Michael Ludwig: Ein schrecklich netter Politiker

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Wohnbau-Stadtrat gilt seit dieser Woche als kommender Mann in Wien. Häupls Kronprinz hat mächtige Förderer, aber ein Problem: Für die Politik ist er zu nett. Eigentlich.

Er war nicht ganz dünn, hatte einen Bart und war der breiten Öffentlichkeit völlig unbekannt: Michael Häupl, der damalige Umweltstadtrat, wurde 1994 als Wiener Bürgermeister angelobt und folgte dem wortgewaltigen Helmut Zilk. Schon wenige Jahre später bezweifelte niemand mehr den Machtanspruch Häupls.

Diese Woche, Donnerstag: Er ist nicht ganz dünn, hat einen Bart und ist der breiten Öffentlichkeit bisher unbekannt: Michael Ludwig, Wohnbaustadtrat, ist zum Vizebürgermeister aufgestiegen – mit guten Chancen, Michael Häupl als Bürgermeister zu beerben. Aber: Wer ist dieser Mann?

Als der junge Michael Ludwig die Welt politisch verändern wollte, hatte er ein Problem. Traditionelle Jugendorganisationen? Stundenlange Diskussionen über theoretische Konzepte, über die internationale Solidarität und den immerwährenden Weltfrieden in den Kaderschmieden der SPÖ? Nicht gerade die ideale Vorstellung des jungen Wieners: „Ich wollte direkt an der Basis arbeiten“, erinnert sich Ludwig.

Jahrzehnte später. Michael Ludwig ist aufgestiegen. Vom kleinen Basis-Jugendfunktionär aus Floridsdorf bis zum Wiener Vizebürgermeister – nachdem er bereits Werner Faymann als Wohnbaustadtrat beerbt hatte. Damit hat Bürgermeister Michael Häupl seine Kronprinzen in Stellung gebracht: Renate Brauner (Wirtschaft/Finanzen), die nach Faymanns Wechsel in die Bundespolitik lange Zeit als einzige Häupl-Nachfolgerin galt, ist seit 2007 Vizebürgermeisterin. Michael Ludwig, der im Wohnbauressort das mühsame Erbe von Werner Faymann aufräumen muss, wurde nun Renate Brauner gleichgestellt. Wie der umgängliche Floridsdorfer, der auffällig oft gut gelaunt (für den Wiener Politbetrieb) durch das Rathaus marschiert, das schwierige Wohnbauressort managt, hat Michael Häupl Respekt abgerungen. „Es ist Zeit, auf diese breiten Schultern mehr Verantwortung zu laden“, meinte Häupl in einer Würdigung anlässlich Ludwigs Aufstieg. Dann der Nachsatz, mit einem wissenden Lächeln: „Und diese Schultern sind sehr breit.“
Wer die Spuren von Michael Ludwig verfolgt, findet in dessen Biografie interessante Details. Den Weg des typischen Jungsozialisten, der mit Ehrgeiz und über die „Ochsentour“ in der Partei aufgestiegen ist, ist Ludwig nie gegangen. Im Gegenteil: Der Mann, der Bruno Kreisky als Vorbild nennt, war Projektleiter in der Erwachsenenbildung, pädagogischer Leiter einer Volkshochschule, Landesstellenleiter des Dr.-Karl-Renner-Instituts. Ein solcher Lebenslauf (mit anderen Stationen) würde eher zum Bildungsbürgertum der ÖVP passen, doch Michael Ludwig ist in einem Gemeindebau in Jedlesee (21. Bezirk) aufgewachsen: „Das hat mich geprägt.“ Im Gespräch verwendet er Wörter wie „soziale Gerechtigkeit“, „Hilfe für die sozial Schwachen“. Floskeln, wie sie SP-Junghoffnung Laura Rudas (SP-Bundesgeschäftsführerin) seit Jahren beherrscht. Nur bei Ludwig klingt das so, als würde er sie wirklich ernst meinen.

Es gibt eine zweite Auffälligkeit im Lebenslauf des Michael Ludwig. Seinen politischen Aufstieg schaffte er fast ohne alte Freundschaften (manche sagen: Seilschaften), die sich in den Jugend- und Studentenorganisationen der SPÖ bilden, in denen Loyalität und gegenseitige Unterstützung mehr zählen als alles andere, in dem die heutige Führungsriege der SPÖ entstand: Michael Häupl, Renate Brauner, Grete Laska (die als Vizebürgermeisterin diese Woche zurückgetreten ist) und Werner Faymann.

