Wien rechnet Franken-Schuld schön

Archivbild: Stadträtin Renate Brauner
Archivbild: Stadträtin Renate Brauner Clemens Fabry / Die Presse
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Der Anteil der Fremdwährungsschulden am Gesamtstand ist über die Jahre gesunken – sagt Wiens Stadtregierung. Das stimmt. Allerdings nur, weil die Gesamtschuld deutlich gestiegen ist.

Hat Wien ein Problem mit seinen Fremdwährungsschulden? Ja, sagen viele Kritiker nach der jüngsten Aufwertung des Schweizer Franken. Nein, betont die Stadtregierung in einer eigenen Informationskampagne. Und in Wirklichkeit?
„Die Presse“ analysierte alle Rechnungsabschlüsse seit 2002 und überprüfte die Kernaussagen der Stadtspitze auf ihren Wahrheitsgehalt. Ergebnis: Falsche Informationen gab es bisher nicht. Unvorteilhaft erscheinende Details finden jedoch (bewusst?) keine Erwähnung. In der öffentlichen Darstellung kam so bisher beim Bürger die vermutlich politisch erwünschte Botschaft an, dass die Schulden in Franken zwar nicht schön seien, sich aber seit vielen Jahren reduzieren.

Dreh- und Angelpunkt dieser „Information“ ist eine Kampagne des Finanzressorts namens „Wien 1x1“. Letzte Veröffentlichung: Ein Dossier zum Thema Fremdwährungskredite, das zahlreiche Stadtpolitiker, u. a. auch Finanzstadträtin Renate Brauner, und Rathausmitarbeiter weiter verbreiteten oder als Basis für ihre Argumentation verwendeten. Etwa im Rahmen von Pressekonferenzen und bei Aktivitäten innerhalb der sozialen Netzwerke des Internets. Der zentrale Satz des Dossiers lautet: „Insgesamt wurde im Zeitraum 2002–2013 der Anteil der Schweizer-Franken-Fremdwährungsschuld am gesamten Schuldenstand von 88,21 Prozent auf besagte 35,02 Prozent gesenkt, um damit zu einem ausgewogeneren Verhältnis im Kreditportfolio zu kommen.“ Unterstützt wird die Aussage mit einer Grafik, die sehr deutlich das Sinken des Franken-Anteils gegenüber dem Euro-Anteil an der Gesamtschuld zeigt.

Tatsächlich führt Wien mit dieser Darstellung seine Bürger in die Irre. Die Höhe der in Franken aushaftenden Schulden sank im besagten Zeitraum (2002: 1,85 Mrd. Euro; 2013: 1,62 Mrd. Euro) nur minimal. Zieht man für den Vergleich aber den aktuellen Buchwert heran (aufgrund der jüngsten Franken-Stärke liegt er bei 1,9 Mrd. Euro), ist sie nahezu gleich geblieben.

„Abgebaut“ wurde also nichts, die verbreitete Darstellung des sinkenden Franken-Anteils an den Gesamtverbindlichkeiten ist nur deshalb möglich, weil sich der Schuldenstand insgesamt seither mehr als verdoppelt hat (4,6 Mrd. Euro 2013 statt 2,1 Mrd. Euro 2002).
Noch fragwürdiger wird die Argumentationslinie der Stadtregierung dann, wenn man nur jene Budgets zum Vergleich heranzieht, die Finanzstadträtin Renate Brauner als Amtsinhaberin selbst verantwortet hat. Im Jänner 2007 übernahm sie das Ressort unter guten Rahmenbedingungen. Die Gesamtschulden betrugen 1,39 Mrd. Euro, jene in Franken nur 705 Mio. Ein paar Jahre und eine Wirtschaftskrise später haben sich die beiden Werte mehr als verdreifacht bzw. verdoppelt. Diese Entwicklung lässt sich auch anders beschreiben. Der Schuldenstand pro Einwohner stieg in den letzten zwei Legislaturperioden von 837 auf 2643 Euro. Für die Jahre 2014 und 2015 gibt es bisher nur Budgetvoranschläge.

Realer Zuwachs der Einnahmen

Wenn die Stadtspitze heute sagt, dass seit 2011 keine zusätzlichen Franken-Schulden mehr aufgenommen werden, ist das durch die Budgetaufzeichnungen gedeckt. Warum es jedoch überhaupt dazu gekommen ist, wird – von der SPÖ – gern verschwiegen. So stellten die Grünen während der Koalitionsverhandlungen Ende 2010 die Bedingung, in keine neuen Franken-Kredite mehr einzusteigen. Unter anderem deshalb, weil Brauners Finanzressort kurz zuvor neue Schulden in eben dieser Form aufgenommen hatte. In einem Jahr, in dem die Schweizer Währung im Vergleich zum Euro deutlich an Wert stieg. Binnen kürzester Zeit hatte sich der Nominalwert der neuen Last (381 Millionen Euro) in einen Buchwert von 440 Mio. verwandelt.

Als Grund für die aktuell hohen Schulden nennt die Stadtverwaltung stets die Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre, notwendige Investitionen sowie geringere Einnahmen. Zuletzt im Rahmen der Budgetdebatte im Gemeinderat (November 2014). Der Blick in die Bücher widerspricht dem teilweise.
Zwischen 2002 und 2013 stiegen die Einnahmen des Finanzressorts von 9,49 auf 12,47 Mrd. Euro. Das entspricht einem Zuwachs von 31 Prozent und liegt über der Inflation (28 Prozent). Umgekehrt erlitten die Financiers des Budgets, die Steuerzahler, im gleichen Zeitraum wegen steigender Gebühren und Steuern reale Verluste, weil besagte Inflation deutlich höher lag als die Zuwächse der Jahresbruttoeinkommen (20 Prozent).

Das Wetten auf einen günstigen Franken-Wechselkurs war jedoch nicht immer nur nachteilig für Wien. Den aktuellen Buchverlusten von 300 Mio. Euro standen in den vergangenen 30 Jahren auch Gewinne in Höhe von 700 Mio. Euro gegenüber. Aktuell wartet Wien ab, finanziert fällige Franken-Schulden laufend weiter in Franken zu guten Konditionen. Die Hoffnung: Gewinnt der Euro irgendwann wieder an Wert, wird die Rückzahlung billiger.

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