Akademikerball: Von Clowns und leeren Ballsälen

WIENER AKADEMIKERBALL: PROTEST
WIENER AKADEMIKERBALL: PROTEST(c) APA/HERBERT P.OCZERET (HERBERT P.OCZERET)
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Wenn angekündigter Krawall ausfällt: Die Proteste gegen den Akademikerball verliefen glimpflich. Polizei und Clowns hielten Krawallmacher in Schach.

Die Situation war ziemlich klar: Das merkten auch die Demonstranten in der klassischen Schwarzer-Block-Montur, die dann irgendwann am Ring bei einem Kebabstand standen, aßen, und beratschlagten, was sie denn noch tun könnten. „Es is nix mehr, das bringt nichts mehr“, sagte einer. In Sichtweite Dutzende Beamte, klar in der Überzahl, gegenüber den Demonstranten, die noch Zufahrtsstraßen zum Ball blockierten. Die kleineren Zwischenfälle – Sitzblockaden, Taxis, denen Reifen aufgestochen, Böller, die in Richtung Polizei geworfen wurden und kleine, kurze Scharmützel mit der Exekutive – konnten da schon rasch aufgelöst werden. So dramatisch die Nacht begann – die Innenstadt verwaist, ein in Wien selten gesehenes Polizeiaufgebot, Wasserwerfer auf der Ringstraße – so wenig fand der angekündigte Krawall statt. Ein Resümee.

Seltenes Lob für die Polizei

Zwar war im Nachhinein von „massiver Polizeigewalt“ (Grün-alternative Studenten Gras) die Rede, alles in allem lief der Einsatz aber professionell und ruhig: Im Nachhinein mögen die hunderten Beamten (insgesamt waren es 2500), die da oft Grüppchen von Demonstranten gegenüberstanden, überzogen wirken. Angesichts der Erfahrung im Vorjahr und der angekündigten Krawalle war aber wohl jeder Aufwand recht, damit manche der Demonstranten in der Innenstadt nicht ein zweites Mal einen Scherbenhaufen hinterlassen. Offenbar per Helikopter koordiniert und schnell am aktuellen Ort des Geschehens, etwa um Blockaden aufzulösen, blieben die Beamten – einmal freundlich, einmal eher rüpelhaft – weitgehend professionell. Aktionen waren schnell beendet. Um Vorwürfen vorzubeugen wurde oft gefilmt – von Polizei genauso wie von Demonstranten.

Clowns statt Krawallmacher. Ein Schwarzer Block war diesmal nicht auszumachen, soweit bekannt, blieben die Fensterscheiben der Innenstadt heil. Angekündigte Randale findet selten statt, das mussten die Krawallmacher vom NOWKR-Bündnis wohl einsehen. War es das massive Polizeiaufgebot, war es die Tatsache, dass Radikale, die busweise nach Wien reisen wollten, im Vorfeld abgefangen wurden, waren es Demonstranten wie jene Clowns, die Polizisten neckten und zu Samba tanzten oder jene, die rosa Herzen auf Absperrungen und Polizeiwagen klebten – die überwiegende Zahl an Demonstranten blieb friedlich. Tenor: Wir lassen unseren Protest nicht von wenigen Krawallmachern vereinnahmen. Auch als Böller knallten und bengalische Feuer gezündet wurden, sorgte das bei vielen Ballgegnern für Ärger.

Eine Stadt in Angststarre

Weite Teile der inneren Stadt – auch jenseits der Demo-Route und Platzsperre – waren bis in die Samstagnacht völlig verwaist. Geschäfte schlossen am späten Nachmittag, Juweliere verbarrikadierten sich hinter Holzwänden oder räumten ihre Auslagen aus. Andere engagierten Sicherheitsdienste oder ließen Beamte Spalier stehen. Wie viel sich Geschäftsleute den Schutz kosten ließen, ist ebenso wenig beziffert wie der Schaden durch Geschäftsentgang. Die Sachschäden dürften sich jedenfalls auf ein paar Blumentöpfe, Mistkübel und zerstochene Autoreifen von Taxis beschränken.

Und der Ball? Wenig los

Von dem Getöse draußen war in der Hofburg nichts zu bemerken. Schon die Anfahrt war problemlos, trotz der Umwege. Der Ball, den so viele bekämpfen, war auf den ersten Blick unspektakulär und ist es den ganzen Abend über geblieben. Mit 1200 Besuchern (laut Angaben der Polizei am Ballabend in der Hofburg) ist der Ball schlecht besucht. Vor allem junge Männer liefen mit ihren Couleur-Mützen durch die Hofburg. Manche haben die Mensur frisch gefochten, in ihren Gesichtern klebt noch das Blut.

Mit 2500 Beamten sind mehr Polizisten auf der Straße als Gäste in der Hofburg. Der Ball hat durch die Proteste durchaus gelitten. Ein älteres Ehepaar aus Bayern erzählt, dass sich einige ihrer Freunde, den „den Stress bei der Zufahrt einfach nicht mehr antun wollten“. Es ist kein Einzelfall, für viele deutsche Burschenschafter ist der Ball nicht mehr interessant. Mit der Übernahme der FPÖ als Veranstalter habe der Ball „einen Dämpfer bekommen“, erzählt nicht nur ein Ballbesucher. In den Buden habe es Diskussionen gegeben, ob man überhaupt kommen solle. Es sei eine Sache des Prinzips, sich nicht politisch vereinnahmen lassen zu wollen, erzählt ein Gast. Auch wenn natürlich viele der Gäste bei Wahlen das Kreuzerl bei der FPÖ machen würden.

Der Ball ist längst zur Show geworden. Draußen die wütende Masse, drinnen die Ballgäste, die die Proteste noch mehr zusammenschweißen. Auch Journalisten spielen ihre Rolle, wenn sie versuchen, rechtsextreme Gespräche zu belauschen. Aber „Skinheads und Rechtsextreme wird man hier nicht finden“, sagt ein Besucher. Auch keine „Heil Hitler“-Sager. Aus seiner Einstellung macht hier trotzdem niemand ein Hehl. Wenn einem auf der Straße sechs verschleierte Frauen entgegenkommen, sagt ein Besucher, dann sei das nicht in Ordnung.

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In Zahlen

5000bis 9000 Ballgegner– die Wahrheit liegt wohl zwischen den Zahlen der Polizei und jenen der Veranstalter– sind am Freitag von der Universität zum Stephansplatz gezogen. An der Veranstaltung „Jetzt Zeichen setzen“

auf dem Heldenplatz nahmen 2000Menschen teil.

150Anzeigen wurden erstattet, sechs Polizisten und vier Demonstranten leicht verletzt. In Summe waren mehr als 2500Beamte im Einsatz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2015)

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