Aber Michael Ludwig hat einen mächtigen Mentor: Harry Kopietz, lange Jahre Parteimanager der Wiener SPÖ: „Mentor? Ich würde eher sagen, uns verbindet eine lange, fast 25 Jahre dauernde Freundschaft“, meint der Mann, mit dem Wiens Bürgermeister seit Jahren alle wichtigen Entscheidungen abstimmt. Was sagt Kopietz über seinen Schüler? „Michael Ludwig ist sehr verlässlich, gebildet, klug mit ausgeprägtem analytischen Denken. Er hat seine Grundsätze, eine klare Orientierung und kann sehr gut mit Menschen umgehen.“ Ist er der nächste Bürgermeister, wenn Häupl seiner langjährigen Weggefährtin Laska in den Ruhestand folgt? Kopietz: „Das weiß ich nicht. Aber die Qualifikation hat er.“

Darunter könnte man verstehen, dass es Journalisten schwer haben: Michael Ludwig ist kaum (an)greifbar. Der Funktionär von nebenan. Immer höflich, immer freundlich, ein Workaholic aber nie laut. Feinde? Erbitterte Gegner? Zumindest einen einzigen? Bitte! „Michael Ludwig ist ein Politiker, der ein gutes Gesprächsklima über die Parteigrenzen hat.“ Er habe ein offenes Ohr für sinnvolle Vorschläge der Opposition, lobt VP-Klubchef Matthias Tschirf. Bundespräsident Heinz Fischer, mit dem Ludwig eine alte Freundschaft verbindet (Fischer war Vorsitzender der Volkshochschulen, Ludwig sein Stellvertreter) wird sicher auch kein böses Wort verlieren.

Private Skandale? Affären? Fehlanzeige. Seit Jahren ist Ludwig glücklich mit seiner Lebensgefährtin, einer Oberösterreicherin, verbunden. Gewandert wird oft im Waldviertel, neuerdings auch im Mühlviertel. Mit großem Genuss hat der konziliante Politiker „Die Ästhetik des Widerstandes“ gelesen – ein 1000 Seiten umfassender Roman von Peter Weiss über die politischen Erkenntnisse der Arbeiterbewegung in den Jahren des Widerstandes gegen den Faschismus. „Lesen“, meint der gelernte Bildungspolitiker, „gehört zu meinen Hobbys.“ Originell.

Der Eindruck, der nach fast jedem Gespräch bleibt: Michael Ludwig ist nett. Zu nett. Bernhard Görg, der glücklose Wiener VP-Chef, war auch so – was in der (Macht-)Politik ein Todesurteil sein kann. „Er ist ein zuvorkommender Mensch. Das ist nicht damit zu verwechseln, dass er sein Ziel nicht konsequent verfolgt“, hält Harry Kopietz, der politische Lehrmeister Ludwigs, dagegen.

Das bekam auch Herbert Jansky zu spüren. Der Faymann-Vertraute, der als Chef der städtischen Hausbetreuung in einige Skandale verwickelt war, musste seinen Hut nehmen.

Hat Ludwig ein Problem? Was ist das Lebensmotto von Michael Ludwig? „Durch das Reden kommen die Leute zusammen.“ Das klingt wieder lieb-nett. Nur: Wenn politische Gegner und Parteifreunde kein böses Wort fallen lassen – weder über die Kompetenz noch die menschlichen Qualitäten: Hat Michael Ludwig ein Problem? Wird es nicht bald in der SPÖ heißen: Er sei nicht hart genug gegenüber dem politischen Gegner? Ludwig: „Ich begegne einem Gesprächspartner mit persönlichem Respekt. Aber ich diskutiere hart und stehe auf festem politischen Fundament.“

Politik ist kein Mädchenpensionat, pflegt Michael Häupl zu sagen. Vor allem, wenn bei der Wien-Wahl 2010 die absolute SP-Mehrheit gegen die FPÖ (Stichwort: Anti-Ausländer-Wahlkampf) verteidigt werden will. Wird Ludwig dann die Samthandschuhe ausziehen? „In der Politik geht es auch darum, wie sich Politiker in der Öffentlichkeit präsentieren.“ Nachsatz: „Die Bevölkerung erwartet keinen Streit, sondern die Lösung von Problemen.“ Da klingt Ludwig wie Vorgänger Werner „Genug gestritten“ Faymann – mit einem kleinen Unterschied: Ludwig wirkt noch netter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2009)

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