Prozess: Fernwärme um Millionen geschädigt?

Symbolbild
SymbolbildAPA
  • Drucken

Der Prozess gegen Firmen, denen Preisabsprachen beim Leitungsbau vorgeworfen wird, hat begonnen. Das Kontrollamt fand einen „gewissen Gleichklang“ der Angebote.

Wien. Die Kunden der Wiener Fernwärme könnten mit ihren Gebühren und während der vergangenen Jahre ungewollt ein Kartell von Rohrnetz-Errichtern finanziert haben. Ob, und wenn ja, wie dieses Kartell funktioniert hat, versucht seit Montag das Straflandesgericht zu klären.

Staatsanwaltschaft und Fernwärme, das Unternehmen ist inzwischen in der Wien Energie aufgegangen, vermuten, dass die Absprachen zwischen mehreren Unternehmern einen Schaden in der Höhe von fünf Millionen Euro verursacht haben. Die Vertreter der beschuldigten Unternehmen wiesen am ersten Verhandlungstag alle Vorwürfe zurück und drehten den Spieß um: In Wahrheit, so der Anwalt eines mitangeklagten Unternehmens, seien die Firmen sogar selbst Opfer. Die Fernwärme habe zur Zeit der behaupteten Vorfälle nämlich ihre marktbeherrschende Stellung ausgenutzt, um Bewerber gegeneinander auszuspielen. Das sei ein Verstoß gegen das Bundesvergabegesetz gewesen.

Der Prozess durchleuchtet eine Reihe von Aufträgen während der Jahre 2011 bis 2014. Aufgekommen ist der Verdacht deshalb, weil sich ein offenbar benachteiligter Unternehmer gegenüber Vertretern der Fernwärme über die Praktiken seiner Konkurrenz beschwert hat. Dieser Unternehmer ist inzwischen insolvent und fordert von angeklagten Firmen seinerseits 45 Mio. Euro Schadenersatz.

Stadtrechnungshof prüfte

Solcherart informiert übermittelte die Fernwärme der Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung. Interne Untersuchungen und Suspendierungen von Mitarbeitern folgten. Zusätzlich wurden ein Wirtschaftsprüfer und ein Forensikdienstleister zur Beweissicherung engagiert.

Wie das System funktioniert haben könnte, das zeichnete vor einem Jahr der Wiener Stadtrechnungshof nach. Hierfür durchleuchteten die Kontrollore die Ausschreibungsunterlagen. Dabei fiel ihnen auf, dass bei einer Vergabe und aus unerklärlichen Gründen ein Unternehmer „aus Kapazitätsgründen“ vom Wettbewerb zurücktrat. Verdächtig war das deshalb, weil dasselbe Unternehmen vorher umfassende Unterlagen eingereicht hatte. Die Prüfer beschrieben, dass das Verhalten bei Preisabsprachen typisch sei: Gibt es mehrere Aufträge, bewerben sich alle dafür, im Zuge der Verfahren treten die „Partner“ jedoch nach einem System zurück, damit am Ende für jeden der Auftrag bleibt, den er will. Das Kontrollamt stellte bei seinen Untersuchungen einen „gewissen Gleichklang“ der Angebote fest. Dies sei für die Fernwärme auffällig genug gewesen, um auf „Aufklärungsgesprächen“ zu bestehen. Solche Gespräche fanden jedoch nie statt.

Weiters tauchte im Rahmen der Ermittlungen der Verdacht auf, dass Mitarbeiter der Fernwärme Informationen über die Vergabeverfahren nach außen getragen haben könnten. Diese Vorwürfe sind jedoch nicht Gegenstand des aktuellen Prozesses.

(awe, red.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

THERMISCHE ABFALLBEHANDLUNGSANLAGE SPITTELAU:
Österreich

Fernwärme Wien: Prozess wegen Verdachts auf Preisabsprachen

Elf Angeklagte müssen sich ab heute am Wiener Straflandesgericht verantworten, ihnen drohen bis zu drei Jahre Haft.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.