Wiener Wahlrecht: SPÖ-Vormacht bleibt

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Häupl(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Auch 2015 wird in Wien nach dem alten, SPÖ-freundlichen Wahlsystem gewählt. Denn FPÖ und ÖVP geben nun ihr letztes Druckmittel, eine Gesetzesreparatur, aus der Hand.

Wien. „Haben wir schon die dritte Jännerwoche?“ Launig antwortete Bürgermeister Michael Häupl am Dienstag auf Journalistenfragen, warum er seine selbst gesetzte Frist hat verstreichen lassen. Bis zur dritten Jännerwoche werde es eine rot-grüne Einigung geben. Dann werde ein neues, faires Wahlrecht für Wien präsentiert, hatte Häupl Mitte Dezember angekündigt.

Nun befindet sich Wien in der vierten Jännerwoche, und der Bürgermeister kommentierte Fragen bezüglich der verstrichenen Frist trocken: „Im Koalitionsabkommen steht 2012 (für den Beschluss des neuen Wahlrechts, Anm.). Das haben wir ja auch verpasst.“ Dabei hatte Häupl noch Zeit, eine Spitze gegen den grünen Koalitionspartner unterzubringen: „Die SPÖ hat keinen Notariatsakt unterschrieben.“ Damit spielte der Bürgermeister auf die Zeit vor der Wien-Wahl 2010 an. Damals hatten sich die Grünen (gemeinsam mit FPÖ und ÖVP) per Notariatsakt verpflichtet, im Falle einer Koalition mit der SPÖ ein neues, faires Wahlrecht durchzusetzen.

Dass die SPÖ nicht das geringste Interesse an einer Änderung des aktuellen Wahlrechts hat, das ihr bereits mit etwa 43 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit in Mandaten bringt, ist keine Überraschung. Überraschend ist aber: Seit Dienstag ist klar, dass die SPÖ mit ihrer Blockadehaltung durchkommt. Denn die Opposition gibt nun ihr einziges Druckmittel, das Michael Häupl zum Einlenken bewegen könnte, aus der Hand. Und das aus Selbstschutz.

Zur Erklärung: Die SPÖ kann zwar verhindern, dass ein neues Wahlrecht gegen sie beschlossen wird. Nur: Das aktuelle Wiener Wahlrecht hat sich zwischenzeitlich als verfassungswidrig erwiesen (Briefwahl-Nachfrist sowie das verweigerte Wahlrecht für manche Strafgefangene). Das Wiener Wahlrecht muss also repariert werden. Und das geht nur mit den Stimmen der Grünen bzw. der Opposition. Passiert das nicht, wird die Wien-Wahl 2015 wieder aufgehoben.

Lange Zeit war unklar, ob die Grünen ihre Zustimmung zur Gesetzesreparatur an ein faires Wahlrecht koppeln. Nur: Häupl ist nicht mehr auf die Stimmen seines Koalitionspartners angewiesen, wie der „Presse“ am Dienstag bestätigt wurde. Wenn es einen Antrag gibt, um die verfassungswidrigen Teile des Wahlrechts zu reparieren, „werden wir dem natürlich zustimmen“, erklärt FPÖ-Klubchef Johann Gudenus. Diese Änderungen seien zwar nicht der versprochene große Wurf, „aber wir werden weiterhin dranbleiben. Und daran erinnern, dass die Grünen wortbrüchig geworden sind“, so Gudenus. Dass die FPÖ damit das einzige Druckmittel aus der Hand gibt, um die SPÖ zu zwingen, einem fairen Wiener Wahlrecht zuzustimmen, sieht Gudenus nicht so. Erkenntnisse des Höchstgerichtes seien umzusetzen. Er wird am Freitag im Landtag aber nochmals einen Wahlrechtsantrag einbringen.

„Den Wienern nicht zumutbar“

ÖVP-Chef Manfred Juraczka ist vorsichtiger, signalisiert aber ebenso Zustimmung: „Es wäre unredlich, in Wahlen zu gehen mit dem Wissen, dass diese Wahlen nicht verfassungskonform sind.“ Nachsatz: „Es wäre den Wienern nicht zumutbar, wenn die Wahlen aufgehoben werden und die Wiener kurz darauf wieder wählen müssen.“

Und die Grünen? Von denen war am Dienstag keine Stellungnahme zu erhalten. Aber: Häupl hatte sich bisher keine Sorgen gemacht, dass die Grünen zustimmen. Auf die Frage der „Presse“, ob die Grünen ihre Zustimmung gegen ein faires Wahlrecht tauschen wollen, meinte der Bürgermeister: „Das schau ich mir an, dass die Grünen gegen ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes stimmen.“ Nun braucht Häupl die Stimmen der Grünen nicht mehr.

Damit ist der Weg für die SPÖ frei, das alte Wahlrecht wird das neue sein (abgesehen von gesetzlichen Reparaturen und Kleinigkeiten wie gesenkten Vorzugsstimmen-Hürden). Denn weder Grüne noch FPÖ oder ÖVP wollen durch eine Verweigerung der Gesetzesreparatur der Sündenbock sein, wenn die Wien-Wahl wiederholt werden muss. Und die Wiener darüber entsprechend verärgert sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2015)

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