wien kandidieren: Sollten Sie nach der Wahl nicht (vom Parlament, Anm.) in den Gemeinderat wechseln?
Strache: Nur als Bürgermeister kann ich etwas verändern. In der Opposition in Wien zu versauern ist sinnlos.

Im Burgenland wird 2015 ebenfalls gewählt. Dort ist die SPÖ unter Landeshauptmann Hans Niessl zur FPÖ nicht so distanziert. Ist die burgenländische FPÖ liberaler?

Ludwig: Es ist eher ein Grundsatzproblem. Die FPÖ will Probleme, die auch wir sehen, nicht lösen. Man kann nicht, wie die FPÖ, mehr Integration verlangen und gleichzeitig im Gemeinderat gegen alle Maßnahmen stimmen.
Strache: Wenn Gemeindebauwohnungen an Leute vergeben werden, die kein Wort Deutsch sprechen, sind das Fehlentwicklungen.

Nur wer Deutsch spricht, soll eine Gemeindewohnung bekommen?

Strache: Ja. Wer eine Sozialwohnung bekommt, soll vorher eine Integrationsleistung bringen.
Ludwig: Das ist de facto bereits so. Wer eine Gemeindewohnung will, muss klare Kriterien erfüllen. So muss man einen verfestigten Aufenthalt besitzen, dazu gehören seit zehn Jahren auch Sprachkenntnisse fast auf Maturaniveau. Natürlich gibt es historisch bedingt Fälle, in denen das nicht so ist. Oder Ehepartner, die nicht Deutsch sprechen.
Strache: Videoüberwachung und Ordnungsberater im Gemeindebau zur Bekämpfung von Devastierung wären nicht nötig, wäre die deutsche Sprache Voraussetzung.

Nur weil alle Deutsch sprechen, heißt das nicht, dass es keine Nachbarschaftskonflikte gibt.

Strache: Miteinander reden zu können ist die Grundvoraussetzung. In Oberösterreich hat die FPÖ den Deutschtest teilweise durchgesetzt – etwa in Wels.

Gibt es dort nun keine Konflikte mehr?

Strache: Es geht darum, neue Konflikte zu verhindern, alte gibt es natürlich noch. Aber mir geht es auch noch um etwas anderes: Im sozialen Wohnbau explodieren die Mieten, weil zu teuer gebaut wird. Es bräuchte kleinere und günstigere Wohneinheiten um die 40, 45 Quadratmeter, die für sozial Schwache rund 250 Euro kosten.
Ludwig: Danke, Sie beschreiben meine Smart-Wohnbau-Initiative. Da bauen wir besonders günstige Wohnungen innerhalb des bereits günstigen sozialen Wohnbaus. Was die Miethöhe betrifft: Die ist im geförderten Bereich nicht explodiert, sondern ziemlich genau mit der Inflationsrate gestiegen, im Gemeindebau sogar darunter. Der starke Preisanstieg erfolgt im privaten Bereich, der wiederum vom bundesweiten Mietrecht abhängig ist.

Die Kritik, dass zu teuer gebaut wird, gibt es aber auch von vielen anderen. Irren die alle?

Ludwig: Gerade bei der letzten Novelle der Wiener Bauordnung wurden Maßnahmen wie die reduzierte Stellplatzverpflichtung beschlossen, um Bauen günstiger zu machen.

Warum hat man das nicht vorher gemacht?

Ludwig: Qualität und Kosten stehen beim Wohnbau in einem direkten Verhältnis.

Heißt das, die Stadt baut nun mit weniger Qualität?

Ludwig: Nein, aber mit noch mehr Know-how aus unserer Forschung. Das sieht man bei unserem Smart-Wohnungsprogramm.

Was halten Sie, Herr Strache, eigentlich von der ÖVP-Idee, dass ein Mieter, der Jahre nach dem Einzug sehr gut verdient, mehr Miete zahlt?

