Rechnungshof: Kritik am Vorzeigeprojekt Aspern

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Fehlende Steuerungshoheit der Stadt Wien, eine zu frühe U-Bahn-Anbindung und eine mangelhafte Versicherung bei den Bohrungen für das Geothermiezentrum in der Seestadt.

Wien. Das Timinig kann als ungünstig bezeichnet werden. Gestern, Dienstag, luden Stadtrat Michael Ludwig und Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (beide SPÖ) zu einer Pressekonferenz, um 150 neue Bewohner der Seestadt Aspern öffentlichkeitswirksam zu begrüßen. Und am Dienstag legte auch der Rechnungshof seinen Bericht vor, in dem er auf das Stadtentwicklungsprojekt ein wenig gutes Licht wirft.

So kritisiert der Rechnungshof etwa die fehlende Steuerungshoheit der öffentlichen Hand, die frühe U2-Anbindung (nämlich ein Jahr vor Fertigstellung der ersten Wohnungen) sowie die mangelnde Versicherung bei den Bohrungen des Geothermiezentrums. Die wichtigsten Punkte im Detail:

Kein Überblick über Kosten

Planung und Umsetzung der Seestadt Aspern liegen bei der Stadt Wien und der (teilprivatisierten) Projektentwicklungsgesellschaft Wien 3420 Aspern Development AG. Die Seestadt ist übrigens das derzeit größte Stadtentwicklungsprojekt: Bis 2030 sollen auf dem ehemaligen Flugfeld Aspern (rund 240 Hektar) bis zu 10.500 Wohnungen für 20.000 Bewohner sowie 20.000 Arbeitsplätze entstehen.

Der Rechnungshof kritisiert, dass durch die Teilprivatisierung der Projektentwicklungsgesellschaft die volle Steuerungshoheit für die Stadt Wien nicht mehr gegeben sei. Außerdem wurde die Projektleitung Seestadt Aspern zu spät installiert. Anstatt erst mit 1. September 2011 hätte die Projektleitung spätestens bei der Beteiligung privater Partner an der Wien 3420 Aspern im Jahr 2010 eingerichtet werden sollen. Die Projektleitung besaß auch keinen Gesamtüberblick über die der Stadt Wien erwachsenden Kosten der technischen und sozialen Infrastruktur sowie jener der straßenverkehrlichen Einbindung der Seestadt Aspern, heißt es im Bericht weiter.

Außerdem kritisieren die Prüfer, dass die wesentlichen Bedingungen und Ziele für die Zusammenarbeit erst verspätet im Jahr 2013 festgelegt wurden. „Dies äußert sich u. a. in einer uneinheitlichen Vorgangsweise bei den Ausschreibungen und in den mangelnden Übernahmemodalitäten für die technische Infrastruktur. Dies widersprach der bereits im Jahr 2008 festgelegten Zielsetzung der Sicherstellung eines modernen Projektmanagements.“

Weiters kritisiert der Rechnungshof, dass bei der Suche nach privaten Partnern kein Bieterverfahren durchgeführt wurde, was aber die „wirtschaftlichere Variante“ gewesen wäre.

Zu frühe U-Bahn-Anbindung

Auch die U-Bahn-Verlängerung wird vom Rechnungshof kritisiert, allem voran der Zeitpunkt der Eröffnung. So wurde im Oktober 2013 die U2 verlängert – etwa ein Jahr, bevor die ersten Wohnungen fertig waren. Die U2 hielt also – an Wochenenden auch nachts – in einem Bereich, „der unmittelbar wenig besiedelt war“. Der Rechnungshof empfiehlt daher: „U-Bahn-Verlängerungen wären aus Kosten-Nutzen-Überlegungen mit den Stadtentwicklungen abzustimmen und die U-Bahn erst kurz vor der Besiedelung in Betrieb zu nehmen.“

Die Seestadt Aspern positioniert sich auch gern als besonders umweltschonendes Areal. So war auch ein Geothermiezentrum, das das Areal mit heißem Wasser für Heizzwecke versorgen soll, geplant. Der Rechnungshof begrüßt zwar die Intention, erneuerbare Energieformen zu nutzen. Allerdings gab es in der Durchführung und bei der Versicherung des Projekts Mängel. So beliefen sich die Anschaffungskosten des Geothermiezentrums bereits mit Ende 2012 auf 17,26 Millionen Euro.

Allerdings wurde bei den Bohrungen das erhoffte Heißwasser nicht gefunden. Das Projekt wurde aufgrund der Kosten und Risken also eingestellt. Die eigens dafür abgeschlossene Fündigkeitsversicherung kam aber nicht dafür auf, da sie „nicht alle Eventualitäten, wie z. B. die faktische Nichtfündigkeit, beinhaltete“. In einem Vergleich einigte man sich auf eine einmalige Zahlung von 3,75 Millionen Euro. Das entsprach nicht einmal der entrichteten Primärzahlung von 3,81 Euro.

Auf einen Blick

Die Seestadt Aspern wurde vom Rechnungshof unter die Lupe genommen. Die Prüfer kritisieren u. a. die durch eine Teilprivatisierung fehlende Steuerungshoheit der Stadt Wien, den mangelnden Gesamtüberblick über die Kosten des Projekts, die zu frühe Eröffnung der U2-Verlängerung sowie die mangelhafte Versicherung des Projekts Geothermiezentrum. Bis 2030 sollen 20.000 Menschen in der Seestadt wohnen und ebenso viele Arbeitsplätze zur Verfügung stehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2015)

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