Maria Vassilakou: "Die SPÖ ist das notwendige Übel"

Clemens Fabry
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Die Wiener Grünen-Chefin Maria Vassilakou erklärt im "Presse"-Interview, warum sie Rot-Grün auf jeden Fall fortsetzen will.

Die Presse: Die SPÖ hat am Tag vor der Wahlrechtsabstimmung einen grünen Gemeinderat abgeworben. Wie viel muss man für das Mitregieren hinnehmen? Haben Sie keine Schmerzgrenze?

Maria Vassilakou: Meine Schmerzgrenze wurde vergangenen Freitag überschritten. Aber die Frage ist: Hat Wien etwas davon, wenn ich das Handtuch werfe und die Stadt einer machtrauschigen SPÖ in einer Pseudoalleinregierung monatelang überlasse? Oder ist es sinnvoller, die Zeit zu nutzen, die grüne Regierungsarbeit fortzusetzen? Ich werde grüne Projekte nicht unvollendet lassen.

So viel gibt es nicht, das noch beschlossen werden müsste.

Doch. Die Fertigstellung der Mariahilfer Straße, wenn Sie nicht wollen, dass sie wieder zum Parkplatz wird, die Ausweitung der Schanigartenzeiten, die Neugestaltung des Schwedenplatzes und vieles andere mehr.Ich will weiter die Stadt gestalten, nicht nur jetzt, auch die nächsten fünf Jahre. Dafür ist die SPÖ das notwendige Übel, das ich in Kauf nehmen muss. Ich werde daher all das noch ein paar Monate aushalten und – keine Sorge – auch etliche Jahre länger.

Das heißt, egal was die SPÖ macht, Sie bleiben?

Egal ist es nicht. Aber: Wenn zwei Parteien übereinkommen, dass sie auf Basis eines Programms regieren wollen, dann gilt es, das umzusetzen. Benimmfragen können da nicht ausschlaggebend sein.

Können Sie sich tatsächlich keine SPÖ-Aktion vorstellen, die Sie veranlassen würde zu gehen?

Ich kann mir sehr viele hässliche Dinge vorstellen, die die SPÖ machen kann. Da hab ich viel Fantasie. Aber ich habe schon die Intrigen rund um die Mariahilfer Straße ausgehalten und das waren nicht wenige. Es ist mir inzwischen egal.

Aber es gibt in Ihrer Partei deutliche Stimmen für ein Aus.

Die gibt es inner- und außerhalb der Partei. Das ist eine Emotion, die ich gut nachvollziehen kann. Aber die Mehrheit ist dafür, dass wir unsere Arbeit weitermachen.

Können Sie einen Ausstieg aus der Koalition ausschließen?

Ich kann nichts ausschließen. Wir werden darüber noch beraten. Aber mein Vorschlag ist, für das, worin wir sehr viel Arbeit und Mühe investiert haben, weiterzukämpfen.

Man könnte es aber auch so sehen: Die Grünen kleben so sehr an der Macht, dass sie sich alles gefallen lassen.

So formulieren es ÖVP und FPÖ. Dass die wollen, dass ich jetzt zurücktrete, liegt in der Natur der Sache.

Aber liefert man sich durch bedingungsloses Verharren nicht der SPÖ aus?

Wahre Stärke besteht darin, dass man umsetzt, wasman sich vorgenommen hat, ohne sich von schlechtem Stil irritieren zu lassen. Den Freunden von der SPÖ sei gesagt, dass die nächsten fünf Jahre „oho“ werden. Mit mir ist zu rechnen. Wir haben bisher den Fokus auf soziale und ökologische Projekte gelegt, in den nächsten Jahren gehen wir die Bildung, den Proporz und den Filz an. Auch das Thema Wahlrecht bleibt auf der Tagesordnung. Das wird noch lustig werden.

Sie reden von der nächsten Regierung, aber man kann sich bei der Stimmung schon jetzt die Zusammenarbeit schwer vorstellen.

Die Stimmung ist irrelevant. Es gibt Entscheidungen, die zum Funktionieren der Stadt getroffen werden müssen, und das wird geschehen.

Gab es schon eine Aussprache mit dem Bürgermeister?

Nein. Wir werden reden, wenn wir sachlich etwas zu koordinieren haben. Herr Häupl und ich sind keine WG, sondern zwei Parteichefs.

Zum Wechsel von Şenol Akkiliç gab es auch Kritik vom grünen Noch-Gemeinderat Lobo. Demnach hätten die Grünen Akkiliç nicht gut behandelt und dessen Thema, Integration, nicht ernst genommen.

Zu Şenol Akkiliç habe ich nichts zu sagen. Da kann sich jeder selbst sein Bild machen. Dass wir nicht genug Wert auf Integration legen, ist ein Oxymoron. Ich bin selbst Migrantin der ersten Generation und Grüne Vizebürgermeisterin.

Haben die Grünen eigentlich in dem Streit um die Wahlrechtsreform auch Fehler gemacht?

Wir haben zu lange gebraucht, um zu bemerken, dass die SPÖ nicht ehrlich verhandelt. Wenn Sie auf unseren Antrag der Änderung der Geschäftsordnung anspielen: Ich verstehe nicht, wie die SPÖ das einen Trick nennen kann. Als wir die Abstimmung im koalitionsfreien Raum beschlossen haben, hat die SPÖ sofort mitgeteilt, dass sie ein Schlupfloch in der Geschäftsordnung nutzen will, um diesen Antrag nicht abstimmen zu lassen. Das wollten wir reparieren. Zu Recht.

Sie haben bis vor Kurzem betont, dass Sie gar nicht an eine Blockade der SPÖ glauben. War das damals nur Zweckoptimismus?

Nein. Das war das Vertrauen, das ehrliche Menschen in ihr Visavis haben. Das ist der Unterschied zwischen der SPÖ und den Grünen. Wir haben ehrlich geglaubt, dass die SPÖ mit uns ein neues, rot-grünes Politikmodell für Österreich erarbeiten will. Einen neuen Stil ohne Wadlbeißerei. Leider hat in der SPÖ eine alte Funktionärsclique die Überhand gewonnen, der das egal war. Der Wahlrechtskompromiss etwa ist deshalb nicht zustande gekommen, weil er von der Spitze entweder nicht durchgebracht wurde, oder sie sich gar nicht bemüht hat.

Wenn sich die SPÖ nicht geändert hat, warum wollen Sie es dann wieder versuchen?

Es ist manchmal befreiend, einer Illusion beraubtzu werden. Wir werden nächstes Mal von einer nüchternen Basis aus starten und viel früher aufpassen, dass wir nicht gelegt werden.

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