Archäologen finden älteste römische Spuren im Wiener Raum

Stadtarchäologen fanden älteste römische Spuren im Wiener Raum
Stadtarchäologen fanden älteste römische Spuren im Wiener Raum (c) Stadtarchäologie Wien
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Bei Bauarbeiten zur neuen Postzentrale im dritten Bezirk wurden sowohl keltische Grubenhäuser und Brunnen als auch römische Importgüter entdeckt.

In der Rasumofskygasse im dritten Bezirk sind die bisher ältesten römischen Funde im Wiener Raum geborgen worden. Sie stammen aus der Mitte des ersten Jahrhunderts und kamen bei den Bauarbeiten zur neuen Postzentrale zum Vorschein, wie die Leiterin der Stadtarchäologie, Karin Fischer Ausserer, am Mittwoch erklärte.

Aber auch aus anderen Gründen sind die Funde wissenschaftlich interessant: Zum ersten Mal lässt sich hier eine Mischung zwischen der spätkeltischen und der frührömischen Kultur nachweisen. "Bisher konnten wir im Stadtgebiet immer nur entweder oder, aber nie beide gemeinsam fassen", so Fischer Ausserer. Denn neben keltischen Grubenhäusern, Brunnen, Öfen und Gruben finden sich auch römische Importgüter wie Amphoren aus dem Adriaraum, Feinkeramik oder Schreibgeräte - und damit auch die frühesten Zeugnisse für Schriftlichkeit im Wiener Raum.

Brunnen
Brunnen(c) Stadtarchäologie Wien

Noch befinde man sich im Abschluss der Grabungsarbeiten, erst danach werden die Funde auch detailliert ausgewertet, berichtete die Leiterin der Stadtarchäologie. Man gehe jedoch davon aus, dass es sich um eine Siedlung hochgestellter keltischer Eliten handle, die bereits von der römischen Kultur beeinflusst waren. Von der Stellung der Siedler zeugen etwa "Tüpfelplatten", also Tonplatten mit kleinen Vertiefungen, in denen Münzrohlinge produziert wurden, sowie Gussformen, die vermutlich zur Bearbeitung von Bronze dienten und Werkstattreste, die auf die Perlenherstellung aus Bernstein hindeuten.

Insgesamt habe man rund 50 Kisten an Objekten bergen können. Nach der Auswertung könne man vielleicht "mehr über das Zusammentreffen und die gegenseitige Beeinflussung der beiden Kulturen sagen", sagte Fischer Ausserer. Grundsätzlich seien die Gebiete links und rechts des Rennwegs "eine archäologisch wichtige Zone und ein wunderbares Gratisarchiv", denn hier schlängelte sich der Teil der Donaulimesstraße, die von Klosterneuburg nach Hainburg führte.

Miniaturgefäße
Miniaturgefäße(c) Stadtarchäologie Wien

Die römischen Funde in der Zivilsiedlung am Rennweg datiert die Archäologin auf die Mitte des 1. Jahrhunderts. Zum Vergleich: Die Grabungen am Michaelerplatz in der Inneren Stadt stammen aus dem 2. bis 4. Jahrhundert. Denn erst nach und nach kamen mit den römischen Soldaten auch die "canabae legionis" nach Vindobona, also die zivilen Lagerdörfer rund um das Lager der Legion, in denen sich etwa Händler oder - trotz Heiratsverbots - die Familien der Soldaten ansiedelten. Die Funde am Michaelerplatz stammen aus einem solchen.

"7000 Jahre Geschichte auf 3000 Quadratmetern"

Die keltisch-römische Schicht ist allerdings nur eine von vielen in der Rasumofskygasse. Die ältesten gehen weit tiefer in die Wiener Stadtgeschichte zurück und stammen aus dem Frühneolithikum (ca. 5000 vor Christus). "Wir haben hier 7000 Jahre Geschichte auf 3000 Quadratmetern", schilderte die Leiterin der Stadtarchäologie. Interessant für die Archäologen sind auch die Funde aus dem Mittelalter: Hier konnte man etwa einen aus mehreren Kammern bestehenden und mit kleinen Lehmbänken ausgestatteten sogenannten "Erdstall" bergen. "Erdställe treten im 13. bis 15. Jahrhundert auf, ihre Verwendung ist noch umstritten", erklärte Fischer Ausserer.

Wahrscheinlich wurden sie jedoch als Lager oder unterirdische Küchen genutzt - eine Vermutung, die auch beim Landstrasser Erdstall nahe liegt. Denn in diesem fanden sich große Mengen an Keramik aus dem 13. und 14. Jahrhundert, von kleinen Gewürztöpfchen bis hin zu überdimensionalen Kochtöpfen. "Es könnte sich hier also um eine Art Großküche gehandelt haben", so die Chefin der Stadtarchäologen. Die Vermutung wird auch durch einen nahe liegenden Brunnen unterstützt. Eventuell hätten sowohl Küche als auch Wasserstelle zu dem nahe gelegenen Kloster St. Maria gehört, meinte Fischer Ausserer.

Deutlich jünger sind hingegen die Reste des Palais Mesmer aus dem 18. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert thronte hier eine "Galvanische Metallpapier-Fabrik" bevor schließlich 1920 das Post- und Telegraphenamt errichtet wurde. Die Fertigstellung der neuen Postzentrale ist für 2017 geplant.

(APA)

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