"Suppenbus" in Wien: Offenes Ohr, Mut – und eine Suppe

Küche des Caritas-Wohnhauses
Küche des Caritas-Wohnhauses(c) Stanislav Jenis
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Seit 24 Jahren versorgt der Canisibus Menschen auf der Straße mit Suppe und Brot. Ein Blick hinter die Kulissen des „Suppenbusses“, der ausschließlich von Freiwilligen betreut wird.

Wien. Jeden Tag, und das schon seit 1990, fahren von der Caritas-Zentrale in Ottakring gegen 19.30 Uhr zwei Minibusse los, um obdachlose Menschen direkt auf der Straße mit Suppe und Brot zu versorgen. Jeder dieser Canisibusse steuert vier Stationen in ganz Wien an, es sind immer dieselben. Um 22 Uhr ist der letzte Teller verteilt.

Die Schicht der Besatzung beginnt aber schon um 16 Uhr. Denn bevor die Busse starten können, muss die Suppe natürlich erst zubereitet werden. Das geschieht in der Küche des Caritas-Wohnhauses Juca, einer Einrichtung für wohnungslose Jugendliche – und zwar durch dieselben Freiwilligen, die die Suppe später auch verteilen.

Unmittelbarer Kontakt

Freiwillige wie Melanie. Die 19-jährige Wienerin engagiert sich seit Oktober ehrenamtlich bei der Caritas und fährt an vier Tagen in der Woche mit dem Canisibus mit. „Der unmittelbare Kontakt zu den Menschen ist der Hauptgrund, warum ich hier mitmache. Die Suppe, die wir täglich kochen und auch selbst essen, verteilen wir direkt an bedürftige Männer und Frauen“, sagt sie. „In den vergangenen Monaten habe ich nicht nur jede Menge interessante Menschen kennengelernt und spannende Lebensgeschichten gehört, sondern wurde bei meinen Fahrten auch mit viel Dankbarkeit konfrontiert.“

Natürlich sei die Arbeit mit Obdachlosen nicht immer einfach – vor allem dann, wenn sie betrunken und aggressiv seien. „Aber in solchen Situationen erfährt man viel über Menschen in Extremsituationen und vor allem über sich selbst. Die Tätigkeit hier ist eine gute Schule fürs Leben.“

Für das Leben lernen will auch Zivildiener Felix, der ebenfalls seit Oktober zum Canisibus-Team gehört. „Ich kann mir für meine spätere Karriere nicht vorstellen, in einer Küche zu stehen oder mit Obdachlosen zu arbeiten. Daher will ich diese neun Monate nutzen, Erfahrungen zu machen, die ich sonst nicht gemacht hätte“, sagt der 19-Jährige. „Zudem kann man hier wirklich etwas bewegen. Ich habe mich bewusst für diesen Bereich der Caritas entschieden, weil ich während meiner Zivildienstzeit nicht nur Kaffee kochen, sondern mit anpacken, meinen Beitrag leisten und Menschen helfen wollte.“

90.000 Portionen pro Jahr

Jährlich werden im Canisibus rund 90.000 Portionen Suppe ausgegeben. „Die Leute, die zu den Bussen kommen, sind zumeist Obdachlose, aber auch verarmte Menschen, die zwar ein Dach über dem Kopf haben, sich aber kaum Essen leisten können“, sagt Projektleiterin Sonja Meznaric. Kontinuität sei für die Betroffenen das Um und Auf. „Denn schlimmer noch als ein leerer Magen ist für viele Menschen die soziale Ausgrenzung und die Einsamkeit. Wertschätzung, ein offenes Ohr und immer wieder Mut zu machen – das ist im Endeffekt bei den Bussen genauso wichtig wie die Suppe.“ Häufig seien die Busse zudem das erste Angebot der Wohnungslosenhilfe, um wieder Vertrauen zu schöpfen und weitere Hilfe in Anspruch zu nehmen.

„Niemand stellt sich aus Spaß auf der Straße um eine warme Mahlzeit an. Die Not ist groß. Für viele der bis zu 300 Busgäste täglich ist es die einzige warme Mahlzeit am Tag“, so Meznaric. „Armut ist auch in Österreich für viele Menschen tägliche Realität. Sichtbare Obdachlosigkeit ist nur die Spitze des Eisbergs.“ Laut Statistik Austria sind eine Million Menschen in Österreich armutsgefährdet, allein in Wien sind es 280.000Menschen oder 17 Prozent der Bevölkerung. Die beiden Canisibusse werden ausschließlich mit Spenden und ehrenamtlichen Mitarbeitern betrieben. Die meisten der 60Freiwilligen – Studenten, Berufstätige, Pensionisten – engagieren sich einmal pro Woche an einem fixen Tag.

„In einer größeren Gruppe zu kochen, sich dabei zu unterhalten und anschließend zusammen zu essen ist ein schönes soziales Ereignis, das jeder kennt“, sagt Meznaric. „Dieses Gemeinschaftliche ist nach wie vor die Kernidee unserer Arbeit, die wir mit großer Leidenschaft machen. Denn was ich immer wieder gern betone: Als Canisibus-Team geben wir zwar viel, bekommen aber auch viel zurück.“


Ein Erlagschein, um den Canisibus zu unterstützen, liegt der heutigen „Presse“-Ausgabe bei: RBI Raiffeisen Bank International, BIC: RZBAATWW, IBAN: AT16 3100 0004 0405 0050, Kennwort: Canisibus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2014)

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