Maria Vassilakou: „Die SPÖ beschädigt ihre Glaubwürdigkeit“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wiens Grünen-Chefin und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou will die rot-grüne Koalition fortsetzen, egal, wie sich die SPÖ bei der Wahlrechtsreform verhält. In der Griechenland-Debatte fordert sie von der EU eine Kurskorrektur .

Die Presse: Waren Sie überrascht, als Bürgermeister Michael Häupl diese Woche bestätigt hat, dass die SPÖ die Wahlrechtsreform blockieren will?

Maria Vassilakou: Nein, nicht wirklich, das Gerücht geisterte schon länger herum.


Es war mehr als das. Der SPÖ-Parteimanager hat es bereits gesagt, als Rot-Grün das Scheitern der Reform verkündete.

Ich bin gespannt, ob die SPÖ es wirklich wagt, einen Mehrheitsbeschluss im Landtag als Minderheit zu blockieren. So etwas hat es in der Zweiten Republik noch nie gegeben.



Aber wenn die SPÖ von Anfang an klargemacht hat, dass sie blockieren will, ist die Abstimmung im koalitionsfreien Raum dann nicht ein Schmäh?

Seit wann ist die Garantie auf Umsetzung eine Bedingung dafür, dass man einen Antrag im Landtag stellt? Nach der Logik könnte die Opposition zwischen Wahlen Daumen drehen. Die Abstimmung legt offen, was Sache ist: dass die Mehrheit eine Reform will und eine Partei sich an die Macht klammert. Die Übung heißt Demokratie.


Aber es ist eben nur eine Übung. Die für die Grünen auch ziemlich praktisch ist. Sie dürfen die Macher geben, verärgern aber die SPÖ nicht so, dass sie sich die Chance auf eine zweite Regierungszeit verbauen.

Wäre das so, wie Sie sagen, dann hätten wir das vor vier Jahren gleich erledigen können.


Da haben die Grünen noch auf eine Einigung gehofft.

Allerdings, und ich will bis heute nicht annehmen, dass die Verhandlungen seitens der SPÖ nie ernst gemeint waren, doch als wir Grüne gemerkt haben, dass sich die SPÖ nicht bewegen kann oder will, haben wir die Konsequenz gezogen.



Wäre die ehrlichere Konsequenz nicht gewesen, die Zusammenarbeit zu beenden?

Wozu? Demokratie bedeutet, mit allen friedlichen Mitteln zu kämpfen. Wer sagt, dass die SPÖ die Blockade durchhalten wird?


Glauben Sie, dass jene SPÖ, die schon einem Kompromiss nicht zustimmen wollte, freiwillig noch mehr Mandate hergibt?

Die SPÖ weiß, dass sie ihre Glaubwürdigkeit und ihr Wahlergebnis stark beschädigt, wenn sie sich undemokratisch verhält.


Glauben Sie wirklich, dass sich das auswirkt? Wahlrecht ist eine spröde Materie.

Viele Wähler merken sich keine Details, aber jeder merkt, wenn eine Partei auf einen Landtagsbeschluss pfeift.


Wie geht man jetzt weiter vor?

Wir werden den Antrag auf faires Wahlrecht so einbringen, dass es zu einer Abstimmung im Landtag kommen muss.


Was machen Sie, wenn die SPÖ die Umsetzung blockiert? Die Opposition hat eine denkwürdige Sitzung angekündigt.

Ich mach jetzt keinen auf Drohgorilla. Aber ja, eine lustige Sitzung wird es wohl kaum.


Würden Sie Rot-Grün trotzdem fortsetzen wollen – egal, was die SPÖ macht?

Ich wünsche Rot-Grün zwei, weil wir gemeinsam viel weitergebracht haben. Wir haben uns nur in diesem einen Punkt nicht geeinigt, da muss man jetzt nicht die Nerven wegschmeißen.


Aber nervös war man schon. Die Grünen haben Verhandlungsergebnisse verraten, obwohl Stillschweigen vereinbart war. War das im Rückblick ein Fehler?

Das ist jetzt aber bitte keine Soap Opera.


Es schaut aber so aus.

Ich verstehe, dass es verlockt, es so zu interpretieren. Aber das ist bloß Regierungsalltag. Wenn man merkt, dass etwas verschleppt wird, muss man Transparenz für die Öffentlichkeit herstellen.


Michael Häupl hat auch etwas verraten: Laut ihm gab es ein Angebot der SPÖ an die Grünen, das seine Partei zwei Mandate gekostet hätte.

Das muss er einer Doppelgängerin von mir angeboten haben. Es ist doch bekannt, dass wir Grünen dieses Angebot öffentlich gemacht haben, und die SPÖ es in aller Öffentlichkeit abgelehnt hat.


Wenn das neue Wahlrecht nicht kommt, wird es dann Koalitionsbedingung?

Ja, und zwar wohl oder übel von jeder Partei, mit der die SPÖ regieren könnte. Der Unterschied zwischen uns und der ÖVP aber bleibt: Die Grünen sind eine Stadt- und die ÖVP eine Landpartei. Hätte die ÖVP in den vergangenen Jahren regiert, gäbe es keine 365-Euro-Jahreskarte, keine neue Mariahilfer Straße, nur strammen Proporz.


Die rote politische Kultur haben die Grünen aber auch nicht verändert.

Es ist nicht unsere Aufgabe, die SPÖ und ihr veraltetes Machtverständnis zu reformieren. Das muss sie selbst schaffen. Für eine Partei mit nur einem Ressort haben wir viel bewegt.


Die Grünen haben das SPÖ-Machtverständnis unterstützt, Projekte mitgetragen, die sie früher kritisiert hätten: die Erhöhung des PR-Budgets, den Marketing-Vertrag mit dem SPÖ-nahen Bohmann-Verlag.

Das war keine Erhöhung, sondern eine Umschichtung, und ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich mit der Neuvergabe an Bohmann nicht glücklich war. Aber es gab einen europaweiten Wettbewerb und nur einen Bewerber. Recht bleibt Recht.


Noch ein Abstecher in Ihre alte griechische Heimat: Schlägt in der Frage – unter welchen Bedingungen soll es Geld geben – Ihr Herz für Griechenland oder die Eurozone?

Mein Herz schlägt für ein geeintes Europa, das erkennt, wenn ein sogenanntes Hilfsprogramm nicht funktioniert, und dann handelt. In Griechenland geht es um Menschenleben. Wenn 30 Prozent der Bevölkerung nicht mehr krankenversichert sind, dann sterben Menschen, weil sie sich den Arztbesuch oder Medikamente nicht leisten können. Und das in einem EU-Land. Es braucht eine Kurskorrektur.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2015)

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