Strache: Das ist eine moralische Frage. Wenn ein Großverdiener wie der Grün-Nationalrat Peter Pilz weiter im Gemeindebau wohnt, ist das moralisch verwerflich.
Ludwig: Politische Mandatare sollen grundsätzlich aus dem Gemeindebau ausziehen? Auch alle FPÖ-Politiker?
Strache: Bei diesem Gehalt nimmt man einem sozial Schwächeren den Platz weg.
Ludwig: Sollten Politiker nicht dort sein, wo die Menschen leben?
Strache: Deshalb gehen wir in den Gemeindebau und bieten Beratungen an.
Ludwig: Ich finde, soziale Durchmischung ist prinzipiell wichtig. Wir wollen ja auch den Mittelstand, der Steuern zahlt, entlasten.
Strache: Ich bin nicht gegen Durchmischung, aber die Gewichtung stimmt nicht. Der damalige Wiener Wohnbaustadtrat Werner Faymann hat dafür gesorgt, dass die Staatsbürgerschaft als Kriterium für den Gemeindebau abgeschafft wird. Das war zwar eine EU-Richtlinie, aber hier hätte man eine Lösung suchen müssen. Ich würde das wieder ändern. Nur Staatsbürger sollen in Gemeindebauten wohnen dürfen.
Ludwig: Diese EU-Richtlinie wurde von der damaligen schwarz-blauen Bundesregierung und Ihrem Minister Böhmdorfer umgesetzt.

Soll man nun die Mieten für später Besserverdienende anheben, Herr Strache?

Strache: Man kann über Abstufung sicher nachdenken.

Der Gemeindebau gilt als Wahlkampf-Schlachtfeld von Rot und Blau. Wie wichtig schätzen Sie selbst ihn für die Wien-Wahl ein

Ludwig: Er spielt eine große Rolle, weil ein Drittel der Wiener dort wohnt. Aufgrund der Struktur dort hat er auch eine besondere politische Bedeutung. Aber natürlich wird die Wahl von der ganzen Wiener Bevölkerung entschieden.
Strache: Dem ist hier nichts hinzuzufügen.

Herr Strache, die FPÖ reüssiert zwar bei den Männern, vor allem jungen, aber weniger bei den Frauen. Warum?

Strache: Ich halte von diesen Analysen nichts, denn das stimmt nicht, vielmehr ist das Gegenteil wahr.

Die FPÖ ist weiblich?

Strache: Wir haben diese Unterschiede bei den Wählern massiv reduziert.

Warum hat die FPÖ den geringsten Frauenanteil?

Strache: Bei uns wird nach Leistung gewählt.

Die Männer leisten mehr als die Frauen?

Strache: Nein, die Frauen stellen sich nur weniger oft zur Verfügung, weil sie die Zeit nicht aufbringen können. Sie sind nicht so egoistisch wie Männer.
Ludwig: Die SPÖ hat den höchsten Frauenanteil im Gemeinderat – mehr als die Grünen. Deshalb wundert es mich auch, dass die Grünen bei dem Thema so moralisieren.

Schwenken wir zum Schluss noch auf die Bundesebene: Von der SPÖ gibt es Vorschläge für ein neues Mietrecht. Von der FPÖ hört man Kritik, aber kaum eigene Ideen. Gibt es welche?

Strache: Ich finde, man muss vor allem über den sozialen Wohnbau gegensteuern. Wenn es dort genug günstige Wohnungen gibt, dann bringt man die Privaten unter Druck, sodass sie nicht mehr so viel Miete verlangen können. Aber dazu braucht es mindestens 5000 neue Wohnungen pro Jahr.
Ludwig: Sie reden von 5000, ich habe heuer 7230 Wohnungen realisiert.

Gibt es keine Vorschläge der FPÖ für den privaten Bereich?

Strache: Das ist ein freier Markt, der soll auch frei bleiben. Man muss nur den Mietwucher im Auge haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20. Dezember 2014)

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