Wien bangt um seine „Internationals“

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Der Streit über das Abdullah-Zentrum überschattet das Wiener UNO-Jubiläum. Statt den Amtssitz zu bewerben, fürchtet Österreich nun, im Standortwettbewerb ins Hintertreffen zu gelangen.

2015 sollte das Jahr der Vereinten Nationen werden. 70 Jahre UNO, 60 Jahre Beitritt Österreichs zur Weltorganisation – für die Regierung eine Gelegenheit, den Amtssitz Wien in den Mittelpunkt zu rücken. Doch nun überlagert der Streit um das Abdullah-Zentrum diese Pläne. Im Außenministerium fürchtet man, im Wettbewerb um die internationalen Regierungsorganisationen ins Hintertreffen zu geraten.

Und der Wettbewerb ist hart. Neuer Star mit großen Ambitionen ist Kopenhagen. Die dänische Hauptstadt hat erst 2013 für ihre acht ansässigen Organisationen eine neue UNO-City eingeweiht und bewirbt den Standort offensiv. Das „grüne Gebäude“ ist von der EU-Kommission ausgezeichnet worden, die Stadt will bis 2025 klimaneutral sein, und auch der nächste Präsident der UN-Generalversammlung kommt mit Parlamentspräsident Mogens Lykketoft aus Dänemark.

Gerade verlegt das Flüchtlingshochkommissariat UNHCR eine Fundraising-Einheit mit 125 Mitarbeitern von Genf nach Kopenhagen. Der Schweizer Regierung soll es nur mit Mühe gelungen sein, die Zentrale des Kinderhilfswerks Unicef in Genf zu halten. Und Kopenhagen hat Kapazitäten: „Es sind noch Büroräume für 200 Personen frei, und das Außenministerium Dänemarks arbeitet daran, weitere Organisationen anzuziehen“, sagt Eva Egesborg Hansen, Sprecherin der dortigen UNO-City. „Geplant ist, das Gebäude bis Ende des Jahres zu füllen.“

Fatale Dynamik

In Wien dagegen warnte das österreichische Außenministerium nach den Querelen um das Abdullah-Zentrum in dieser Woche vor Schaden „für Österreichs Ruf als verlässlicher Sitzstaat“ allgemein – und ganz konkret vor einem möglichen Abzug der Erdölorganisation Opec oder des Opec-Fund für Entwicklung (Ofid). „Man darf die Dynamik nicht unterschätzen, wenn ein Amtssitz ins Rutschen kommt“, sagt Peter Brezovszky, früherer Amtssitzbotschafter in Wien und derzeit Vertreter Österreichs in Dänemark.

Zwar betonen Diplomaten, es gebe prinzipiell eine stillschweigende Übereinkunft zwischen befreundeten Ländern, Institutionen nicht aktiv abzuwerben. „Aber wenn eine Organisation selbst nicht zufrieden ist, bringen sich die anderen Städte schnell ins Spiel.“ Die Opec etwa wurde 1965 auf Betreiben Kreiskys von Genf nach Wien übersiedelt – Grund für Verstimmungen mit der Schweiz. Dass Österreich der Organisation 2009 ein neues Amtsgebäude nahe der Börse in bester Lage übergab, war auch eine Investition, um die Opec zu halten. „Es gab starke Gelüste von Genf, die Organisation wieder zurückzuholen“, sagt ein Diplomat. Interesse soll auch Deutschland bekundet haben, das die frühere Hauptstadt Bonn zu einem UN-Standort ausgebaut hat.

Alte Konkurrenten

Genf und Wien sind als die beiden Amtssitze der Vereinten Nationen in Europa langjährige Konkurrenten. Das Abdullah-Zentrum hat in der Schweizer UN-Metropole schon einmal vorgefühlt. Gerade konkurrieren die beiden Städte um das Sekretariat des Waffenhandelsvertrages (ATT). Mit im Rennen ist auch der karibische Inselstaat Trinidad und Tobago, der kaum Chancen haben soll. Die Entscheidung fällt im Sommer. Doch auch aus Genf sind Einheiten einiger UN-Organisationen abgezogen worden – teils aus Kostengründen, wie es hieß.

Den Standort lässt sich Österreich einiges kosten. So teilen sich die Stadt Wien und die Republik in der Regel die Kosten für die Miete der Gebäude. Trotzdem, betont die Regierung, lohnt sich der Amtssitz. Eine Studie von Ernest & Young von 2014 bezifferte den positiven wirtschaftlichen Gesamteffekt für 2012 auf über 500 Millionen Euro.

Nun will die Regierung rechtliche Regelungen ausarbeiten, die auch Nichtregierungsorganisationen und Thinktanks steuerliche Erleichterungen verschaffen, die sich im Umfeld der internationalen Organisationen ansiedeln. Die Schweiz hat das schon lang geregelt. Auch Deutschland hat reagiert, um den Standort Bonn zu stärken. „Hier haben wir einen rechtlichen Standortnachteil“, heißt es aus dem Außenministerium. Dieser solle jetzt behoben werden – um noch konkurrenzfähiger zu werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2015)

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